Название | Bangkok Oneway |
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Автор произведения | Andreas Tietjen |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770660 |
»Wie soll ich denn heute Nacht schlafen können? Ich weiß überhaupt nicht mehr weiter! Ein Mensch kann doch nicht einfach so verschwinden, das geht doch gar nicht. Das muss doch jemand mitbekommen haben!«
Nach weiteren fünfzehn Minuten lag Dagmar dann endlich in ihrem Hotelzimmer im Bett. Ute Radok hatte einige Mühe, sie so weit zu bewegen, aber schließlich war es ihr, mit viel gutem Zureden, doch gelungen, die schwer angeschlagene Urlauberin zur Ruhe zu bringen. Dagmar hatte noch einmal eine Tablette genommen und Minuten später war sie in einen tiefen Schlaf gefallen.
Ute Radok machte sich alleine auf den Weg zu ihrem Hotelappartement, wo sie, bei einem einsamen Glas Rotwein, endlich Zeit finden würde, sich mit ihren eigenen Sorgen zu beschäftigen.
Ute hatte mit der Telefonnummer von Nids Freundin nichts erreichen können. Entweder war die Nummer falsch oder es ging einfach niemand an den Apparat. Die Adresse, die ihr die Barbedienung gegeben hatte, befand sich in einem entlegenen Stadtteil.
Ute rief im Hotel Tamarind an, um sich mit Dagmars Zimmer verbinden zu lassen. Die Leitung war jedoch besetzt und so legte sie wieder auf. Eine Sekunde später läutete das Telefon. Am anderen Ende der Telefonleitung war ihre Vorgesetzte Stefanie Conner, die sofort eine Schimpfkanonade begann.
»Frau Radok, wir haben ja indessen mitbekommen, dass Sie Martan Travel durch Sabotage in den Ruin treiben wollen. Ich hätte aber nicht gedacht, dass Sie dabei so unverschämt und leichtsinnig vorgehen würden.«
In Ute staute sich Adrenalin an, sie fühlte sich zu sehr überrumpelt, als dass sie eine Antwort hätte geben können. Frau Conner fuhr fort:
»Sie hatten gestern Abend eine vierundzwanzigköpfige Gruppe am Suvarmabhumi Airport abholen sollen. Die armen Menschen standen dort eine geschlagene Stunde hilflos herum, und wer war nicht zur Stelle? Was glauben Sie eigentlich was wir uns noch alles von Ihnen bieten lassen werden?«
Ute fand langsam ihre Fassung wieder und stammelte mit vor Wut zugeschnürter Kehle:
»Ich hatte im Büro angerufen und Ihnen mitteilen lassen, dass ich mich um einen vermissten Gast zu kümmern hatte. Hat Ihnen denn niemand etwas gesagt? Ich hatte mit Herrn Soest gesprochen und der hat mir zugesichert ...«
»Ob und wann Sie sich um welche Gäste zu kümmern haben, das entscheide immer noch ich, Frau Radok!«, brüllte die Abteilungsleiterin ins Telefon. »Das ist hier kein kindischer Selbstbedienungsladen für alternde Reisetussies! Wir haben Verantwortung für mehrere Tausend gut zahlende Reisegäste, Monat für Monat, Woche für Woche. Wenn hier nicht bald ein wenig Disziplin einkehrt, dann werden hier Köpfe rollen, das verspreche ich Ihnen! Sie werden jetzt Ihren Hintern bewegen und in fünfzehn Minuten in meinem Büro stehen. Wenn Sie das nicht schaffen sollten, egal aus welchem Grund, dann können Sie sich heute noch Ihre Papiere abholen! Haben Sie mich verstanden?!«
Fassungslos starrte Ute auf den Telefonhörer, der bei den letzten Worten ihrer Chefin gebebt hatte.
Der Berufsverkehr war in vollem Gange und es spielte eigentlich kaum eine Rolle, ob sie nun versuchte, die Hochbahn BTS zu nehmen, deren nächste Station schon alleine einen Fußweg von einer Viertelstunde entfernt lag, oder ob sie sich in ein Taxi schwingen sollte, das dann spätestens an der Ecke Silom Road hoffnungslos im Stau stecken würde, oder ob sie sich zu Fuß auf den mehr als vier Kilometer langen Weg machen sollte. Sie konnte die Zeitvorgabe partout nicht erfüllen. Keine Chance, es ging einfach nicht!
