Medusas Ende. Elisa Scheer

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Название Medusas Ende
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562607



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es – Tante Herta ist ja längst tot, die Gute – und finanziere so meinen Umzug nach München. Und was stellt sich raus? Der Materialwert beträgt keine zwanzig Euro. Alles falsch! Ich hab´s in meiner Wut auf den Wertstoffhof gebracht.“

      „Die werden sich gefreut haben! Ich hoffe, du hast es korrekt in den Extracontainer für nachgemachte Krönungskreuze geschmissen?“

      „Nein, ein Angestellter wollte es haben, für den Fasching. Soll er doch als Papst gehen, wenn es ihn glücklich macht. He, aber an unserer Schule gibt es pfundweise schnuckelige Junglehrer, man hat die freie Auswahl.“

      „Beneidenswert. Bei uns ist die Ausschussquote hundert Prozent. Bei den Männern wenigstens.“

      „Naja, ein paar gibt es schon, die es schaffen, gleich im ersten Satz ihre Freundin zu erwähnen“, gab Leonie zu. „Die kann man dann auch streichen. Aber nett sind sie eigentlich alle.“

      „Bei uns gibt es ein paar echt seltsame Gestalten, das glaubt man kaum.“ Ich erzählte ihr von der Bernrieder und dem Aufstand gegen sie, und sie amüsierte sich prächtig.

      Zwo drei, dachte ich, nachdem wir uns verabschiedet hatten. Mehr, als ich erwartet hatte. Oder gab es für München so was wie einen Ortszuschlag, weil dort alles so teuer war? Dann könnte ich aber wenigstens zwoeins – oder zwozwo... für einen weiteren Fonds musste es auf jeden Fall noch reichen! Ich kramte meine Prospekte wieder aus der Schublade und studierte sie. Vielleicht einen spekulativeren... hier, New Sciences, ein bisschen Medizinforschung, ein bisschen Internet, ein bisschen Logistik. Das musste doch alles langsam wieder im Kommen sein? Ich schaute den Chart nach. Tatsächlich, grob abgestürzt seit 2000 und jetzt erholte er sich langsam, war aber immer noch recht billig – der Anteil für siebzehn Euro. Der Tiefpunkt hatte bei sechs gelegen, der Start bei zwanzig. Am Montag würde ich die Daueraufträge festmachen, ganz bestimmt! Nein, erst sollte ich mal ein Einkommen aufzuweisen haben. Sonst machte ich mich ja total lächerlich.

      Im Ratlos war mal wieder Hochbetrieb. Ich war noch nicht oft hier gewesen, aber wenn, dann war es jedes Mal gesteckt voll gewesen. Ob das an den zivilen Preisen lag, dem guten Essen oder den netten Wirtsleuten, wusste ich nicht und es war mir auch egal. Hauptsache, ich fand endlich Freunde unter meinen Kollegen! Nadja und Verena winkten von einem kleinen Fenstertisch, dessen dritten Stuhl sie anscheinend eisern verteidigt hatten. Hastig setzte ich mich, bevor wieder jemand mit Ich-darf-doch-Blick nach der Lehne greifen konnte.

      „Schön, dass du da bist“, sagte Nadja, und Verena nickte. Die Bedienung tauchte hinter mir auf und ich bestellte ein Helles, aber nichts zu essen. So dicke hatte ich es wieder auch nicht! In einer Ecke entdeckte ich Leute, die ich aus meiner Referendarzeit kannte, und winkte ihnen zu.

      „Wer ist das?“

      „Welche vom Leo“, antwortete ich. „Das war meine Seminarschule. Nette Leute dort.“ Verena nickte. „Wir haben mal mit denen ein gemeinsames Projekt veranstaltet. Da läuft manches besser als bei uns.“

      „Das liegt an der Chefin“, behauptete Nadja. „Die greift auch mal durch, wenn´s sein muss. Und sie weiß, wo sie mit ihrer Schule hin will. Der Silberbauer – das ist ein besserer Konkursverwalter. Der hat doch längst aufgegeben.“

      „Im Geist ist der immer noch in Oxford“, fügte Verena hinzu.

      „Der hat in Oxford studiert? Edel!“, staunte ich.

