Medusas Ende. Elisa Scheer

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Название Medusas Ende
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562607



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wird dir gefallen, bestimmt!“

      „Ich kenne das Ratlos“, antwortete ich beleidigt. „Ich bin von hier, schon vergessen? Wir haben da unser Seminarende gefeiert. Ich hab bloß kein Geld, um dort was zu essen. Erst, wenn die endlich mal gezahlt haben.“

      „Dann leihen wir dir eben was. Oder du isst vorher zu Hause, wie du willst. Das Bier ist da nicht so teuer. Kommst du?“

      „Klar. Ich muss auch mal wieder vor die Tür. Und da geht sogar ein direkter Bus hin.“

      „Hast du kein Auto?“, fragte Verena ganz entsetzt. Ich schüttelte den Kopf. „Arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus. Für ein Auto hat es nie gereicht, ich bin ja schon froh, dass ich ziemlich billig an den Führerschein gekommen bin.“

      „Wie kommt man da billig ran? Meine Eltern haben damals für mich ein Schweinegeld abgedrückt, und dann bin ich auch noch beim ersten Mal durchgefallen“, erinnerte sich Nadja.

      „Eine Schulfreundin hatte einen riesigen wüsten Garten und einen geduldigen Bruder. Der hat mit mir endlos geübt, dann hab ich bloß noch zehn Stunden gebraucht. Inklusive Sonderfahrten. Ich glaube, der Fahrlehrer war auch noch ein Kumpel von dem Bruder. Jedenfalls hätte ich mir das Ganze sonst nie leisten können. Für eine Fahrstunde hab ich vier Stunden beim Bäcker verkauft, und aufs Abi lernen musste ich irgendwann ja auch mal.“

      „Harte Jugend“, stellte Verena fest und zog ein mitfühlendes Gesicht.

      Ich lachte etwas unfroh. „Was einen nicht umbringt... jedenfalls hab ich´s geschafft, und das ist doch die Hauptsache. Also, heute Abend um acht? Ich freu mich. Bestellt ihr einen Tisch?“

      „Ich mach´s“, sagte Nadja, „sonst stehen wir wieder den ganzen Abend an der Theke, und da kann man sich nicht in Ruhe unterhalten. Zu tratschen haben wir schließlich genug.“

      Verena lachte so schallend, das Wallner, der in seiner Ecke gelesen hatte, aufstand, zu uns kam und sie daran erinnerte, dass manche Leute hier auch arbeiten wollten. „Der Silentiumraum ist nebenan, da wo die Rechner stehen“, entgegnete Verena sofort etwas pampig. „Wir pflegen hier das kollegiale Klima, aber davon verstehen Sie wohl nichts.“

      Er verzog einen Mundwinkel minimal, was ihn noch mürrischer wirken ließ als sonst. „Ganz schön kess, Frau – äh – Ernst.“

      „Oh, Sie kennen meinen Namen? Ich fühle mich geschmeichelt.“

      „Seien Sie in Zukunft von etwas weniger – äh – aufdringlicher Fröhlichkeit“, bat er kühl und wandte sich ab. „Der hat wohl Angst, das könnte ansteckend sein und sogar ihn mal zu einem freundlichen Gedanken verführen“, tuschelte Nadja, sobald er sich einige Schritte entfernt hatte. Er drehte sich kurz um, als habe er das noch gehört, fixierte Nadja kurz und ging zurück zu seinem Platz.

      Nadja kicherte unterdrückt. „Kneif du nur den Arsch zusammen!“

      Das verstand er Gott sei Dank wohl nicht mehr.

      „Warum ist der so miesepetrig?“, erkundigte ich mich leise.

      „Keinen Schimmer. Irgendwer hat mal gesagt, Schicksalsschlag, jemand anderes, natürliche Muffigkeit. Er tut aber keinem was, außer dass er keinen leiden kann. Besonders keine Frauen.“

      „Schwul?“, erkundigte ich mich noch leiser.

      „Nö, glaub ich nicht.“

      „Aha. Frauen sollen gefälligst daheim bleiben?“

      „Barfuß und schwanger am Herd?“, sekundierte Verena mir. Nadja hob die Hände, Handflächen demütig nach oben gerichtet. „Ich weiß es doch auch nicht. An Frauen – jungen Frauen – meckert er eben bevorzugt herum, scheint es.“

      „Ich mag keine Typen, die in keine Schublade passen, sondern unordentlich herumliegen“, klagte Verena. „Wir müssen ihn beobachten.“ Das fand ich nun auch wieder übertrieben. Der Wallner ging uns doch wirklich nichts an.