Also suchte Ute das Bad auf, frisierte ihre Haare ganz in Ruhe, zog sich mit einem Eyeliner gewissenhaft ihren Lidstrich, tat etwas Rouge auf – nicht zu viel, nur einen Hauch unterhalb ihrer Wangenknochen. Sie ging in ihre Garderobe, zupfte sich den Rock ihres graublauen Kostüms zurecht, schlüpfte in ihre flachen Schuhe, legte sich ihre Kostümjacke über den Arm, nahm ihr Handy vom Esstisch und zog nach dem Verlassen des Appartements energisch die Tür ins Schloss. Sie war die Ruhe in Person, fast schon apathisch. Keinen Gedanken an die möglichen Folgen des Telefonats mit Frau Conner verschwendete sie. Keinen Gedanken an ihre Zukunftsperspektiven als alleinstehende Mittfünfzigerin. Schlendernd machte sie sich auf den Weg zur BTS-Station Sathorn im Stadtteil Silom. So absurd es ihr selbst in diesem Moment erschien, sie sorgte sich um Dagmar und deren verschollenen Mann. Ihre eigenen Probleme wollten einfach nicht in den Vordergrund ihres Denkens treten.
Dagmar war etwa um acht Uhr von dem Klingeln des Telefons aufgewacht. Sie hatte starke Kopfschmerzen und einen sehr trockenen Mund.
»Frau Schöller, wir warten auf Sie«, hörte sie die ihr bekannte Stimme von Frau Sandra Klöpper vorwurfsvoll aus dem Hörer tröten. »Der Bus fährt in genau einer halben Stunde ab, und wir haben Sie weder im Frühstücksrestaurant noch in der Hotellobby gesehen. Sie haben doch hoffentlich nicht verschlafen!«
Dagmar brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was die Reiseleiterin von ihr wollte.
»Aber mein Mann ist doch immer noch nicht wieder aufgetaucht! Ich kann doch jetzt nicht einfach die Rundreise antreten, so als wäre nichts geschehen!«
Frau Klöpper blieb für einen Augenblick stumm.
»Aber wir müssen um spätestens halb neun losfahren. Ich weiß auch nicht, wie Sie das machen wollen. Ich jedenfalls kann nicht länger warten, dann müssen Sie sich mit Frau Conner auseinandersetzen. Die Nummer habe ich Ihnen gestern gegeben.«
Dagmar saß aufrecht im Bett und starrte leer vor sich hin. Dann rappelte sie sich auf und stürzte, zusammen mit einer Kopfschmerztablette, einen halben Liter Mineralwasser in sich hinein.
Nach dem Beenden ihrer Morgentoilette bereitete sie einen Nescafé, setzte sich in einen der beiden vorhandenen Sessel und wählte auf ihrem Handy die Nummer ihrer Tochter Sarah in Wolfsburg. Sie ließ das Telefon etwa fünf Minuten lang klingeln, bis der Anrufversuch durch ein Tut-Signal ergebnislos abgebrochen wurde. Nervös wiederholte sie dieses Prozedere zwei weitere Male, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass in Deutschland gerade drei Uhr in der Nacht war.
Dagmar fühlte sich matt und ausgelaugt. Sie versuchte, an ihren Mann zu denken, aber es wollte ihr nicht gelingen. Sosehr sie sich auch bemühte, brachte sie es nicht fertig, sich sein Bild vorzustellen. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab und machten sich an belanglosen Dingen fest. Wieso sind die Gardinen so lang, dass sie am Boden einen Knick bilden, fragte sie sich. Sie blickte nach oben und entdeckte großflächig Farbspritzer der weiß getünchten Decke an den oberen Gardinenrändern. Offensichtlich hatte man diese gestrichen, ohne vorher die Vorhänge abzunehmen. Dagmar schüttelte den Kopf. Erneut versuchte sie, ihre Tochter zu erreichen. Als dies wieder nicht klappte, wählte sie die Nummer von Frau Radok, doch deren Telefonleitung war besetzt.
Dagmar gab sich einen Ruck und machte sich auf, um frühstücken zu gehen. Sie saß alleine an einem Tisch mit vier Stühlen und stocherte lustlos in einem Quarkmüsli herum. Der Kaffee schmeckte lausig, der Orangensaft dünn. An einem benachbarten Tisch unterhielten sich vier Männer in unerträglicher Lautstärke in russischer Sprache. Als sie dann gingen, hinterließen sie mehrere randvoll mit allen möglichen Speisen gefüllte Teller und einen Haufen Müll.
Wieder zurück in ihrem Zimmer, versuchte sie erneut, ihre Tochter und Frau Radok zu erreichen, schließlich wählte sie die in den Reiseunterlagen von Martan Travel angegebene Servicenummer. Nach mehrmaligem Läuten antwortete eine Dame mit deutlichem thailändischem Akzent. Dagmar schilderte ihr Anliegen, doch die Frau am Ende der Leitung verstand sie nicht oder wollte sie nicht verstehen. Erst als Dagmar hörbar in Tränen ausgebrochen war, bemühte sie sich, ihr zu helfen.
»Misse Connor nicht da in Augeblick.