Der Kessel der Götter. Jan Fries

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Название Der Kessel der Götter
Автор произведения Jan Fries
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783944180328



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Gottes aufgezeichnet wurden. Und, was noch schlimmer ist, die indo-europäische Wurzel *leuk bedeutet „leuchten, scheinen” und kann in Worten wie Licht, Lux, Lumen, luzid und so weiter wiedergefunden werden. Licht ist aber kein Name, sondern ein Attribut, das mit vielen Göttern in Verbindung gebracht wird. Man könnte ebensogut versuchen, Lugus zu rekonstruieren, indem man die Mythen des nordischen Gottes Loki untersucht. Loki ist Blutsbruder Odins, und Odin seinerseits hat eine Menge gemein mit dem irischen Lug. Beide werden mit heiligen Speeren, Raben und Reiten in Verbindung gebracht, und von beiden weiß man, dass sie Könige eingesetzt haben. Was für ein Durcheinander!

      Dieses Thema könnte eine detaillierte Studie vertragen.

       Kelten und Germanen

      Es ist traurig, aber wahr, dass die meisten modernen Keltophilen Anhänger der Fabel sind, die sogenannten keltischen und germanischen Völker seien Erzfeinde gewesen. Man findet Bücher über keltische Mythen, in denen die Kelten mit den amerikanischen Prärieindianern verglichen werden – was immer das wert sein mag (Geldmäßig gesehen offenbar eine Menge), aber es finden sich kaum Autoren, die sich die Mühe machen, darauf hinzuweisen, dass die Mischung sogenannter keltischer und germanischer Stämme in Mitteleuropa so kompliziert war, dass ihre römischen Zeitgenossen sie kaum auseinander halten konnten. Bis zum heutigen Tag streiten sich die Wissenschaftler darüber, welcher Stamm eigentlich zu welcher kulturellen oder linguistischen Gruppe gehörte.

      Zwischen germanischen und keltischen Stämmen zu unterscheiden ist sehr leicht, vorausgesetzt, man folgt Cäsars Definition und macht sich nicht die Mühe, sich jüngere Forschungsergebnisse anzusehen. Die besten Gegenstücke zum gallischen Taranis sind der germanische Donar, der angelsächsische Thunor und der nordische Gott Thor. Gwydion könnte sehr wohl mit Wodan/Odin verwandt sein; die Wintergöttin Cailleagh könnte eine Widerspiegelung von Hel, Helja, Hella oder Huldra sein; Brig und Frigg haben vielleicht mehr gemein als ähnliche Namen; Njörd, Nodens, Nehallenia und Nyd entstammen der gleichen ozeanischen Quelle, und ob Lugus ein Nachfolger von Lug, Lleu, Loki oder dem schrecklichen Lukiferus ist, kann man raten.

      Vielleicht mal eine Bemerkung am Rande: Eines der Probleme der modernen Forschung ist, dass so viele frühere Forscher das Material schlampig behandelt haben. Etwa so, wie die ersten Archäologen ihre Arbeit verrichtet haben, indem sie Gräber mit Hilfe von Sprengstoff freigelegten, hatten die ersten Prähistoriker eine reichlich naive Einstellung und gaben Erklärungen zu allerhand Dingen ab, die sie noch nicht einmal halb verstanden. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert hungerten viele europäische Nationen nach Informationen über die Religion und Kultur ihrer angeblichen Vorfahren, und Wissenschaftler wurden dafür bezahlt, dass sie Resultate vorweisen konnten, ganz egal, wie. Das war die Zeit, wo nationale Identität „in” war, als eine Nachfrage bestand nach Ahnen, auf die man stolz sein konnte. Es war die Zeit einiger großer Fälschungen. Es war auch die Zeit, in der Wissenschaftler, die Fragezeichen stehen liessen, anstatt (falsche) Gewissheiten zu liefern, schnell arbeitslos wurden. Und das Schlimmste von allem war die Politik. Es ist schwer vorzustellen, aber die Leute glaubten damals noch an Politik. Französische Prähistoriker überzeugten ihre Landsleute davon, dass der Ursprung aller keltischen Kultur Gallien sei. Deutsche Historiker postulierten einen uralten Konflikt zwischen stolzen, edelgesonnenen Germanen mit degenerierten Kelten, die zu leicht an berauschenden Wein aus südlichen Landen herankamen. Englische Wissenschaftler gingen noch einen Schritt weiter und vermuteten, dass sich ein tiefer Graben zwischen den keltischen und den angelsächsischen Bewohnern ihres Landes aufgetan habe. Die Angelsachsen, so dachten sie, seien geradlinige, logische Denker gewesen, sehr nüchtern, ein bisschen langweilig, aber wirklich prima Verwaltungsbeamte. Die Kelten dachten in Spiralen, pflegten eine Million abergläubischer Bräuche, waren sehr intuitiv und außerdem gute Dichter. Anhand solcher Theorien war leicht zu erklären, weshalb die Engländer die regierende Schicht waren und die Waliser, Schotten und Iren sich glücklich schätzen konnten, dass solche fähigen Denker über sie herrschten und sie ausbeuteten.

