Killerwitwen. Charlie Meyer

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Название Killerwitwen
Автор произведения Charlie Meyer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847684800



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beunruhigt auf das schnelle Pochen ihres Herzens. „Früher oder später sicherlich, aber der Schmidt war doch schon über achtzig und litt überdies an Lungenfibrose. Ich bin mir sicher, er empfand seinen Tod als große Erlösung. All diese Erstickungsanfälle und dann der schreckliche Husten ...“

      „Der alte Schmidt?“, triumphierte die Taube ungeniert. „Wo denken Sie denn hin, Frau Nichterlein. Ja kriegen Sie denn gar nichts mehr mit? Das is’ nich’ der alte Schmidt, das da is’ doch die Marianne, dem seine Tochter. Herzschlag! Nur ’n büschen hingelegt hat sie sich heute Mittag, und als sie denn aufstehen wollte, kippt sie einfach um und bums, weg isse. Die Lehmann’sche von nebenan, die hat den Bums gehört und die hat doch seit Jahren schon die Schlüssels, falls mal was passieren tut, wenn die Marianne beim Einkaufen oder nach der Apotheke is’. Jedenfalls hat die dann geklingelt und angerufen, die Lehmann’sche, und als sich niemand muckste, da hat sie denn einfach aufgeschlossen. Und da hat die Kleene vorm Sofa gelegen und war hin gewesen! Ich sag’ Sie, Frau Nichterlein, das is’ noch keine zwei Stunden her, haben Sie denn nich’ den Notarzt gehört?“

      „Die Marianne?“ Emmis Herz tat einen verschreckten Sprung, und die vage Erinnerung an das Martinshorn in ihrem Traum ließ sie erneut frösteln. Sie legte eine Hand unter die linke Brust und atmete tief durch. Nein, Frau Nichterlein, da ist absolut nichts, hatte der Kühne ergeben geseufzt und ihr vorwurfsvoll in die Augen geschaut, während er das Stethoskop in die Kitteltasche stopfte. Aber wenn Sie darauf bestehen, werden wir wohl noch einmal ein EKG machen müssen. Lassen Sie sich von Eva einen Termin geben. - Machen müssen! Als ob es ihr gefiele, so oben herum entblößt vor ihm auf der Pritsche zu liegen, während ihre schlaff gewordenen Brüste wie zwei halbgefüllte Sandsäckchen auf den Rippen pappten. Aber dem würde sie am Montag von der Marianne erzählen. Keine fünfzig war sie gewesen.

      „Das arme Würmchen“, schwatzte die Taube unbeirrt weiter, „vor zwei Tagen erst, da hat sie den Alten dann doch noch in ein Pflegeheim schaffen müssen, weil er in der Nacht plötzlich ganz blau wurde im Gesichte, und da hat der Marianne ihr Doktor Timmelmann geschimpft, sie müsse nun endlich was unternehmen, wissen Sie, das is’ doch auch dem Alten sein Arzt gewesen, und wenn sie ihn nu anstecken täte mit ihr ’n Schnuppen, dann gnad‘ uns Gott, hat er gesagt, der kriegt ja sowieso schon keine Luft nich’. Vorgestern haben sie ihn denn abgeholt, die Sanitäter, und das Mädel hat dabeigestanden, als sie ihn in den Wagen schoben, und geheult hat sie wie ’n Schlosshund mit Magenkrämpfe. Verstehen Sie das? Und nu wo sie frei is‘, kippt die einfach um und is’ mausetod. Und ich sag’ Sie was, der Alte mit seiner Fibarose, der macht’s noch die nächsten zehn Jahre, das können Sie mich glauben. Und die Kleene mit ihren achtundvierzig Jahren kriegt ’n Herzschlag und hin isse!“

      „Die Marianne!“

      „Und was mein Jochen is’, denn hat’s ja auch so fix erwischt. Nich’ das ich Sie einen Vorwurf daraus machen will, Frau Nichterlein, nur weil’s ja passiert is’ weil der Jochen, was war er aber auch so ’n Dösbaddel, Sie helfen wollte. Nee, nee, Frau Nichterlein, ich sag’ Sie, den Gestank hab’ ich ja nu immer noch in der Nase. So was aber auch. Wissen Sie, das mit dem Verlegen der Leitungen, als wir die Wand durchbrechen wollten, um das Badezimmer aus ’m Keller rauszukriegen – is’ ja kein Zustand nich’ da unten – also ob Sie‘s glauben oder nich’, das musste alles der Thomas machen, der wo mein Ältester is’. Der Jochen, Gott hab’ ihn selig, auch wenn er jetzt neben die Zigeuners liegt, der hat gleich gesagt, nee Ilse, du weißt ja, ich hab’ nu mal ‘ne schwache Pumpe und muss mir schonen und mit ’m Rücken, da hat er‘s ja auch gehabt, aber ich sag’ Sie, der hat sich nur gedrückt, weil er sich vorm Thomas hat schämen müssen, wo er doch keine Ahnung von nichts nich’ hatte. Der Doktor – Sie gehen doch auch zum Kühne, nich’? – also der Doktor sagte damals, dass der Jochen mit seiner Pumpe alles machen kann, nur rauchen und saufen nich’ mehr, und das war ja auch gut so. Wissen Sie noch früher, wo die Männer bei der Schlampe dahinten, der roten Lola, im Schuppen gehockt und gesoffen haben? - Ach du meine Güte – Tachchen Frau ... äh ... Frau Woitschack. Na, was sagen Sie zu der Marianne!“

