Название | Bangkok Oneway |
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Автор произведения | Andreas Tietjen |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770660 |
Ute nickte wortlos und Dagmar fing an, hektisch zu werden.
»Wir müssen ein Motorrad mitnehmen. Das ist ganz wichtig!«
Sie nahm ihr Mobiltelefon und wählte die Nummer des Sanitäters Elmar Trepkau.
»Hey, was erzählst du da?! Von was für einem Motorrad redest du?«, warf Ute ein.
Dagmar erzählte Elmar aufgeregt von der bevorstehenden Reise nach Sukhothai, unterbrochen von Utes Protesten.
»Wir fliegen mit Bangkok Airways, versuch da mal, ein Motorrad mit an Bord zu nehmen. Von was für einem verdammten Motorrad faselst du da eigentlich die ganze Zeit?!«
Zwölf Stunden später saßen die beiden Frauen in einer schäbigen Sitzgruppe, die so etwas wie eine Hotellobby im Grand City Hotel darstellen sollte, und warteten auf einen Fahrer namens Khun Pravat. Khun Pravat besaß einen alten, aber sorgsam gepflegten Pick-up der Marke Isuzu. In vielen Jahren hatte er immer wieder Fahrten im Auftrag von Martan Travel erledigt und so waren er und Ute bestens miteinander bekannt.
»Als wir hier in Bangkok diese schwere Überschwemmung hatten, ist Pravats Haus völlig zerstört worden«, erzählte Ute, während die beiden Frauen auf den Fahrer warteten. »Der arme Kerl tat uns im Office richtig leid, da wir ihn und seine ganze Familie seit Jahren gut kannten und wussten, dass es bei denen gerade so zum Leben reicht. Wir haben dann eine kleine Umlage gemacht und ihm damit geholfen, seine Behausung wiederherzustellen.«
»Gibt es denn keine Gebäudeversicherungen in Thailand?«, fragte Dagmar erstaunt.
»Wo denkst du hin?! Hier wird fast gar nichts versichert. Außerdem gibt es Pravats Haus offiziell überhaupt nicht. Er hat es selbst gezimmert – selbstverständlich ohne jegliche Genehmigung. Es steht auf einem Grundstück, das irgendeinem Onkel gehört, der Karriere bei der Armee gemacht hat. Früher war dort eine Mangobaum-Plantage. Der Onkel hatte sich nicht mehr für die Bäume interessiert und dann haben halt seine diversen Verwandten zur Säge gegriffen und eine illegale Siedlung angelegt. Der Mensch muss ja schließlich irgendwo wohnen.«
»Und du hast der Familie des Fahrers Geld für den Wiederaufbau gegeben? Das finde ich aber höchst anständig von dir!«
»Ich habe ihm ein bescheidenes Martan-Darlehn verschafft und er zahlt die Anleihe brav in kleinen Raten zurück. Wir können uns auf unsere Thailänder wirklich verlassen. Das geht alles ohne große Förmlichkeiten. In Deutschland wird bei Katastrophen viel Wirbel gemacht, aber wahrhaft praktische Hilfe gibt es dort doch überhaupt nicht!«
»Na ja, bei uns gibt es aber auch kaum Naturkatastrophen«, gab Dagmar zu bedenken. »Dazu kommt, dass unsere Häuser alle viel massiver sind als hier. So ein gemauertes Haus bleibt bei einer Überschwemmung komplett stehen und schwimmt nicht den nächsten Fluss herunter, wie in Asien.«
Khun Pravat war ein richtiger Kauz, eigensinnig, manchmal stur, aber er war zuverlässig und loyal.
Zwar war Ute immer noch etwas grantig über Dagmars Extratour und verärgert über sich selbst darüber, dass sie sich hatte überreden lassen, aber der Zweck dieser Aktion stimmte sie ein wenig versöhnlich. Khun Pravat fuhr langsam rückwärts in die Einfahrt des Hotels, auf der Ladefläche des Fahrzeugs ein verbeultes Motorrad. Er hatte es in der Zentrale der Medical Emergency Volunteers abgeholt und sich die näheren Umstände erklären lassen. Er kannte die Adresse der Familie, für die das Moped bestimmt war, und er war instruiert worden, wie er Dagmar bei ihrer Mission unterstützen sollte.
Ute nahm auf dem Beifahrersitz Platz und Dagmar zwängte sich auf die enge Rückbank, auf der sich Gepäck stapelte.
»Wird’s gehen?«, fragte Ute und versuchte vergeblich, ihren Sitz eine Idee weiter nach vorne zu rücken. Dann stellte sie Pravat und Dagmar gegenseitig vor. Als der Fahrer den Namen Dagmar hörte, verzog sich sein Gesicht zu einem breit gespannten Grinsen, dicht an der Grenze zum lauten Losprusten. Dagmar registrierte das. Es machte sie unsicher. Der Mann suchte Halt für seinen Blick in belanglosen Dingen am Straßenrand.