      Derartiges wurde von Wissenschaftlern ausgebrütet und eifrig von der Öffentlichkeit aufgesogen. Da so viele politische Spannungen dahinter steckten, wurde von einem fundamentalen Unterschied zwischen Briten und Angelsachsen (Kelten und Germanen) ausgegangen. Solche Theorien dienten auch dazu, um wissenschaftlich zu beweisen, dass die Iren außerstande waren, sich selbst zu regieren. Manche Wissenschaftler gingen auch noch über diesen Punkt hinaus und fanden, die ganze Sache hätte etwas mit arischer Überlegenheit zu tun. Ihrer Meinung nach waren die Iren noch nicht einmal Indo-Europäer. Um das ärgerliche Faktum zu verheimlichen, dass Irisch durchaus eine indo-europäische Sprache ist, erfanden sie eine Anzahl vager neuer Begriffe und eine dunkelhäutige „hibernische” oder „atlantische” Rasse, von denen die Iren angeblich abstammten. Wenn Dir in der Literatur kleine, dunkelhäutige Kelten und große, blonde Germanen begegnen, kannst Du davon ausgehen, dass sie im 19. Jahrhundert erfunden wurden.

      Moderne Wissenschaftler haben diese Theorien längst dem Orkus anvertraut – die Öffentlichkeit aber nicht. Bis zum heutigen Tag glaubt man, die Kelten hätten eine romantische Kultur voller Magie gehabt, während die Germanen und die Angelsachsen oft als nüchtern und ernst dargestellt werden. Und das trotz aller Gegenbeweise. Natürlich kennen wir viele keltische Mythen, aber Rituale haben kaum überlebt. Die Zaubersprüche und Rituale der Angelsachsen sind viel besser dokumentiert, von denen der Nordgermanen ganz zu schweigen.

      Und da wir gerade dabei sind, ist Dir aufgefallen, dass die Art, wie vor hundert Jahren der Unterschied zwischen den sogenannten Kelten und Germanen definiert wurde, ziemlich große Ähnlichkeit mit dem Gewäsch hat, das Leute von sich geben, wenn man sie bittet, die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Denken zu definieren? Oder mit dem abergläubischen Blödsinn, der in den 70´er Jahren über die Hirnhälften verzapft wurde?

       Götter des Landes

      Fahren wir fort mit den Gottheiten der späten La Tène-Zeit. Wie Du Dich vielleicht erinnerst, wurden viele Göttinnen mit Wasser assoziiert und in Gestalt von Quellen, Seen und Flüssen verehrt. Andere Göttinnen waren für das Land zuständig. Die Göttin Abnoba wurde mit einer Bergkette gleichen Namens in Verbindung gebracht, sie stimmt mit dem Schwarzwald überein.

      Spekulative Kosmologie. Eine Viereckschanze träumen.

      Die Göttin Arduinna war für die Ardennen zwischen Maas und Rhein zuständig. Eine ähnliche Beziehung existiert zwischen der Göttin Boand und dem Fluss Boyne, dem Gott Condatis und der Stadt Condate, der Göttin Eriu und Irland und so weiter. Viele Götter sind bekannt, die für die Landschaft vor Ort standen. Diese Gottheiten waren für die Anwohner sehr wichtig – die Stämme dagegen, die ein paar hundert Meilen weiter weg lebten, kannten sie kaum und machten sich auch nichts aus ihnen. Das mag zu Problemen geführt haben, wenn die Stämme wanderten, was bereits in der Hallstattzeit passiert war (es gibt einige Hinweise auf Siedler vom Hallstatt-Typ in Britannien um 600 vor unserer Zeit, mit denen die britische Eisenzeit begann), noch häufiger aber kam das zwischen 350 und 200 vor unserer Zeit vor, als keltische Stämme über ganz Europa und Kleinasien ausschwärmten. Was passierte mit den Lokalgottheiten, wenn ihre Anhänger auswanderten? Was denkst Du?

      In vielen (aber nicht allen) Fällen wurde das Land als eine oder mehrere Göttinnen personifiziert. Das führte zu dem irischen Brauch, den König mit der Schutzgottheit des Landes zu verheiraten. Du hast wahrscheinlich schon einmal von dieser Zeremonie gehört. Eine ziemlich wüste Version davon wurde von Gerald of Wales im späten 12. Jahrhundert aufgezeichnet: Der potentielle König von Donegal kopulierte mit einer Stute. Nach dem Verkehr wurde das Pferd getötet und in einem Kessel gekocht. Die Untertanen aßen das Fleisch, während der König in der Brühe badete. Dann wurde er in Weiß gekleidet, musste barfuß in einem Fußabdruck stehen, der in einen Felsen gemeißelt war und erhielt schließlich seinen Amtsstab. Die Stute verkörpert in dieser Geschichte die Schutzgottheit des Landes, was nicht unwahrscheinlich ist. Allerdings sollte ich hinzufügen, dass die Geschichte, abgesehen von