Der Kessel der Götter. Jan Fries

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Название Der Kessel der Götter
Автор произведения Jan Fries
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783944180328



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in einer anderen Erzählung, Die Schwäche der Ulstermänner, aber die Frau eines wohlhabenden Bauern. Sie segnet ihn mit Reichtum und hat dann das Pech, gegen die schnellsten Pferde des Königs zum Wettlauf antreten zu müssen. Macha stammt aus einem Feenhügel und ist die schnellste Läuferin der Welt, doch ihr hochschwangerer Bauch behindert sie, so dass sie am Ende des Rennens (siegreich) zusammenbricht und Zwillingen das Leben schenkt. Doch die Anstrengung hat sie ihre Kraft gekostet. Sterbend verflucht sie die Ulstermänner, die sie zu diesem Rennen zwangen. Wann immer Not und Gefahr die Provinz Ulster bedrohen, sind alle Bewohner fünf Tage und Nächte so schwach wie eine Frau im Kindbett. Dass Macha gelegentlich mit der Morrigu in Verbindung steht, scheint eine ganz andere Geschichtstradition zu sein. Und obwohl Macha nun wirklich nicht Königin genannt wird, ist sie doch in dieser Legende mit Pferden verbunden. Was etwas Verwirrung bringt, ist die Tatsache, dass wir eigentlich drei verschiedene Machas in der mittelalterlichen irischen Mythologie haben: Sie sind die Gattinnen von Nemed, Crunnchu und Macha die Rote. Wurden hier drei verschiedenen Legenden vermischt? Hat Macha vom Wettlauf überhaupt etwas mit Macha der Kriegsherrin zu tun? Wie verwirrt waren die mittelalterlichen Dichter über die Gestalten ihrer älteren Mythologie?

      Zuletzt noch zu Bodb bzw. Badb. Von ihr wissen wir leider noch weniger. Babd wird manchmal badb Catha, also Schlachtrabe genannt. Sie scheint ausschließlich eine Kriegsgöttin zu sein, die in Krähen- oder Rabengestalt über die Gefallenen herfällt. Vielleicht ist sie eine unerfreuliche Erscheinung, wenn man unversehrte Tote bevorzugt, die bei der Beerdigung noch einigermaßen gut aussehen. Aber wie war das mit den gefallenen Galliern, die den Aaskrähen überlassen wurden, und jenen Keltiberern, die fest glaubten, dass Geier die Leichen der Tapferen in den Himmel tragen? In so einem Weltbild ist eine Krähen- oder Rabengöttin eine segensbringende Gestalt, die eine gute Reise ins Jenseits ermöglicht. Wie die Iren ursprünglich hierüber dachten, ist leider nicht überliefert. Für Badb gibt es ein älteres gallisches Original. Es handelt sich um die Göttin, deren Name in einer Weihinschrift aus Haute-Savoie überliefert ist. Der erste Buchstabe der Inschrift fehlt, mit ziemlicher Sicherheit war es ein C, denn der Rest liest sich (C)athubodva, also Schlachtrabe. Doch auch Badb ist mythologisch keine einfache Gestalt. Manchmal wird sie mit der Schlachtengöttin Nemain identifiziert, der Gattin des Kriegsgottes Net. Und dieser ist in anderen Mythen mit Badb verheiratet. Nemain, Badb und Macha können auch, ganz unter sich, ein Trio der Schlachtengöttinen ausmachen. Ich vermute, dass es ursprünglich in Irland noch mehr kriegerische Göttinnen (und halbgöttliche Kriegerinnen, wie Cuchulainn’s Lehrerin Scathach) gab. Manche Dichter haben halt versucht, sie zu einer Dreiergruppe zusammenzufassen. Übrigens haben wir auch aus Gallien einen Hinweis auf eine Raben- oder Krähengöttin. Es handelt sich um Nantosuelta, deren Name wahrscheinlich Windender Fluss bedeutet. Sie erscheint als Gattin des Gottes Sucelus, dem Guten Schläger, der wiederum starke Ähnlichkeiten mit dem Dagda aufweist. Doch neben dem Aasvogel hat sie noch ein kleines Häuschen als Emblem. Es sieht aus wie ein Taubenhaus auf einer Stange. Ist es ein Haus für Vögel? Wer würde schon Krähen in einem Vogelhäuschen unterbringen. Oder ist die Stange die kosmische Achse? Vielleicht ist es das Heim der Toten, aber vielleicht auch ein ganz anderes Gebäude. Doch was sollen wir verallgemeinern, wenn wir praktisch nur ein paar schlechte Darstellungen im gallo-römischen Stil haben, und alle Mythen längst vergessen wurden.

       Lugus

      Dann gibt es da noch den gallischen Gott *Lugus-, dessen Kult in einer Vielzahl von Städtenamen nachgewiesen werden kann, darunter Luguvalium (Carlisle) und Lugudunum (die Wurzel von Lyon, Laon und vielleicht Leyden). Eine kelto-iberische Inschrift, in Fels eingeritzt in Penalba de Villastar, Teruel, Spanien, bietet einen rätselhaften Einblick in den Kult des Lugus. Hier ist die Übersetzung von Wolfgang Meid, 1994, der einige Unklarheiten ausgeräumt hat:

      Dem Bergbewohner ebenso wie dem …, dem Lugus der Araianer, wir sind zu einer Prozession im Feld gegangen (oder, „wir sind in den Feldern zusammengekommen”). Für den Bergbewohner und den Pferdegott, für Lugus hat das Oberhaupt der Gemeinschaft einen Schutz bereitgestellt.

