Название | Bangkok Oneway |
---|---|
Автор произведения | Andreas Tietjen |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770660 |
Dagmar: »Aber Sex kann doch ganz schön sein!«
Ute blickte Dagmar spöttisch an.
»Kann! Aber du weißt nie im Voraus, wie es ausgehen wird. Für die paar Minuten, die man da mal auf seine Kosten kommen könnte, muss man heucheln und sich verleugnen. Besten Dank, da trinke ich lieber einen Schnaps und gut ist´s!«
Sie machte eine Pause, dann fuhr sie fort: »Hattest du denn mit deinem Heinz guten Sex?«
»Mit Heinz? Nein, das kann ich nun wirklich nicht behaupten. Meist war es die Mühe nicht wert!«
Ute grinste.
»Na also, wovon redest du dann?!«
»Schnaps!«, erwiderte Dagmar und streckte Ute ihr Glas fordernd entgegen.
»Aber nicht aus einem Weinglas, Schätzchen! Wollen wir uns heute wirklich ohne Gnade besaufen oder spendierst du lieber noch eine Flasche von dem mittelmäßigen, aber sündhaft teuren Italienischen?«
Zu Utes Erleichterung blieb es bei Rotwein, der auch ganz ordentlich wirkte, bei diesen Temperaturen und der spürbaren Luftfeuchtigkeit.
Die Unterhaltung war wirklich angenehm. Ute erzählte von ihrem abwechslungsreichen Leben und Dagmar fand nicht wenige Gemeinsamkeiten bei ihren Vorlieben und Einschätzungen.
Ute Radok war im Januar 1958 als Tochter eines Landarztehepaars in einer niedersächsischen Kleinstadt geboren worden. Ihre Kindheit verlief unspektakulär. Sie hatte einen zwei Jahre jüngeren Bruder, der späterhin ebenfalls Allgemeinmediziner wurde. Ute machte ein durchschnittliches Abitur und fuhr danach für ein Jahr als Au-pair in die USA. Wegen der Möglichkeit, später einmal in der Reisebranche im Ausland arbeiten zu können, absolvierte sie eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau. Ihre Jugend wurde geprägt von einem starken Freundeskreis, der sich der Hippiekultur, vielen Konzert- und Festivalbesuchen sowie dem Konsum leichter Drogen widmete.
»Wenn ich mir überlege, was wir damals so weggekifft haben ... Und heute rauche ich nicht mal mehr Zigaretten. War aber eine tolle Zeit!«
Ute füllte die beiden Gläser mit Rotwein nach. Während sie einen großen Schluck davon nahm, wehte ihr ein Windzug eine ihrer leicht gewellten dunkelbraunen, mit einzelnen grauen Haaren durchsetzten Strähnen ins Gesicht.
»Meine gesamte Jugendzeit über war ich hin und her gerissen zwischen meiner Clique und meinen Berufszielen. Ehrgeizig war ich. Ehrgeizig und zielstrebig war ich mein ganzes Leben lang, doch jetzt werde ich langsam müde. Diese Zicke Stefanie Conner hat mir irgendwie den Schneid abgekauft. Soll ich gegen so eine Person kämpfen?«
Sie nahm noch einen Schluck Wein, so als ob sie den bitteren Geschmack dieser Erkenntnis herunterspülen wollte.
»Ich habe internationales Tourismus-Management studiert. Wie organisiere ich mich jetzt mal am besten?«, äffte sie ihre Chefin nach. »Okay, dann ist halt jetzt die nächste Generation dran, das einzureißen, was unsere Generation aufgebaut hat.«
Utes Leben war geprägt von einem unstillbaren Fernweh, das sie nie ganz zur Ruhe kommen ließ. Sie hatte verschiedene Partner, davon zwei feste Beziehungen. Als sie gerade vierundzwanzig geworden war, wurde sie schwanger und heiratete Jochen, den Vater ihrer Tochter Caroline. Nach vier Jahren Elternzeit bekam Ute eine interessante Stellung bei einem Touristikkonzern angeboten, womit jedoch auch häufige Reisen im In- und Ausland verbunden waren. Dies belastete die Ehe stark.
Mit dreiunddreißig – da war ihre Tochter gerade achteinhalb Jahre alt – trennten sie und Jochen sich einvernehmlich, drei Jahre später ließen sie sich scheiden. Caroline blieb bei ihrem Vater, während Ute erst in eine kleine Wohnung nach Hamburg zog und kurz darauf eine Stelle als Reiseleiterin in Thailand antrat. Obwohl sie sich selten sahen und Caroline damals auf eigenen Wunsch zu ihrem Vater gezogen war, hatte sie stets ein gutes Verhältnis zu ihrer Tochter. Ute arbeitete nun schon seit mehr als vierundzwanzig Jahren im Ausland und kam seitdem selten zu Besuch in ihre Heimat.
