Название | Bangkok Oneway |
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Автор произведения | Andreas Tietjen |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770660 |
»Dann wird er erneut losfahren und im nächsten Family Mart eine weitere Flasche kaufen«, antwortete sie lakonisch.
Nun kam eine junge Kellnerin mit dem Wein und zwei normalen Wassergläsern an den Tisch. Sie lächelte freundlich und versuchte, den Korken mithilfe eines riesigen, Furcht einflößenden Messers aus dem Flaschenhals zu pulen. Das Prozedere dauerte etwa zehn Minuten, dann gab sie verlegen grinsend auf und holte Hilfe aus dem Gebäude. Der Oberkellner kam, in der Hand einen richtigen Korkenzieher. Zwar aus brüchigem, quietschgelbem Plastik, aber immerhin ein echter Korkenzieher. Er schraubte die Spirale schulmeisterlich erklärend etwa einen halben Zentimeter in den Korken hinein, übergab an die Kellnerin und verschwand wieder. Die junge Frau drehte das Gerät noch einen weiteren Zentimeter in den Flaschenhals und hebelte schließlich mühsam einen Brocken des Verschlusses aus der Halsöffnung heraus.
»Das ist ja nicht mit anzusehen!«, kommentierte Dagmar.
»Du darfst sie nun auf keinen Fall unterbrechen«, flüsterte Ute. »Da muss sie jetzt selbst durch, sonst verliert sie ihr Gesicht!«
Weitere zehn Minuten später war der Korken in zwei Häufchen Krümel aufgelöst. Eins davon war über den ganzen Tisch verteilt, das andere schwamm in der Flasche. Inzwischen hatten die beiden Frauen ihre Hauptspeisen bereits verzehrt. Die Kellnerin goss Utes Glas bis zum Rand voll, verbeugte sich verlegen lächelnd und ging.
»Und ich?«, fragte ihr Dagmar hinterher. Beide Frauen fingen an zu lachen. Ute fischte die Korkkrümel mit einem Löffel aus dem Glas und Dagmar füllte das ihre selbst halb voll.
»So, nun lass uns aber mal endlich auf deinen Geburtstag anstoßen! Ich wünsche dir alles Gute, gute Gesundheit und natürlich, dass du deinen Heinz bald wieder in deine Arme schließen wirst. Ach Quatsch, was rede ich. Ich bin lausig in solchen Ansprachen, du weißt schon, was ich meine. Ich wünsche dir, dass du glücklich bist!«
Die beiden Frauen stießen mit ihren Gläsern an.
»Wenn ich dich nicht hätte, dann wäre das jetzt ein ganz deprimierender Tag!« Dagmar kämpfte eine Träne herunter. »Aber dank deiner Hilfe und all dem, was du für mich tust, ist das alles jetzt im Moment nur halb so schlimm für mich. Und dann dieser Blick auf den Fluss ...«
Sie nahmen jede einen kräftigen Schluck von dem Rotwein und verzogen gleichzeitig das Gesicht.
»Vielleicht wird er besser, wenn man Eiswürfel in den Wein gibt«, versuchte Ute.
»Ja, und vielleicht etwas Salz und Pfeffer!«, ergänzte Dagmar. Sie fingen an zu lachen und sahen sich eine Weile einfach nur an.
»Oh mein Gott, ich habe ja noch ein Geschenk für dich. Wie konnte ich das vergessen?!«
Ute schaute in ihre Handtasche und förderte einen mit violetten Orchideenblüten bedruckten Briefumschlag zutage. Freudig erregt öffnete Dagmar das Kuvert und entnahm ihm einen Gutschein für einen Wellnessnachmittag im Seven Eden Spa der berühmten Siri Sathorn Residence.
Ute bemerkte das Zögern und beeilte sich, Dagmar zu beruhigen.
»Keine Angst, ich werde dich nicht alleine ins Paradies schicken. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich dich begleiten. Ich kenne die Geschäftsführerin des Eden sehr gut von meiner Arbeit her und bekomme natürlich auch einen kleinen Rabatt dort. Das sind so die Privilegien für uns Mitarbeiter der Reisebranche, nicht dass du denkst, dass ich hier in Bangkok nur im Luxus schwelge.«
Diesen wirklich schönen Abend, der Dagmar ihre riesengroßen Sorgen um den Ehemann für ein paar Stunden in den Hintergrund zu drängen erlaubte, beendeten die beiden Frauen in einer neu eröffneten kleinen Bar. Die Sidewalk Liquor Bar befand sich nur wenige Meter von Utes Hotel entfernt. Sie hatten für den Weg dorthin mit viel Glück die letzte Expressfähre erreicht. Dagmar war beeindruckt von der Flussfahrt durch die von Millionen Lichtern erhellte Riesenmetropole. An den Ufern des Stroms reihten sich die vornehmsten Häuser, Hotels und Institutionen und wetteiferten miteinander mit modern-tropischem Charme und urbaner Eleganz. Dagmar lehnte mit glasigen Augen an der Reling und bewunderte die Szenerie wie ein Kind, das den Weihnachtsbaum betrachtet. Ob ihr Heinz wohl jemals Bangkok von dieser schönen Seite erleben würde? Ob er überhaupt einen Sinn für Derartiges hatte? Sicherlich drehten sich seine Gedanken eher um praktischere Dinge. Wie die hier wohl den ganzen Strom erzeugten und verteilten, ob die Architekten und Baustatiker den gleichen Standards folgten wie in westlichen Ländern, und natürlich, ob die Rollläden dieselbe Qualität aufwiesen wie die, die er in seiner Firma hergestellt hatte.
