Medusas Ende. Elisa Scheer

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Название Medusas Ende
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562607



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waren uns zwar einig, dass alle Männer an der Schule mehr oder weniger doof waren, aber so schlimm, dass er mit Zenzi Bernrieder auf einem Einödhof enden musste, war auch wieder keiner. Bei unserer Revue amüsierten wir uns aber köstlich, und als Verena auf die Uhr sah, staunten wir nicht schlecht, dass es schon auf halb elf zuging. Wir zahlten hastig (das Bier 2.20, das war doch wirklich zivil – trotz Trinkgeld blieben mir noch 1.13 für die Blechdose) und ich eilte winkend zum Bus.

       FR 24.10.2003

      Ich lag in der dritten Stunde, erschöpft von einer Doppelstunde Faust I, im Lehrerzimmer auf der Lauer, um zu gucken, ob die Massen zorniger Frauen (plus ein Mann mit einem Riesenterminplaner unter dem Arm), die sich im Wartebereich vor dem Lehrerzimmer drängelten, alle zur Bernrieder wollten, die sich im Nebenraum des Lehrerzimmers schon mit der ersten Mutter unterhielt (scharfe Töne drangen durch die undichte Tür), als vom Sekretariat angerufen wurde – ich sollte mal eben zum Chef kommen.

      Was war denn jetzt los? Ich schnappte mir mein Notizbuch und eilte den Gang entlang. Frau Schneider wies auf die gepolsterte Tür, die vom Sekretariat zum Allerheiligsten führte; ich klopfte zaghaft und trat ein.

      „Sie wollten mich sprechen, Herr Oberstudiendirektor?“ Immerhin wusste ich, was sich gehörte! „Frau Prinz? Ja, setzen Sie sich doch!“

      Im Direktorat war es dämmerig, schwere Vorhänge schlossen das trübe Oktoberwetter aus, auf dem Schreibtisch brannte eine Lampe mit länglichem grünen Schirm, wie man sie aus amerikanischen Anwaltsfilmen kannte. So was stand wohl auch im Lesesaal der Bodleian Library?

      „Ja, Frau Prinz... ich habe hier Ihre Ernennungsurkunde zur Beamtin auf Probe... mir war gar nicht aufgefallen, dass das so lange gedauert hatte... warum haben Sie denn nichts gesagt?“

      „Man hat mir gesagt, das sei normal. Ich dachte, der Staat wollte eben noch eine Zeitlang die Zinsen kassieren, bevor er mich bezahlt.“

      Silberbauer räusperte sich und schob seine randlose Brille wieder hoch. Da hatte ich eben wohl etwas Falsches gesagt? „Nun – wie dem auch sei... ich entnehme dem, dass mit gleicher Post auch eine Bezügemitteilung an Sie herausgegangen ist. Aber nun wollen wir erst einmal zum feierlichen Akt schreiten. Würden Sie bitte aufstehen?“

      Ich erhob mich gehorsam und sprach ihm die Eidesformel nach, die komischerweise anders lautete als die der Referendare, die ja zu Beamten auf Widerruf ernannt wurden. Dabei verbiss ich mir mühsam das Lachen, weil die Situation so albern wirkte. Dass ich auf den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ verzichtete, trug mir einen kurzen scharfen Blick ein, aber wenigstens keinen Kommentar. Ich leistete die nötigen Unterschriften, erhielt ein Exemplar der Ernennungsurkunde und einen kühlen, trockenen Händedruck und war in Gnaden entlassen.

      Draußen hätte ich Frau Schneider am liebsten umarmt. „Ich bin verbeamtet! Ich existiere! Ich kriege sogar Geld für meine Arbeit! Mensch, Frau Schneider, ohne Sie hätte das noch ewig dauern können!“ Sie lachte. „Schon recht, Kindchen. Die Lahmärsche in der Bezügestelle brauchen ab und zu etwas Feuer unterm Hintern. Na, jetzt ist ja alles klar, Frau Studienrätin!“

      „z.A.“, fügte ich hinzu, „aber immerhin, nicht?“

      Sie winkte ab. „Ich bin seit fast dreißig Jahren an dieser Schule, und hier ist noch keiner als z.A. gestorben. Und nur eine einzige hat vier Jahre gebraucht, um die Lebenszeitverbeamtung zu kriegen, und die war so dumm, dass wir alle heilfroh waren, als sie Zwillinge gekriegt und aufgehört hat zu arbeiten.“

      Ich grinste. „Zwillinge hab ich nicht eingeplant!“

      „Wozu auch? Von den Schülern hört man nur Gutes über Sie.“

      Das war ja fast noch besser als die Urkunde! Jetzt musste ich aber dringend zurück ins Lehrerzimmer und gucken, ob ich schon eine Bezügemitteilung in meinem Fach hatte. Und wie fertig die Bernrieder schon war – eine böse Mutter nach der anderen... Haha! Ich tanzte den Gang entlang und brachte kaum den Schlüssel ins Schloss, weil ich so unruhig war. „Wollen Sie alle zu Frau Bernrieder?“, konnte ich mir angesichts der schweigenden Versammlung, die mir bei meinen Aufschließversuchen zusah, nicht verkneifen.

