Pwyll ein guter Freund des Herrn der Anderswelt wurde, setzte er sich eines Tages auf einen heiligen Hügel, um dort ein Wunder zu sehen. Schon bald erblickte er eine wunderschöne Frau, die in aller Ruhe unterhalb des Hügels entlang ritt. Pwyll schickte einen Reiter, die Dame anzuhalten, aber so sehr dieser sich mühte, er konnte die lässig trabende Lady nicht einholen. Am nächsten Tag wiederholte sich das Geschehen, obwohl Pwyll sein schnellstes Ross zur Verfügung stellte. Und am dritten Abend ritt Pwyll selbst, doch auch er konnte die Dame nicht einholen. In seiner Verzweiflung rief er: ‘Herrin, für das Wohl des Mannes, den Ihr am meisten liebt, haltet ein‘ ‘Gerne‘, sprach sie, ‘und es wäre besser für Euer Pferd gewesen, hättet Ihr früher darum gebeten‘. So kamen die beiden ins Gespräch, verliebten sich und später, nach diversen Schwierigkeiten, wurden sie ein Paar. Und was ist eine gute Geschichte ohne Schwierigkeiten? Die edle Dame aus der Anderswelt hieß Rhiannon, und wie Du eben sicher bemerkt hast, ist sie, bei aller Ruhe und Gelassenheit, die schnellste Reiterin der Welt. Und dass sie so sehr auf das Wohl von Pwylls Pferd bedacht war, zeigt deutlich, dass ihr Pferde am Herzen liegen. Später in der Geschichte bringt sie ein Kind zur Welt, welches mit einem zur selben Zeit geborenen Fohlen in magischer Verbindung steht. Und noch später wird sie, obwohl unschuldig, für ein Verbrechen bestraft. Wobei ihr als Strafe auferlegt wird, mit einem Sattel auf dem Rücken Gäste vom Hoftor zum Halleneingang zu tragen. Wobei sie ja selber als Pferd fungiert. Bitte lies die Geschichte in Ruhe nach. Als im neunzehnten Jahrhundert die Geschichtsforscher die Hintergründe des mittelalterlichen Mabinogi untersuchten, waren sie vor allem auf der Suche nach keltischen Gottheiten. Nun ist das Mabinogi ein Werk aus einer Zeit, in der das alte Heidentum bestenfalls eine vage Erinnerung war. Keltische Gottheiten, Druiden und dergleichen gab es nur noch, stark vermenschlicht, in Geschichten. Doch die Barden und Bardinnen erzählten weiterhin Geschichten, in denen Zerrbilder alter Wesenheiten erschienen. Diese verfügten oft über andersweltliche Eigenschaften und übernatürliche Kräfte, so dass die Idee nahelag, ihre Urform wäre einst als Gottheit verehrt worden. So lag die Idee nahe, Rhiannon könnte eine Version der guten alten und wohlbekannten Göttin Epona (oder Equona, je nachdem, ob wir sie britisch oder gälisch aussprechen) sein. Doch der Name Epona ist dem von Rhiannon nicht besonders ähnlich, und da keinerlei Mythen von Epona überliefert sind, ist die Verbindung zwischen den beiden schlicht und einfach die Nähe zu Pferden. Der Name Rhiannon hat allerdings, im Gegensatz zum Namen Epona, nichts mit Pferden zu tun. Dafür aber mit zwei anderen Göttinnen. Rhiannon kommt wahrscheinlich vom gallischen Rigani, was Königin bedeutet. Bei Ausgrabungen in Lezoux, Dép. Puy-de-Dome in Frankreich wurde eine Weihinschrift aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeit für Rigani und Rosmerta, beides gallische Göttinnen, aufgefunden. Oder, genauso gut möglich, Rigani, also Königin, ist hier als Titel von Rosmerta zu verstehen. Rosmerta ist zumindest ein wenig besser bekannt als Rigani. Sie wurde oft mit Füllhorn und Opferschale dargestellt und war die Gattin eines Gottes, der mit Mercurius gleichgesetzt wurde. Merkur trägt in der antiken Ikonographie oft einen Heroldsstab, und diesen finden wir auch gelegentlich bei Rosmerta. Was nun wirklich nicht viel Information ist. Und dennoch mehr als von Rigani. Vielleicht gab es eine gallische Göttin namens ’Königin‘. Vielleicht war Königin auch einfach nur ein Titel, der beliebigen Göttinnen verliehen werden konnte. Jean-Jacques Hatt war zwar bemüht, Rigani in allerhand keltischen Kunstwerken nachzuweisen, und aus ihr eine Art große, all-keltische Muttergöttin zu machen, aber seine wilden Spekulationen sind nicht sonderlich ernst genommen worden. Denn nachweisbar ist hier praktisch gar nichts. Wir haben also in Rhiannon eine Gestalt, die möglicherweise Königin hieß. Und sie hat mit Pferden zu tun. Nun gibt es in der mittelalterlichen inselkeltischen Mythologie noch eine Göttin, die einen verwandten Namen trägt. Es handelt sich um die Morrigain, auch als Morrigu bekannt. Ihr Name leitet sich von Mo (groß, mächtig) und Rigain (Königin) ab. Oder vielleicht von Mor (Nachtmahr, Alptraum) und Rigain, dann hätten wir es mit der Königin der Alpträume zu tun. Passt beides. Vielleicht hat ’Mor‘ auch mit zermahlen, zermalmen, bzw. Wörtern wie Mörser zu tun. Und wieder stellt sich die Frage, ob es sich um einen Namen oder Titel handelt. Die Morrigain ist auch keine Pferdegöttin. Ihre tierischen Verwandlungen umfassen vor allem Raben, Krähen, Wolf und einen schlangenartigen Riesenaal. Allesamt Tiere, die mit dem Tod und der Anderswelt in Verbindung stehen. In den irischen Mythen erscheint sie nicht als Übermensch, sondern als Schlachtengöttin.
