Der Kessel der Götter. Jan Fries

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Название Der Kessel der Götter
Автор произведения Jan Fries
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783944180328



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gewesen war! Seine kurze Anmerkung wurde allerdings von Wissenschaftlern und populären Schriftstellern sehr missbraucht, da die meisten von ihnen sie ohne irgendwelches Nachfragen einfach abschrieben. Insbesondere die Gelehrten des 19. Jahrhunderts neigten dazu, „die Kelten” als eine einzige Nation anzusehen, oder, noch schlimmer, so etwas wie ein schlecht organisiertes Imperium. In Übereinstimmung mit den Vorurteilen ihrer eigenen Zeit gingen sie von einer einheitlichen Religion aus, und Lukans Aussage war genau das, was sie in ihren irrigen Annahmen bestätigte. In vielen von den älteren Studien findet man die Fabel von den drei höheren Göttern als plattes Faktum präsentiert – heute sind die Wissenschaftler vorsichtiger, das gilt aber nicht für zahllose Anhänger der neokeltischen Kulte.

      Die religiösen Inschriften Galliens erwähnen 375 Götter, von denen 305 nur einmal genannt werden (Hutton, 1991). Das bedeutet nicht, dass die nur einmal genannten weniger wichtig waren, es bedeutet nur, dass es wenig Beweismaterial gibt. Die meisten Inschriften stammen von Altären, Statuen und Sakralgebäuden romanisierter Gallier. Vor der Besatzung wurden die meisten Gottheiten nicht in Gestalt von steinernen Statuen verehrt, und man hielt auch ihre Namen nicht fest. Die Völker des besetzten Gallien, Germanien und Britannien lernten von den Römern, wie man Statuen anfertigt und Altäre beschriftet. Früher existierte die eine oder andere Stein- oder Holzstatue, aber erst durch den Kontakt mit den Römern wurden diese Gegenstände wirklich populär. Wir müssen davon ausgehen, dass die Menschen der späten La Tène-Zeit oft abstrakte Vorstellungen vom Erscheinungsbild ihrer Gottheiten hatten. Nach der Besetzung begannen die Steinmetze, Statuen für die Legionen anzufertigen, und schon bald folgten Statuen der Lokalgottheiten - die meisten von ihnen ähnelten den römischen Vorbildern. Es gibt viele gallische Götterbilder, die fast exakt so aussehen wie die römischen Götter, sie haben lediglich einen gallischen Namen und ein paar andere Attribute.

      Das Knochenhaus. Ribemont-Träume.

       Teutates, Esus und Taranis

      Hier rennen wir geradewegs in die „römische Interpretation” hinein. Die Römer tendierten dazu, die Namen der Götter ihres Landes den Göttern der besetzten Provinzen zuzuordnen. In manchen Fällen war das hilfreich, da es auf die Funktion eines bestimmten (unbekannten) Gottes hinwies. Aber häufiger täuschte es, so zum Beispiel, wenn verschiedene römische Götter einer einzigen keltischen Gottheit zugeordnet wurden, oder wenn die Gottheit so ausgefallen war, dass die Römer keine richtige Entsprechung dafür fanden. Und wenn wir das archäologische Beweismaterial für Lukans drei Götter in Betracht ziehen, wird es richtig obskur. Teutates (oder Toutates) könnte möglicherweise von *Teuto-Tatis stammen, was soviel bedeutet wie „Vater des Stammes”. Das macht ihn sicher zum wichtigsten Stammesgott, aber wir erfahren nicht, wer oder wie dieser Gott ist. „Vater des Stammes” deutet auf Ahnenverehrung hin, vielleicht auch vergöttlichte Ahnen, aber natürlich leitete jeder Stamm seine Abstammung von einem anderen Ahnen her und hatte wenig Respekt vor den Stammesvätern seiner Nachbarn oder Feinde (diese Begriffe waren häufig austauschbar).