      „Furchtbar“, rief die rote Lola von jenseits des Jägerzaunes. „ich hab’s gerade erst erfahren. Als der schwarze Wagen kam, da dachte ich natürlich als Erstes, jetzt ist der alte Schmidt dran, aber dann sagt mir doch einer der Männer - dieser große gut aussehende da vorn, ich mein den mit dem Vollbart – also der sagt doch glatt zu mir, das sei die Marianne, das arme Würmchen.“ Sie winkte zur Straße hinüber und schüttelte die roten Locken, und der Vollbärtige kurbelte das Seitenfenster herunter und winkte grinsend zurück. Als der Leichenwagen anfuhr, hupte er zum Abschied.

      Emmi erschauerte zutiefst.

      In diesem Moment trat aus der immer noch offenen Haustür bei Schmidts eine hagere witwenbucklige Frau mit zerraufter grauer Dauerwelle und schloss mit fahrigen Bewegungen hinter sich ab.

      „Mein Gott, mein Gott“, rief sie, als ihr Blick über die drei schwatzenden Frauen huschte, dann versagte ihre Stimme. Sie hob anklagend beide Arme gen Himmel und verschwand schluchzend im Nachbarhaus.

      „Hat die sie etwa gefunden?“, fragte die rote Lola missgünstig.

      Die Taube nickte bedeutungsschwer. „Dabei hat die vor ein paar Jahren erst ihren Ollen so finden müssen, na ja, zwölfe sind’s nu auch schon wieder her, aber man sagt ja, dass er nich’ allein im Bette war, als die Lehmann‘sche wegen der asiatischen Grippe im Bad ihre Kur abbrechen musste. Die Älteste von Schröders, die Babette, also der ihre Schwiegermutter, nu is‘ sie ja Gott Sei Dank auch schon lange beim Deibel, die Hexe, also die hat damals gesagt, dass die Lehmann’sche mitten in der Nacht nach Hause kam mit einer Taxe, und da soll sie ihren Ollen mit einer Verkäuferin vom Bauer’schen Kaufhaus im Bette erwischt haben. Die Jungsche mein ich, die wo bei die Pelze arbeitet. Und der Olle hat ganz nackicht und tot neben sie gelegen und dem sein Schniedel hat noch ganz steif in die Luft gestanden. Und als die Sanitäter ihn mitnehmen wollten, sagt die Babette ihre Schwiegermutter, hat die Lehmann’sche die vom Bauer’schen Kaufhaus in den Keller gesperrt, und gesagt, das mit dem Ollen und sein Schniedel, das wär man sie passiert. Können Sie sich so was vorstellen? Und wissen Sie was, das is’ dieselbe Verkäuferin gewesen, die wo der Lehmann’schen vor der Kur noch die schnieke Pelzjacke verkauft hat, weil sie doch in die Berge musste mit ihrer Bronschitis. Na, was sagen Sie nu? Als ob der ihr Oller das Geld von die Bäume schneiden konnte!“

      „Aber offensichtlich konnte er ja noch was anderes“, kicherte die rote Lola und strich sich über die rot gefärbten Haare mit dem grauen Ansatz am Scheitel. „Wow, das hätte ich dem gar nicht zugetraut mit seinem einen Bein!“

      Red du nur, dachte Emmi. Als ob du nicht genau wüsstest, wer in der Siedlung wozu fähig war. Hinter dir sind doch alle Kerls hergelaufen, der Jochen ebenso wie die anderen vom Birkenpfuhl. Und Hermann natürlich. O ja, Hermann auch, und du Schlampe hast dich eine Weile mit den Mannsbildern amüsiert und sie dann fallen lassen wie heiße Kartoffeln. Weißt du eigentlich, wie oft ich oben im Wohnzimmer gesessen habe, und euch zuhören musste, dir und dem Hermann?

      „Sagen Sie, Frau Woitzack“, sagte sie laut, „Sie haben ja in den letzten Tagen so viel bei sich herumgekramt, machen Sie gerade Hausputz?“ Sollte die Woitzack’sche ruhig mitkriegen, wie hellhörig die Wände waren, und dass sie, Emmi, im Mittelhaus alles von drüben hörte, sogar das Stöhnen.

      Die rote Lola spitzte die Lippen, als ob sie zu pfeifen gedächte und sah mit selbstzufriedenem Gesicht in den blauen Sommerhimmel. „Sehen Sie meine Damen“, sagte sie sehr geziert, mit Betonung auf Damen und einem schnellen scheelen Seitenblick zur Taube, „ich hätte es Ihnen natürlich noch mitgeteilt. Man fühlt sich ja verpflichtet nach über vierzig Jahren Nachbarschaft und all dem ...“

      Ich weiß, was du mit all dem meinst, dachte Emmi grimmig.

      „... aber wo nun schon mal das Thema darauf kommt – ich zieh um!“

      Die Frauen starrten sie ausdruckslos an.

      „Umziehen?“, wiederholte Emmi und bemühte sich, das Gehörte zu begreifen, während Ilse Taubes Schnabel lediglich verwirrt aufklappte und stumm offen blieb. „Wohin