Bangkok Oneway. Andreas Tietjen

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Название Bangkok Oneway
Автор произведения Andreas Tietjen
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783957770660



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die kryptischen Zeichen darauf. Dann rutschte sie auf Knien zu einem Holzbrett, an dem, auf Nägeln aufgespießt, zahllose Zettel hingen. Sie riss einen davon ab und kehrte zurück zu Dagmar. Ernsthaft und leise flüsternd las die Dame den Text darauf. Dann wandte sie sich an die Urlauberin und sagte in feierlichem Ton:

      »Everything will be good. You and your husband together again. He is fine but your life change. No plompen, everything fine! Happy!«

      Dabei nahm sie die Hand der Deutschen und lächelte sie aufmunternd an.

      Dagmar war befangen. Sosehr sie sich auch nach Ablenkung von ihren Problemen, Hoffnungsschimmern und schicksalhaften Fügungen sehnte, konnte sie sich solchen mystischen Ritualen einfach nicht ungehemmt hingeben. Was würde als Nächstes geschehen? Sollte sie dieser freundlichen Person Geld für ihre Bemühungen geben? Sie hatte keine Ahnung, ob Thailänder sich selbstlos um Ausländer bemühten oder Gegenleistungen erwarteten. Einen Moment lang standen sich die beiden Frauen verlegen lächelnd auf dem Gehweg vor dem Tempel gegenüber.

      »Where you go now?«, fragte die Seifenfrau und entließ Dagmar mit dieser Frage aus ihrer beklemmenden Situation.

      Drei

      Ute hatte es sich in ihrem Appartement bequem gemacht. Sie hatte eine Flasche guten französischen Rotwein geköpft – ein fast unbezahlbarer Luxus in dieser tropischen Region. Ihre Wohnung war eigentlich eine Hotelsuite. Das Grand City Hotel war ein etwas heruntergekommenes Hotel im Stadtteil Silom, und für eine ebenso heruntergewirtschaftete Zweieinhalb-Zimmer-Suite musste Ute als Dauergast zwölftausend Baht pro Monat bezahlen. Umgerechnet etwa zweihundertachtzig Euro für Miete und wöchentlichen Room-Service waren für jemanden in ihrer beruflichen Position relativ günstig, für eine Stadtwohnung in dieser Lage geradezu ein Schnäppchen. Ute hatte den Fernseher eingeschaltet, um so ein bisschen das Gefühl von Gesellschaft zu haben. Für den Bildschirm hatte sie jedoch keinen Blick übrig. Wie meistens, wenn sie sich alleine betrank – was allerdings recht selten vorkam –, räumte sie ihre Wohnung auf. Sie sortierte Dinge von einem Platz zum anderen um, fand Genugtuung darin, sich von Besitztümern zu trennen, die sie allzu lange nicht mehr benutzt hatte. Dabei sprach sie mit sich selbst, nippte gelegentlich an ihrem Glas und naschte von ebenfalls kostbaren Käsehäppchen. Dafür, dass sie einen grottenschlechten Tag hinter sich hatte, war sie in geradezu bemerkenswert guter Stimmung. Sie hatte sich perfekt auf sich selbst eingestellt, als ihr Handy klingelte. Ute runzelte die Stirn. Gewöhnlich bedeutete ein Anruf um diese Zeit, dass sie sich eiligst fertigzumachen hatte, um Touristen im Rentenalter vom Airport in die verstreut liegenden Vertragshotels des Reiseunternehmens zu begleiten. Diese Gäste benahmen sich, als wenn sie unter Feindbeschuss den nächstgelegenen Luftschutzkeller finden mussten, dabei waren sie in aller Regel mit einer luxuriösen Rundumbetreuung versorgt. Seit dem Eklat mit ihrer Vorgesetzten Stefanie Conner hatte sie diese Art von Beeinträchtigung ihres Privatlebens nicht mehr zu befürchten, trotzdem nahm Ute das Gespräch mit gemischten Gefühlen an.

      »Hast du Lust, mit mir zusammen etwas essen zu gehen?«, fragte Dagmar mit unsicherem Zittern in ihrer Stimme.

      »Ich lade dich ein, egal wohin!«, beeilte sie sich hinzuzufügen.

      Ute war gerührt, fühlte sich jedoch gleichsam ein wenig schuldig, da sie sich den ganzen Tag lang nicht um ihren Schützling gekümmert hatte. Ute war bereits in einen bequemen Hausanzug gekleidet und ihre Weinflasche war inzwischen zu mehr als der Hälfte geleert.

      »Nimm dir ein Taxi und komm zu mir rüber«, schlug sie vor. »Hier gibt es alles, was wir brauchen, und ich muss mich nicht wieder ankleiden.«

      Etwas schüchtern betrat Dagmar das Appartement. Sie warf einen interessierten Blick in die Räumlichkeiten und setzte sich dann auf einen der Hocker am Küchentresen.