      Allgemeines Nicken. „Ich werde es ihr sagen.“

      „Nicht nötig, sie weiß Bescheid“, sagte der Mann mit dem Terminplaner. Oh, der hatte sogar eine Ausgabe von BayEUG und GSO unter dem Arm. Arme Bernrieder...

      In meinem Fach lag ein Umschlag, der aus hundert Prozent ungebleichtem Altpapier hergestellt zu sein schien und mir schon fast in der Hand zerbröselte.

      Ich riss ihn mühelos auf und entfaltete das Formular. Zweitausenddreihundertfünfzig nach Abzug von Steuern und Soli regulär, plus eine Abschlagszahlung von viertausend Euro – damit war ich im Plus! Ich konnte mir sogar einen Videorecorder kaufen! Nur falls mal eine Faustinszenierung auf 3sat lief, natürlich. Und für die guten Sachen auf arte. Na, so eilig war das nicht. Und noch war das Geld ja nicht auf meinem Konto eingetrudelt. Oder doch?

      Ich eilte in den Silentiumraum und fiel vor einen der Rechner. Ungeduldig wetzte ich auf dem Stuhl herum, bis ich in mein Bankprogramm eingeloggt war – da, tatsächlich! Sechstausenddreihundertfünfzig – nicht übel! Heute Nachmittag würde ich gleich die Fondsaufträge erteilen. Eva Prinz auf dem Weg zu einer bürgerlichen Existenz! Und ich würde die Wohnung gründlich putzen. Und beide Exen korrigieren. Und alle Noten ausrechnen.

      Das Leben war doch schön... ich loggte mich wieder aus und setzte mich nach draußen, wo ich durch die Tür weiterhin hören konnte, wie sich die Bernrieder gereizt verteidigte, bis der Chef persönlich das Lehrerzimmer betrat, die Bernrieder samt wütender Mutter aus dem Nebenraum holte und vor der Lehrerzimmertür (die dankenswerterweise nicht von selbst ins Schloss fiel) verkündete, die umstrittene Schulaufgabe sei kassiert. Daraufhin löste sich die Schlange wie durch Zauberhand auf, nur der Terminkalendermann und eine Mutter blieben übrig; beide verlangten auf der Stelle einen Termin beim Chef. Er warf der Bernrieder einen bösen Blick zu und nahm mit einem deutlichen Seufzer die erbosten Erziehungsberechtigten mit in sein Oxfordzimmer.

      Ich feierte den Augenblick mit einem großen Bissen trockenem Vollkornbrot. Zu Aldi würde ich heute auch noch gehen, nachdem ich auf der Bank war. Und mal richtig einkaufen! Nicht zu teuer natürlich, schränkte ich sofort wieder ein und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die Bernrieder durchs Lehrerzimmer tigerte und nach einem Opfer Ausschau hielt. Immer wenn ihr Blick in meine Richtung glitt, vertiefte ich mich wieder in meine Unterlagen und war ganz furchtbar beschäftigt.

      Bevor sie anscheinend doch misstrauisch werden konnte, kam Gott sei Dank jemand anderes herein – Helga Schwarz, eine etwas gestresst wirkende Teilzeitkraft mit vier kleinen Kindern. Erdkunde und Deutsch. Die Bernrieder stieß auf sie nieder wie der Habicht auf die Henne. „Sie wollte ich gerade sprechen!“

      Die Schwarz stoppte mitten im Lauf. „Huch? Ja bitte, worum geht´s denn?“

      „Sie haben noch gar kein Projekt für den Deutschunterricht angemeldet!“

      Was sollte das denn jetzt?, fragte ich mich. Seit wann musste man Projekte anmelden? Und seit wann vor allem ging das die Bernrieder auch nur das Geringste an?

      „Doch“, behauptete die Schwarz sofort, „sogar zwei. Aber ich hab die Unterlagen der Frau Zeitler gegeben, weil sie doch die Fachbetreuerin ist. Dass Sie das übernommen haben, wusste ich ja gar nicht. Moment mal, ich hab aber von allem noch Kopien, die können Sie natürlich gerne haben.“ Sie begann in ihrer umfangreichen Tasche herumzuwühlen. Spielzeug, Babypuder, Bücher, Zettel – alles Mögliche quoll heraus, bis sie eine Mappe hervorzog, sie aufklappte und zwei zusammengeheftete Konvolute herausnahm. „Hier bitte! Schon kopiert. Ich hab ja noch das Original. Sehen Sie, hier, für die Siebte – eine Lektüreprojekt zum „Weißen Ritter“, das passt dann auch genau zum Lehrplan in Geschichte, mit dem Kollegen hab ich mich auch schon abgesprochen, und für die Zehnte einen Lernzirkel zu moderner Lyrik, das Material für die Stationen ist hinten angeheftet. Wir dachten über eine Kooperation mit Musik nach, was mögliche Vertonungen betrifft, und außerdem... Expressionismus