      Nach einer weiteren Stunde in der siebten Klasse (Hinführung zum Investiturstreit) konnte ich nach Hause fahren, wo ich mich sehr befriedigt umsah. Leerer Schreibtisch, herrlich! Nach den Allerheiligenferien standen zwar zwei Schulaufgaben an, aber doch wenigstens mit einer Woche Abstand, und heute musste ich bloß den Unterricht für morgen vorbereiten und mir zwei Exen ausdenken, aber die Notizen hatte ich doch schon. Und vielleicht ein Grammatikspiel für die Fünfte.

      Ich vertilgte das übliche Leberwurstbrot, verzichtete darauf, den heutigen Überschuss von drei Euro dreiundsechzig in die Blechdose zu werfen, weil ich ja später wenigstens ein Bier finanzieren musste, und machte mich an die Arbeit.

      Eigentlich hatte ich doch einen tollen Job, stellte ich fest, als ich mit allem fertig war und es draußen gerade erst zu dämmern begann. Noch nicht mal sechs Uhr, und ich war schon fertig! Ich beschloss, das übliche Lehrerjammern in Zukunft zu unterlassen, damit bediente man bloß Klischees, und für das Burnout-Syndrom war ich wirklich noch zu jung. Ob die Bernrieder an so was litt? Aber müsste sie dann nicht bleich und lustlos durch die Schule schleichen anstatt alle zu schikanieren? Ob sie die Schulaufgabe wohl zurückzog? Musste sie ja, wenn sie nicht wollte, dass die Reimes sie vorführte. Und so, wie die Reimes heute dreingeschaut hatte, wäre es ihr ein richtiges Festessen, das war mal klar.

      Ich warf mich auf mein Bett, verschränkte die Arme im Nacken und sah an die Decke. Wie schnell sich die Situation ändern konnte! Noch am Montag hatte ich mich wie das Stiefkind der Nation gefühlt, und jetzt war ich so richtig akzeptiert. Nicht bei der Bernrieder natürlich, aber bei Nadja, Verena und Theo. Und die waren doch nett. Gott, was dieser Theo so wegfuttern konnte - zum Schießen! Ich hatte einen eigenen Platz im Lehrerzimmer, nette Klassen und vielleicht bald sogar ein Gehalt. Was wollte ich mehr? Ja, und meine Mutter wollte nicht, dass ich sie besuchte. Auch das war unbedingt unter die positiven Dinge zu rechnen, so zielstrebig, wie sie einem die Laune zu verderben pflegte.

      Ich wälzte mich wieder vom Bett und griff zum Telefon. Mal hören, wie sich Leonie in München so eingelebt hatte! Leonie war da und klang entnervt.

      „Bist du im Stress?“, erkundigte ich mich mitfühlend.

      „Kannst du laut sagen!“, stöhnte sie. „ich hab zwei Schulaufgaben auf einmal zu korrigieren, morgen schreibe ich noch eine Grundkursklausur -“

      „Was denn, so früh schon?“

      „Ich versteh´s auch nicht, aber so steht es eben im Klausurplan, und unsere Kollegstufenbetreuerin besteht darauf, dass die Termine eingehalten werden, egal, wie bescheuert sie sind. Ich hab die Iphigenie noch nicht mal richtig durch!“

      „Doof“, stimmte ich ihr zu.

      „Und morgen Abend ist auch noch eine Schulparty, und sie haben mich gekeilt, Aufsicht zu machen. Von zehn bis eins, bis ich da rauskomme, fährt auch keine U-Bahn mehr.“

      „So viel zur Weltstadt München“, feixte ich, froh, in einem ungetarnten Kuhkaff zu arbeiten. „Weltstadt!“, höhnte Leonie. „Das kannst du echt vergessen. Das einzige, was hier Weltstadtniveau hat, sind die Mieten. Was ich für diese popelige Zweizimmerwohnung zahle, das glaubst du nicht!“

      „Nämlich?“

      „Neunhundert Euro! Kalt! Das ist doch eine Frechheit, oder? Aber so, wie die Schule liegt, mag ich auch nicht weiter draußen wohnen, dann fahre ich mich dumm und dämlich.“

      „Du hast also schon Gehalt gekriegt? Wie viel?“, erkundigte ich mich gespannt.

      „Klar, etwa zwodrei netto. Nach Abzug aller Fixkosten reicht es gerade noch für trockenes Knäcke dreimal täglich. Wieso, kriegst du weniger?“

      „Bis jetzt hab ich noch gar nichts bekommen. Aber unsere Sekretärin hat diese Dödel in der Bezügestelle so angeschnauzt, dass die jetzt ihren Arsch hoffentlich mal hochgekriegt haben. Ich lebe zurzeit von vier Euro am Tag und davon, dass die Bank mich weiter überziehen lässt. Und vom Verkauf meines Firmungsschmucks, aber der war nicht wirklich was wert.“

      Leonie kicherte. „Erinnerst