      »Ich bin gleich so weit«, hatte ihr Ute zugerufen, bevor sie kurz in ihrem Schlafzimmer verschwand, um sich eine dünne Strickjacke über den Arm zu werfen.

      »Ach übrigens. Ich habe heute eine sehr nette Dame kennengelernt, die Seife verkauft«, rief ihr Dagmar durch die offen stehende Tür nach.

      »Seife? Aha.«

      »Ja, und sie hat mir eine Obstseife geschenkt.«

      »Obstseife? Was für eine Obstseife? Wäscht man damit Obst ab?«

      »Nein, haha. Sie ist mit einem konzentrierten Obstaroma versehen. So eine stachelige, exotische Frucht.«

      Ute kam zurück aus dem Schlafzimmer und nahm ihren Zimmerschlüssel aus einer Holzschale.

      »So eine Frucht, von der du mir erzählt hattest, dass sie in Thailand sehr beliebt ist.«

      »Ach du meinst Dragonfruit, Drachenfrucht.«

      »Nein, die hieß anders, ich komme nicht drauf!« Dagmar überlegte.

      »Durian, kann das sein?«

      »Durian? Bist du verrückt?! Schmeiß die weg! Durian stinkt wie die Pest, in die meisten Hotels darfst du Durian nicht einmal mit hineinnehmen!«

      Dagmar war verlegen. Sie öffnete ihre Handtasche und entnahm ihr das Schächtelchen.

      »Hast du einen Mülleimer hier?«, fragte sie unschuldig.

      »Sag mal, du spinnst wohl! Die nimmst du schön wieder mit zu dir und schmeißt sie in deinem Hotel weg.«

      Ute warf einen kurzen Blick auf Dagmars Präsent.

      »Ach Rambutan. Das ist Rambutan-Seife, die ist harmlos. Die kannst du behalten.

      Ute setzte sich zu Dagmar an den Küchentresen und verteilte den Rest des Inhalts ihrer Weinflasche in zwei Gläser. Die beiden Frauen prosteten sich zu, genossen das teure Tröpfchen und machten sich anschließend auf ins Rooftop-Restaurant des Hotels. Auch hier oben sah es etwas rustikal aus. Es gab einen Pool, der klein, aber sehr romantisch beleuchtet war. Die geflieste Umrandung war an einigen Stellen mit Kacheln anderer Machart ausgebessert worden. Durch eine kurze Treppe auf einer weiteren Ebene erreichbar, standen wenige Tischgruppen. Etwa in der Mitte dieses Teils der Dachterrasse befand sich eine kleine Bühne, die mit Gerümpel vollgestellt war und an einem mit einer fleckigen Decke verhüllten Tisch richteten Kellner die herbeigetragenen Speisen zum Servieren her.

      »Früher gab es hier jeden Abend Barbecue«, schwärmte Ute, »aber da hatte das Haus auch noch ein paar Sterne und internationale Urlauber als Gäste!«

      Das Essen war trotz der Patina, die sich über das gesamte Gebäude wie ein Schleier gelegt hatte, ausgezeichnet. Essen ist überall in Thailand ausgezeichnet, hatte Ute bemerkt.

      Die beiden Frauen aßen genüsslich eine Zusammenstellung kleinerer Snacks, die Ute ausgewählt hatte, und unterhielten sich gemütlich. Wie mit einem nicht ausgesprochenen Tabu belegt, wurde der verschollene Ehemann mit keiner Silbe erwähnt.

      »Bist du eigentlich verheiratet? Du trägst gar keinen Ring«, fragte Dagmar neugierig.

      »Ich war verheiratet, vor vielen, vielen Jahren. Das eine Mal hat mir auch gereicht.«

      Gedankenverloren schüttelte Ute den Kopf.

      »Und seitdem warst du immer alleine?«

      »Nein, natürlich nicht. Aber wenn du die meiste Zeit deines Lebens in Hotels in ständig wechselnden Ländern zubringst, dann reicht es nur für mehr oder weniger flüchtige Beziehungen. Ist mir auch lieber so, wenn ich ehrlich bin.«

      Dagmar überlegte, während sie eine gegrillte Garnele verspeiste.

      »Und was ist im Moment bei dir mit Männern?«

      Ute wehrte ab: »Ich habe im Augenblick andere Probleme. Außerdem bin ich langsam in einem Alter angelangt, wo Freundschaften wichtiger sind als Beziehungen. Ich habe mein Soll erfüllt. Ich habe ein Kind in die Welt gesetzt und großgezogen, damit bin ich aus dem Schneider und nur noch für mich selbst verantwortlich.«

      Wieder kreisten die Gedanken in Dagmars Gehirn.

      »Und was ist mit Sex?«

      Sie grinste Ute frech