»Immer, wenn ich in Deutschland bin, habe ich das Gefühl, dass ich einen Schwarz-Weiß-Film sehe«, sagte sie nachdenklich.
Die beiden Frauen lehnten, mit ihren Weingläsern in den Händen, an der Begrenzungsmauer der Dachterrasse und bewunderten die nächtliche Großstadtkulisse. Unten fuhren einige Feuerwehrautos mit Sirene und Blaulicht – richtiger gesagt: Rotlicht – vorbei. Neugierig beugten sie sich vor und blickten in die Tiefe. Die Autos bogen aus einer Nebenstraße langsam in die Silom Road ein und beschleunigten dann ihre Fahrt. Schläuche lagen verknäult auf der Ladefläche.
Dagmar schüttelte den Kopf.
»Das sieht aber auch ganz schön rödelig aus!«
Ute, die sofort erfasste, wovon die Rede war, antwortete entschuldigend: »Die sind sicherlich nicht zum Aufrollen und Trocknen der Schläuche gekommen.«
Dagmar nachdenklich: »Dann löschen die hier mit abgestandenem Wasser?«
Ute: »Ja, da holt man sich ruckzuck eine bakterielle Infektion!«
Sie blickten sich an und prusteten los vor Lachen.
»Du schläfst heute hier bei mir«, bestimmte Ute. »Da draußen lauert die Gefahr in Form von biologischen Kampfmitteln und du bist schon zu betrunken für den Heimweg!«
*
Sie saßen in einem schönen Restaurant im Stadtteil Bangsu direkt am Chao Phraya Fluss. Es war Utes Vorschlag gewesen, Dagmars einundsechzigsten Geburtstag hier mit einem kleinen Candle-Light-Dinner zu feiern. Der ursprüngliche Plan der Urlauberin war, diesen Tag zusammen mit ihrem Ehemann Heinz in der wunderschönen Lampang River Lodge in Nordthailand zu begehen, doch nun hatte das Schicksal diesen unspektakulären Ort für ebendies Ereignis auserwählt. Das Lokal war ein echter Geheimtipp, den nur wenige Ausländer kannten. Beinahe ländlich wirkte die Umgebung, obwohl man mit der Expressfähre nicht einmal eine halbe Stunde bis ins Stadtzentrum brauchte. Auf der Holzterrasse, auf der etwa zehn Sitzgruppen Platz fanden, bestand die Beleuchtung ausschließlich aus verschiedenartigen Kerzenleuchtern. Die vielen liebevoll platzierten Dekorationsgegenstände boten einen geschmackvollen Eindruck der ganzen Bandbreite traditionellen Kunsthandwerks. Das Ambiente wurde abgerundet durch leise Untermalung mit klassisch thailändischer Musik. Einzig das etwas unbeholfene Personal wirkte eine Spur deplatziert.
Während die beiden Frauen schweigend in der Speisekarte nach einem angemessenen Gericht suchten, fragte Dagmar unvermittelt:
»Ob die hier wohl Wein haben? Wenn wir schon meinen Geburtstag feiern, dann auch bitteschön richtig!«
Ute ließ ihren Blick abschätzend in die Runde schweifen.
»Mit Sicherheit nicht, aber ich kann ja mal fragen.«
Der herbeigerufene Kellner war überfordert. Grinsend wiederholte er Utes Anliegen, ohne jedoch die geringsten Anstalten zu machen, näher darauf einzugehen. Stattdessen notierte er die Speisebestellung und eilte zurück in die Küche. Ute machte eine »Bitte-was-habe-ich-gesagt?!«-Handbewegung. Sie nahm ein Plastikfläschchen Sketolene aus ihrer Handtasche und sprühte sich die Beine mit dem Moskitospray ein. Einige Minuten später jedoch trat der Oberkellner an den Tisch heran und wollte wissen, ob die beiden Damen wirklich nach Wein gefragt hatten. Seine Stellung war daran zu erkennen, dass er einen schwarzen Anzug trug und beim Gehen immer eine Hand, mit der Handfläche nach außen gewandt, auf den Rücken hielt. Das war dann aber bereits alles, was er mit einem Ober gemein hatte, in anderen Belangen erwies er sich als Niete. Er erkundigte sich, was für ein Wein gewünscht war.
»Was haben Sie denn da?«, fragte Ute.
»Rotwein und Weißwein«, antwortete der Mann unsicher.
»Rotwein?« Ute sah Dagmar fragend an.
»Rotwein!«, nickte Dagmar.
Der Oberkellner verschwand wieder im Restaurantgebäude und einen Augenblick später sahen die beiden, dass sich der Kellner auf eine alte Honda schwang und damit von dannen knatterte. Ein paar Minuten später war er wieder da, eine