       Frühe Rekonstruktion des Portals des Tempels von Roquepertuse

      15 km entfernt von Aix-en-Provence, Frankreich.

      Neuere Forschungen zeigen, daß der Abstand zwischen den Pfeilern weiter war, die Schädel nicht nach außen, sondern nach innen in eine Halle zeigten und die Vogelstatue (vollständig rekonstruiert unten auf der Seite) wahrscheinlich nicht oben auf dem Tor platziert war. Mittlere La Tène-Zeit, keltoligurisch.

      Das deutet auf zeremonielle Prozessionen hin, einen verbreiteten religiösen Brauch in vielen heidnischen Kulturen, und passt zu Lugus als einem Gott, der mit der Erntezeit und dem Reiten in Verbindung gebracht wird. Der Schutz ist schon etwas rätselhafter – handelte es sich um eine Statue oder ein Idol, das bedeckt oder eingekleidet wurde, oder wurde das Tempeldach erneuert? Die Unklarheiten sind nur zu verständlich, wenn man bedenkt, dass es sich hier um die drittlängste Inschrift in gallo-iberischer Sprache handelt, eine Sprache, die derzeit noch rekonstruiert wird. Lugus war ein populärer Gott bei einer Anzahl von keltischen Völkern, und möglicherweise, so lautet die Hypothese einiger, die Gottheit, die Cäsar als Merkur bezeichnete. Leider wissen wir nichts über Kult, Religion, Riten und Mythologie des Lugus. Um diese peinliche Lücke zu füllen, kam es in Mode, die Mythen des mittelalterlichen Irland und Wales zu bemühen. In Irland finden wir den strahlenden Lug MacEthen, Sohn von Cian und Enkel des Heilgottes Dian Cecht. In der Schlacht zwischen den Tuatha de Danann und den monströsen Fomoriern, die von unter dem Meer stammen, ist es Lug, hell und leuchtend, der wie die strahlende Sonne erscheint und die Horde der Fomorier verzaubert, indem er auf einem Bein um sie herumtanzt, wobei er ein Auge geschlossen hält und schließlich zum Helden des Tages wird, indem er ein magisches Geschoss (einen Ball, der aus Kreide, Gift und den Hirnen erschlagener Feinde besteht) in das einzige Auge des Anführers der Fomorier schiesst (der übrigens zufällig sein anderer Großvater ist). Der irische Lug wird Samildanach (Meister aller Künste) und Lamhfada (mit dem langen Arm) genannt. In irischen Mythen ist er das Urbild des perfekten Regenten. Er ist auch ein geschickter Trickbetrüger, der Erfinder der Reitkunst, der Pferdepeitsche, des Lughnasad-Festes und des heiligen Brettspiels Fidchell, ganz zu schweigen davon, dass er der göttliche Vater von Irlands größtem Helden ist, Cuchulainn. Lugs Gegenstück in den mittelalterlichen britannischen Mythen ist ein weniger eindrucksvoller Charakter. Er tritt auf im 4. Zweig des Mabinogi und in den Liedern Taliesins, unter dem Namen Lleu Llaw Gyffes. Lleu kann man mit „Licht” oder „Löwe” übersetzen, Llaw Gyffes als „geschickte Hand” oder „sicherer Arm”. Trüge er nicht diesen Titel, wären wir uns der Beziehung zwischen ihm und Lug sicher nicht bewusst.

      Anders als der irische Lug ist Lleu eine sehr menschliche Gestalt, die von ihrer Mutter Arianrhod verfrüht, unter bizarren rituellen Umständen und sehr gegen ihren Willen geboren wird. Er wird in einem Brutkasten (einer Holzkiste) von seinem Onkel Gwydion, dem berühmten Zauberer, aufgezogen. Sein einziger Anspruch auf Göttlichkeit besteht darin, dass er nach seiner Ermordung nicht stirbt, sondern sich in Gestalt eines Adlers in den Himmel erhebt. Dieser Adler flattert verletzt in die Anderswelt, wo er sich auf einer mächtigen Eiche niederlässt und zu verwesen beginnt. Schließlich wird er von seinem Onkel gefunden und erhält seine menschliche Gestalt zurück. In diesem Zustand konfrontiert er seinen Mörder Goronwy und tötet ihn mit einem Speerwurf, der den Felsen durchdringt, hinter dem sich Goronwy zu verstecken versuchte. Für einen Menschen ist das nicht schlecht, aber für einen Gott reicht es kaum. Wir wissen auch, dass Lleu einer der drei roten Schnitter Britanniens war (Triade 20) und dass sein Grab unter den Wellen des Meeres liegt, wo seine Schande ist: Er war ein Mann, der niemandem Recht gab (BBoC 66). Das ist ein guter Hinweis darauf, dass das Mabinogi nur einen kleinen Teil seiner ursprünglichen Mythologie festgehalten hat, die größtenteils verloren gegangen zu sein scheint. Während der irische Lug Hochkönige einsetzt, bleibt der britannische Lleu ein blasses Trugbild, eine künstliche Figur aus einer Geschichte. Im 19. Jahrhundert kam es in Mode, die mittelalterlichen irischen und walisischen Geschichten für entstelltes Beweismaterial für den Kult des früheren Gottes Lugus zu halten. Das Ärgerliche