Es war so: Eines Tages ging der Dagda (gute Gott) der Tuatha de Danann in das Tal von Etin. Dort brauste der Fluss Unius. Es war Samhain, der gefährlichste Tag im irischen Kalender, wenn die Tore zwischen den Welten weit offen sind, die Gräber und Hügel sich öffnen, die Geister hervorkommen und so mancher König für seine Vergehen einen frühen Tod fand. Am Fluß traf der Dagda auf eine Frau, die sich wusch. Ihr einer Fuß war in Allod Echae südlich des Wassers, der andere in Loscuinn nördlich des Stroms. Neun aufgelöste Zöpfe hingen von ihrem Haupt. Der Dagda sprach mit ihr, und die beiden vereinigten sich. Danach prophezeite sie für den Dagda, dass die Fomorier schon bald zum Kampfe kämen. Sie trug ihm auf, alle kunstfertigen Menschen zu ihr zur Furt von Unius zu senden. Und sie versprach, nach Scetne zu gehen, um dort Indech, Sohn von Dea Domnann, den König der Formorier zu vernichten. Die Morrigu hielt Wort. Sie zog ihm den Mut aus den Nieren und das Blut aus dem Herz. Als sie zur Furt von Unius zurückkehrte, erwartete sie ein Heer von Kriegern. Sie verspritzte zwei Handvoll des Blutes über den versammelten Truppen, worauf der Ort den Namen Furt der Zerstörung erhielt. Viel später, als die Truppen der de Dananns bereit für die Schlacht waren, versetzte die Morrigain sie in wahnsinnige Kampfesraserei. Und als die Schlacht gewonnen war, zog sie durchs Land und verkündete den Sieg auf den königlichen Berghöhen, bei den Feenhügeln, den wichtigsten Strömen und den Flussmündungen. Erst sang sie ein Lied vom Sieg und dann ein weiteres, in dem sie das Ende der Welt verkündete.
Und ganz ähnlich ist ihr Auftreten in anderen Legenden. Im Rinderraub von Cuailnge (Tain bo Cuailnge) versucht sie, den halbgöttlichen Cuchullainn zu töten (er hatte sich ihren Zorn zugezogen, weil er nicht mit ihr schlafen wollte). Während er gerade in einem Fluß gegen einen Gegner kämpft, erscheint sie in verschiedenen Tiergestalten, um ihn abzulenken, zu verletzen oder unter Wasser zu ziehen. Vor Schlachten wurde sie angerufen, als panische Angst über die Feinde zu kommen, und wenn nach dem Gemetzel die Toten verstreut am Boden lagen, erschien sie als Erste, mit schwarzen Schwingen und rauhem Gekrächz, vom Himmel herab, um sich an Augen und Fleisch zu sättigen. Und im Rinderraub von Regamna fährt sie in einer Kutsche. Ihr Pferd hat nur ein Bein und die Deichsel geht ihm durch den Körper, mit der Halterung an seiner Stirn festgepflockt. Auf dem Wagen sitzt die Göttin, mit roten Augenbrauen und in einem flammend roten Mantel, der zwischen den Rädern zu Boden fällt. Begleitet wird sie hier von einem riesigen Mann in einem roten Umhang, der einen gegabelten Haselstab hält und eine Kuh vor sich hertreibt. So erscheinen die beiden Cuchulainn, wobei der Mann stets schweigt, während die Göttin den Helden verspottet. So behauptet sie, eine Satirikerin (also eine Dichterin) zu sein, die Kuh wäre der Lohn für ein gutes Gedicht, und sie nutzt die schöne Gelegenheit, eine bittere Prophezeiung zu verkünden. Cu, schwer verärgert, versucht sie anzugreifen, doch die Göttin verändert ihre Gestalt, wird zu einem schwarzen Vogel und lässt sich auf einem Ast außer Reichweite nieder. ’Was auch immer du getan hast, wird dir Unglück bringen‘, lacht sie. ’Ich beschütze dein Totenbett, von jetzt an werde ich es bereiten. Diese Kuh habe ich aus dem Feenhügel von Cruachan geholt, damit sie sich mit dem Bullen von Daire mac Fiachna paart, und wenn ihr Kalb noch ein Jährling ist, wird dein Leben sein Ende finden!‘
So. Da haben wir ein Pferd in Begleitung der Morrigain, aber besonders glücklich ist es nicht. Möglicherweise ist es nicht einmal gälisch. Eine derartige Anordnung von Pferd und Wagen wurde von Herodot betreffs des Begräbnisses eines skythischen Fürsten berichtet. Und möglicherweise hat der Autor dieser Story die Idee von Herodot übernommen. Zumal die mittelalterlichen Iren ja überzeugt waren, von den Skythen abzustammen.
Für eine Pferdegöttin reicht so ein Outfit allerdings nicht aus. Die Göttin der Schlachten ist da in eine ganz andere Richtung unterwegs.
Die Morrigain ist aber noch auf andere Weise interessant. Hier haben wir nämlich eine weitere der wenigen keltischen Göttinnen, die von den Dichtern gerne als Dreiergruppe dargestellt wurden. Allerdings nicht in der Jungfrau-Mutter-Greisin Konstellation, die im Wicca so beliebt ist. Statt dessen hat sie zwei (oder drei) Schwestern, Bodb und Macha (und manchmal Nemain), mit denen sie zusammen herumzieht. Manchmal