      Ihm sind einige Inschriften gewidmet, die in Britannien, in der Steiermark und sogar in Rom gefunden wurden. Die ersteren setzen ihn mit dem römischen Kriegsgott Mars gleich, die letzteren mit Merkur, dem Gott der Händler, der Reisenden, der Diebe und der Journalisten. Weder das Eine noch das Andere verrät sonderlich viel über seinen Charakter, geschweige denn die Mythen und Riten seines Kultes. Esus ist noch schwieriger rückzuverfolgen. Sein Name (der etymologisch noch immer ein ungelöstes Rätsel ist) erscheint in einer einzigen Inschrift in Paris. Der Name steht unter dem Bild eines Mannes, der von einem reich beblätterten Baum Äste abschneidet. Mit dem üblichen Enthusiasmus haben Experten den Baum als Weide, als Eiche oder sogar als gigantische Mistel identifiziert. Ein ziemlich ähnliches Bild einer keltischen Gottheit (als Mercurius identifiziert) stammt aus Trier. Vielleicht stellt es Esus dar, vielleicht aber auch nicht. Taranis, ein Wort, das von „Donner” herstammt, erscheint auf überhaupt keinem Altar. Es gibt keine Beweise für einen Gott dieses Namens. Allerdings haben wir Ableitungen. „Donner” heißt auf irisch ’Torann’ und auf walisisch ’Taran’. Doch beides sind keine Götternamen. Wir haben Inschriften für Götter namens Taranucus, Taranucnus und Tanarus, die alle mit Iovis (Jupiter) gleichgesetzt werden, was zu Himmelsgöttern, Schleuderern von Blitz und Donner gut passen würde. All das ist ziemlich wenig konkretes Beweismaterial für die angeblich wichtigsten drei Götter Galliens. Es kam aber noch schlimmer, da Lukans Passage von späteren Schriftstellern noch weiter ausgeschmückt wurde. Unbekannte Schreiber des 4. bis 9. Jahrhunderts fügten hinzu, dass die drei Götter seltsame Menschenopfer zu empfangen pflegten: Die für Teutates wurden in einem Fass ertränkt, die für Esus an Bäumen aufgehängt (bis die Glieder abfielen) und die für Taranis in hölzernen Kisten verbrannt. Dass diese verschiedenen Formen von Menschenopfern von den prähistorischen Kulturen des transalpinen Europa praktiziert wurden, ist ziemlich sicher, aber ob sie tatsächlich auf diese Weise für diese drei speziellen Götter durchgeführt wurden, bleibt eine offene Frage. Wieviel wusste Lukan, der im 1. Jahrhundert unserer Zeit schrieb, über die Gallier, die hundert Jahre vor ihm gelebt hatten? Und wieviel konnten die anonymen Schreiber, die 300 und 800 Jahre später die blutrünstigen Details hinzufügten, über sie wissen? Aber anstatt diese Passage mit ein paar wohlverdienten Fragezeichen versehen zu veröffentlichen, publizierten viele Wissenschaftler und populäre Schriftsteller sie als Lukans Worte und fügten noch diverse Theorien hinzu, betreffend eine Zuordnung zu den Elementen, den sakralen dreifachen Tod und Trinitäten im Allgemeinen.

       Göttin der Pferde

      Tja, Lukans drei Kumpel sind nicht die einzigen Götter, die von modernen Forschern für pankeltische Gottheiten gehalten wurden. Da ist zum Beispiel noch Epona. Anders als bei den zuvor genannten Göttern ist der Kult der Pferdegöttin Epona (oder Equona) gut dokumentiert. Ihr Name stammt von dem gallischen Wort *epos oder *equos, Pferd, und demonstriert damit ihre Funktion als Göttin der Pferde, der Reiter, der berittenen Kämpfer und der Reisenden. Es existieren über 60 Inschriften mit ihrem Namen und etwa 250 Bilder von ihr. Diese stammen aus verschiedenen Teilen Europas: Eponas wurden von Spanien bis Schottland, vom Balkan bis nach Gallien gefunden, einige sogar in Italien und Rom selbst. Üblicherweise zeigen ihre Kultbilder eine Frau, die ein Pferd oder einen Maulesel reitet oder einen Streitwagen lenkt. Das umfangreiche Material hat einige frühe Forscher zu der Behauptung verleitet, Epona sei eine gemeinkeltische Göttin, bei allen keltischen Völkern Europas bekannt und von ihnen verehrt. Leider liegen die Dinge nicht so einfach, wie sie scheinen. Der Kult Eponas mag im Rheinland entstanden sein (das ist umstritten), er wurde aber von gallischen Söldnern, die Rom dienten, populär gemacht. Denk daran, dass es sich bei den Legionen nicht einfach um bewaffnete Italiener handelte, sondern um eine multinationale Streitmacht, die sich aus Angehörigen aller Teile des Imperiums rekrutierte. Cäsar legte großen Wert auf seine „germanische” Reiterei, als er Gallien eroberte. Gallische Legionäre und Kelten aus dem Rheinland wurden angestellt, um die Kelten Britanniens zu bekämpfen. Legionäre aus Gallien hinterliessen in Miltenberg Widmungen und Altäre für ihren Gott Mercurius Avernicus. Britannische Kelten scheinen mit beim Bau des Limes beschäftigt gewesen zu sein, des römischen Grenzwalls, der sich etwa 600 km durch Deutschland erstreckte. Die Leute, die sich den Legionen anschlossen, kamen in den 25 Jahren ihrer Dienstzeit gut herum. Wo immer sie hingingen, nahmen sie die Götter ihrer Heimat mit. In Zeiten der Gefahr gelobten sie, ihren Göttern einen neuen Altar zu weihen, und wenn die Götter ihnen halfen, wurde ein solcher Altar beim örtlichen Steinmetz in Auftrag gegeben.

      Epona wurde zur speziellen Beschützerin der Kavallerie, und wo immer die Kavallerie eingesetzt wurde, findet man zahlreiche ihr geweihte Inschriften. So seltsam es klingt: Epona war eine keltische Göttin, die dank der römischen Armee Karriere machte. Sie hatte in den Legionen mehr Anhänger als in ihrem ursprünglichen Heimatland – wo auch immer das gewesen war.

       Rhiannon und die Morrigain

      Wer