»Na, ist alles in Ordnung mit dir?«, hatte Ute gefragt und sie hatte geseufzt und mit dem Kopf genickt.
Nun saßen sie an einem kleinen Blechtisch mit pinkfarbenem Tischdeckchen und lasen die lange Liste der angebotenen Getränke.
»Schau mal, die haben geschrieben: Enyoy Ur Drink.«
Ute schmunzelte.
»Ja, und der hier heißt Longi Sland. Weißt du schon, was du nimmst?«
Dagmar überlegte noch.
»Ja, ich probiere mal Cocktails Go Beach.«
Ute nach einer Weile: »Finde ich nicht, wo hast du denn das gelesen?«
»Steht doch da ganz groß auf der Aufstelltafel.«
Ute blickte auf, las und lachte.
»Da steht COCKTAILS 60 B EACH, also jeder Cocktail kostet 60 Baht!«
Die Qualität der Cocktails entsprach dem unterirdischen Einheitspreis. Die Bloody Mary war mit Kirsch- statt mit Tomatensaft gemacht, in der Piña Colada fehlte der Ananassaft und der Mojito sah aus wie mit Blue Curaçao gefärbt. Eines konnte man ihnen aber nicht nachsagen, nämlich dass an Alkohol gespart wurde.
»Die Drinks schmecken so gruselig, dass man sie nur betrunken erträgt!«, stellte Dagmar fest. »Lass uns die ganze Palette durchtrinken, ich hab da drüben eine Toilette entdeckt.«
»Alkohol ist aber auch keine Lösung!«, gab Ute zu bedenken.
»Alkohol ist keine Lösung«, wiederholte Dagmar leicht lallend. »Aber zum Betrinken ist Alkohol allemal geeignet!«
Als Dagmar sich gegen zehn Uhr am Vormittag auf den Weg in die Stadt machen wollte, wurde sie an der Rezeption gefragt, wie lange sie noch im Hotel zu wohnen gedachte. Erst bei dieser Gelegenheit erfuhr sie, dass eine Übernachtung mehr als sechzig Euro kostete. Die Rabatte, die Reiseveranstalter wie Martan Travel in Anspruch nahmen, wurden Einzelreisenden nicht gewährt. Ein Problem mehr, dachte Dagmar und verlängerte zunächst um eine weitere Nacht. Wenn man schon Unglück hat, dann kommt meist auch noch Pech dazu.
Ute hatte ihr am Vorabend wieder ein paar Ausflugsziele vorgeschlagen. Von ihrem Hotel aus konnte sie zu Fuß zur Ratchaprasong gehen, der berühmten Straßenkreuzung, an der sich so bekannte Einkaufszentren wie das 2010 bei Unruhen zerstörte Central-World-Einkaufszentrum, das Central Chidlom, Gaysorn- und die Amarin Plaza befanden. Gegenüber sorgte der Erawan Shrine für einen nicht endenden Menschenauflauf von Gläubigen, die sich von ihren Räucherstäbchen- und Blumenspenden Hilfe bei ihren Alltagsproblemen erhofften oder sich für zuteilgewordene Unterstützung beim Hindu-Gott Brahma bedankten.
Dagmar sah sich das bunte Treiben von dem in luftiger Höhe über der Straße verlaufenden Sky-Walk an. Es war ein Kommen und Gehen von Menschen aller Schichten. Viele von ihnen schienen hier ihren Weg von oder zur Arbeit zu unterbrechen, vielleicht auch ihre Arbeitspausen dort nutzbringend zu gestalten. Anderen sah man die Dringlichkeit ihrer Hilfegesuche an Kleidung und Gesichtern an. Über die Einzäunung um die vierköpfige Brahmafigur herum wurden Berge von Blumengirlanden getürmt. Qualmende Kerzen und unzählige Räucherstäbchen hüllten die gesamte Kreuzung in Rauchschwaden. Der monotone Singsang einer Folkloregruppe und eine Vielzahl von kleinen Glöckchen konkurrierten mit dem Getöse des Verkehrs auf der sechsspurigen Thanon Rama I.
Dagmar lief der Schweiß den Nacken herunter. Sie suchte sich ein nettes Café in einer der Shopping-Malls und bestellte sich einen Eiskaffee. Sie überlegte, ob sie sich zur Sicherheit eine Toilette