»Was hat er?«, fragte Dagmar ihre Freundin.
»Was meinst du?«, erwiderte diese.
»Der Fahrer macht sich doch irgendwie lustig über mich! Nachdem du mich ihm vorgestellt hast, kann er sich doch kaum zurückhalten, um nicht loszulachen. Ist etwas mit mir?«
Ute sah den Thailänder prüfend an, dann fragte sie ihn einfach. Nun war es vorbei mit seiner Beherrschung. Unter lautem Lachen erklärte er Ute, dass Dagmar auf Thailändisch Hundearsch bedeutete. Dak Mah – Arsch Hund. Wieso hatten diese Farang immer so komische Namen? Auf dieses Wortspiel war Ute selbst noch nicht gekommen, obwohl sie derartige Übersetzungsvarianten sehr mochte und sich, seitdem ihre thailändischen Sprachfähigkeiten doch recht passabel geworden waren, köstlich darüber amüsieren konnte.
»Weißt du, warum die Barmädels ihre männlichen Verehrer meistens Darling nennen?«, klärte sie Dagmar auf. »Sie sagen Dak Ling. Das klingt für Ausländer so, als ob sie die englische Aussprache nicht richtig hinbekämen, in Wirklichkeit bedeutet es Affenarsch. Frauen betiteln sie mit Madame, also Mah Dam, Hund schwarz, schwarzer Hund. Von diesen Wortspielchen gibt es Hunderte. Dazu kommen ein unschuldiger Gesichtsausdruck und ein zuckersüßes Lächeln und schon ist die Verarsche perfekt.«
Die Fahrt mit dem Pick-up ging zunächst durch den morgendlichen Berufsverkehr und damit nur im Schneckentempo vorwärts. Die Autos standen in Dreierreihen in beiden Richtungen. Nichts rührte sich. Die Fahrer der verschiedenen Wagen waren mit allen möglichen Dingen beschäftigt, nur fahren taten sie nicht. Dann ging es plötzlich weiter – bis zur nächsten Ampel, der nächsten Kreuzung oder dem nächsten Lieferwagen, der in Seelenruhe mitten auf der Straße entladen wurde.
»Wenn wir mal irgendwo an einer Toilette ...«
»Das fällt dir jetzt ein?!«
»Na ja, im Moment ist es noch nicht dringend, aber wenn wir in diesem Tempo weiterfahren ...«
Endlich erreichten sie den Tollway, den Highway in Richtung Norden. Damit ging es zwar kein bisschen schneller vorwärts, die Wahrscheinlichkeit auf eine Toilettenpause rückte jedoch in weite Ferne.
Dagmar beugte sich zwischen den Lehnen der Vordersitze hindurch nach vorne.
»Erzähl mir etwas über Sukhothai«, bat sie Ute, um die endlos dahinschleichende Zeit zu überbrücken.
»Was soll ich sagen? Sukhothai ist eine hässliche Stadt; völlig verdreckt und rückständig. Es gibt kaum Restaurants, in denen das Essen genießbar wäre. Die Menschen sind lethargisch und unfreundlich. Der Historical Park wird total überbewertet. Die Ruinen aus schmutzig-schwarzem Laterit stehen einsam und verlassen in einem riesigen, halbherzig gepflegten Areal herum und warten darauf, von dem tropischen Klima endgültig aufgefressen zu werden. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich meine Touristen da durchgeschleust habe und endlich weiter nach Norden fahren kann.«
»Im Reiseführer wird das aber ganz anders beschrieben«, wunderte sich Dagmar.
»Es kommt darauf an, welchen Reiseführer du hast und wie du ihn liest.«
Ute blickte nach vorne, wo sich der Verkehr langsam seinen Weg bahnte. Hier in den Außenbezirken löste sich der Stau allmählich auf und ihr Fahrzeug nahm an Geschwindigkeit zu.
»Die Landschaft um Sukhothai herum ist wirklich schön. Es gibt viele nette Dörfer und Kleinstädte dort, aber Sukhothai selbst ist ein Drecksnest. Durch die versifften Straßen schlürfen Backpacker in unmoderner, verschlissener Kleidung und Frisuren aus der Bravo von 1974. Sie zotteln entlang der gleichen Tempelfragmente und latschen über die gleichen Andenkenmärkte wie die von ihnen verachteten Neckermanntouristen. Einzig die Restaurants teilen sie sich nicht mit denen. Während die Reisebusse längst weiter in Richtung Lampang oder Ayuthaya abgedonnert sind, treffen sich die Backpacker in American Cafes oder Toni´s Place bei Bier, Sandwiches und Pizza und tauschen Abenteuergeschichten aus; je lauter, desto wahrheitsgetreuer. Mir gehen ja schon meine Kaffeefahrten auf die Nerven, aber von diesen Rucksackgeizhälsen angepöbelt zu werden, ist