      „Ach wo. Hätte er wohl gerne. Er hat vielleicht mal eine Pauschalreise dahin gemacht, und seitdem lebt er so, wie er sich Oxford vorstellt. Sanfte Gelehrsamkeit, gedämpftes Licht, getäfelte Wände. Schau dir bloß mal das Direktorat an!“

      „Da war ich noch nie“, bekannte ich, „ich hab ja immer noch nicht geschworen.“

      „Dann guck dir seine Krawatten an. Alle mit Wappen. Unser kleiner Hochstapler.“

      „Ich glaube, ich habe ihn nur bei der ersten Konferenz von weitem gesehen. Kümmert der sich eigentlich um gar nichts?“

      „Kaum. Wenn man zu ihm geht und sich beklagt, tut er vielleicht was, aber die Arbeit macht der Jörndl fast alleine. Die Hausmann ist nicht da und der Wettig scheint langsam zu vertrotteln, das siehst du ja an diesen abartigen Vertretungsplänen. Nein, der Silberbauer sitzt die Zeit bis zur Pensionierung einfach ab und hofft, dass nichts Ernsteres passiert.“

      „Deshalb hat die Reimes ja so gute Karten“, fügte Verena hinzu. „das einzige, wovor der Silberbauer Schiss hat, sind wütende Eltern. Und die Schulaufgabe von der Bernrieder muss echt ein Skandal gewesen sein.“

      Ich sah betont auf die Uhr. „Zwölf nach acht – und wir sind beim Thema. Gute Zeit!“ Verena lachte. „Ja, diese Frau hat zumindest Unterhaltungswert. Aber nimm sie auf keinen Fall ernst, ihre Gegner formieren sich ja schon, wie dir aufgefallen sein dürfte. Und wenn man zu ihr unverschämt ist, fällt ihr meistens nichts ein. Sie beißt nur zu, wo sie Schwäche wittert.“

      Sie unterhielten mich mit allerlei Anekdoten, denen ich entnehmen konnte, dass die Bernrieder sich wirklich bei allen unbeliebt gemacht hatte; nur Kelchow schien nichts gegen sie zu haben. „Ob sie so unsicher ist, dass sie dauernd um sich beißen muss?“, überlegte ich schließlich, nachdem ich mich köstlich amüsiert hatte. „Sie ist einfach ein Besen“, tat Verena sie ab. „Und jetzt reden wir mal nicht von der Schule, das ist ja wie auf einer Teenieparty. Hey, da kommt unser Essen, sehr gut!“

      Ich nahm einen homöopathischen Schluck von meinem Bier und betrachtete mir das überbackene Sandwich und den Currysalat. Sah sehr lecker aus. Wenn mein Konto ausgeglichen war, dann – ja dann! Ich dachte an das Vollkornbrot in meinem Magen – das musste reichen, auch wenn keine Leberwurst mehr da gewesen war. Eigentlich hatte ich auf Leberwurst auch gar keine Lust mehr. Morgen würde ich mir was anderes kaufen – Teewurst? Sardellenpaste? Remoulade aus der Tube? Erdnussbutter war billig – aber so schmeckte sie eben auch.

      „Woran denkst du?“, fragte Nadja mit vollem Mund.

      Ich zuckte die Achseln. „An nichts Besonderes. Schmeckt´s?“

      „Super!“, antwortete sie mit vollem Mund. „Mal probieren?“ Sie hielt mir eine Gabel voll hin. Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin noch total satt vom Abendessen. Mir reicht das Bier.“

      Nadja schob sich die Gabel selbst in den Mund. „Wer nicht will, der hat schon. Pass auf, ich wette mit euch, dass morgen noch jemand gegen die Bernrieder aufsteht!“

      „Wer?“, fragte Verena sofort.

      „Keine Ahnung. Aber jetzt kommt jeden Tag jemand dazu.“

      „Nach morgen gibt´s erst mal eine Woche Ferien“, gab ich zu bedenken, „da kann so mancher Mut verpuffen.“

      „Oder jemand steigert sich in seine Wut so richtig rein. Da knallt´s noch mal, sie hat sich einfach mit zu vielen angelegt. He – hat sie nicht morgen Sprechstunde? In der dritten? Im Lehrerzimmer?“

      „In der dritten hab ich frei. Soll ich zählen, wie viele mordlüsterne Mütter aufkreuzen?“, bot ich an.

      „Ja, unbedingt. Ich glaube, nach der Stunde ist die Gute schon ein Stückchen kleiner. Und der Silberbauer ist auch wieder da. Auch wenn er von alleine nichts auf die Reihe kriegt – wenn die Reimes ihn heiß macht, kassiert er die Schulaufgabe sofort. Also, Leute – morgen Komödienstadel!“

      Ich lachte. So musste man den Affenzirkus sehen! Bloß würde ich jetzt jedes Mal, wenn ich die Bernrieder sah, Zenzi denken und albern kichern.

      „Und wer ist der Hoferbe? In solchen Stücken gibt´s immer eine Magd und einen Hoferben.“

      Verena schüttelte sich. „Die müssten sich dann ja kriegen... Mal sehen, wen hassen wir so sehr, dass wir ihm ein happy end mit der Bernrieder antun?“

      „Wallner“, schlug ich vor. „Der hat mich auch schon blöd von der Seite angequatscht.“ Verena schüttelte den Kopf. „Der Griesgram! Ja, aber so blöd ist er auch wieder nicht. Den aalglatten Kelchow? Nein, der fällt tot um. Nadja, dein Bremml! Dann erstickt sie wenigstens