Der Kessel der Götter. Jan Fries

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Название Der Kessel der Götter
Автор произведения Jan Fries
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783944180328



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friedlich hielten und für seinen Zauber empfänglich waren. In jenen Tagen gingen die Leute im Allgemeinen nicht spazieren, und wenn sie es doch taten, nahmen sie sich sehr in Acht.

      Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass abseits aller heiligen Haine, die es vielleicht gab oder auch nicht, durchaus eine Reihe von Sakralgebäuden und Tempeln in der mittleren und späten La Tène-Zeit existiert hat. Der heilige Hain, Geburtsort des erwachenden Bewusstseins, wurde zu einem abgetrennten Ort, der durch eine Mauer oder einen Graben gekennzeichnet wurde, später auch durch Palisaden und Gebäude. Er war immer noch Nemeton, im Sinne eines heiligen Platzes, aber was als heilig galt, unterlag einer Anzahl drastischer Veränderungen. Und hier kommen wir zu den Kulten des alten Gallien. Während die Viereckschanzen Deutschlands nur wenig Aufschluss über die Ritualpraxis geben und viele von ihnen kaum Spuren von Opfergaben aufweisen, haben Ausgrabungen von über fünfzig gallischen Tempeln Material erbracht, das den Sensiblen unter uns abstoßend erscheinen dürfte. Glaubst Du an die romantischen Kelten? Du bekommst gleich eine Gelegenheit, Deine Aufgeschlossenheit zu testen. Falls Du es ekelhaft findest, was eine Anzahl keltischer Völker für Religion, Sieg und gute Ernten zu tun bereit war, schlage ich vor, dass Du Deine Reaktionen beobachtest, während Du liest, und für Dich herausfindest, was Du persönlich in Bezug auf heilige Handlungen als angemessen empfindest. Und wie wär´s, wenn Du anschliessend diesen Kelten eine Chance gibst und Dir eine Welt vorstellst, in der widerwärtige Opferpraktiken einen Sinn ergeben?

      Männlicher Kopf mit einer Aushöhlung für Opfergaben, Corbridge, Northumberland, Britannien.

      Manchmal auch als „Maponuskopf“ bezeichnet, obgleich es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß es sich gerade um diese Gottheit handeln könnte. Ein gutes Beispiel für den Kopf als Kessel.

       Die Tempel Galliens

      Zunächst einmal einige Verallgemeinerungen im Hinblick auf gallische Tempel, die in den letzten Jahrzehnten ausgegraben wurden. In den meisten gab es einen heiligen Bezirk, der durch seine quadratische oder rechteckige Form definiert und von einer Mauer oder ein bis zwei Gräben und vielleicht einer Palisade umgeben war. Wie bereits erwähnt sorgten die Mauern und Gräben für etwas Ungestörtheit – sie waren definitiv nicht zu Verteidigungszwecken gedacht. In den meisten Fällen befand sich der Eingang irgendwo im Osten. Beachte, dass die Tempel selten präzise in eine spezifische Richtung orientiert waren.

      Auch die Innengebäude waren nicht präzise ausgemessen. Im Zentrum einer gallischen Viereckschanze finden wir für gewöhnlich eine tiefe, kreisförmige Grube vor, manchmal umgeben von einer Ansammlung kleinerer Löcher. Die zentrale Grube hat eine Funktion, die der eines Altars nicht unähnlich ist: Sie dient als Mittelpunkt für das Ritual und nimmt die Opfergaben auf. In der frühen La Tène-Zeit war die Grube einfach ein rundes Loch. Spätere Generationen verbesserten sie, indem sie sie mit einem Dach versahen, um Regen abzuhalten, und nicht lange danach erschienen kleine, einfache Schreine als Gebäude über der zentralen Grube. Oft hatten diese Gebäude anfangs einen runden oder ovalen Grundriss, genau wie die Grube.

      Von oben gesehen besteht so ein Tempelplatz aus einer Viereckschanze mit einer runden Grube und/oder einem runden Gebäude in der Mitte. Von der mittleren bis zur späten La Tène-Zeit wurden diese Gebäude sehr stark ausgebaut. In der Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus kann man bereits von Tempelgebäuden sprechen. In einigen Fällen hatte das Gebäude über der Grube eine rechteckige Form bekommen, und den Pfeilern nach zu urteilen, die das Dach trugen, müssen einige von ihnen recht hoch gewesen sein. Gleichzeitig änderte sich die Funktion der Grube. Vorher war es ein Ort gewesen, wo die geschlachteten Tiere verwesten. In der späten La Tène-Zeit wurde sie durch einen Feuerplatz ersetzt.

      Es wäre verführerisch, Spekulationen darüber anzustellen, ob die Bestattungsbräuche der Zeit diesen Brauch beeinflusst haben. Manche gallischen Tempel wurden benutzt, um Speiseopfer darzubringen, wie zum Beispiel in Mirebeau, wo eine große Anzahl von Miniatur-Speisegefäßen, sorgfältig nachgebildet, entdeckt wurden; vermutlich waren sie mit Speisen und Getränken gefüllt. Speiseopfer spielten eine Rolle bei Bestattungsritualen, ebenso wie das Opfern von Schmuck, Torques, Fibeln, Armreifen, etc., die alle in gallischen Heiligtümern als Opfergaben an die Götter auftauchen. Manche Tempel scheinen auf bestimmte Opfergaben spezialisiert gewesen zu sein. Der vielleicht am besten bekannte Fall ist Snettisham in Norfolk, wo 75 mehr oder weniger intakte Torques von bester Qualität ausgegraben wurden, Fragmente von 100 weiteren, sowie 100 Armreifen und bisher 234 Münzen.

       Taraske

      Monster von Noves, Bouche-du-Rhone, sogenannte „Taraske“ nach einem Monster aus einem ländlichen Volksmärchen, späte La Tène-Zeit, Höhe 1.12 m. Ursprünglich wurde das Monster dargestellt, wie es einen Mann verschlang, von dem nur noch ein Arm und ein Bein zu sehen waren.

      Münzen waren beliebte Opfergaben in gallischen Tempeln der späten La Tène-Zeit. Es mag seltsam klingen, aber als die Römer Gallien besetzten und anfingen, über etwas zu klagen, was ihnen wie grausame Menschenopfer erschien, war der Höhepunkt der gewaltsamen gallischen Opfer bereits vorbei. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts vor Christus kamen symbolische Opfergaben in Mode. Statt des üblichen Sortiments an Schädeln, Knochen, verwesenden Tieren und Waffen begegnen uns zahlreiche radförmige Amulette (Rouelles) aus Gold, Silber, Bronze oder Blei und eine zunehmende Menge an Münzopfern.

      Ein gutes Beispiel ist Villeneuve-au-Châtelot, wo anfangs, im 4. Jahrhundert vor Christus, Waffen geopfert wurden und man im 1. Jahrhundert vor Christus zu Rouelles und Münzen überging, was sich bis in die Zeit der römischen Besatzung hinein erhielt; bisher wurden über 70.000 entdeckt. Die Münzen wurden manchmal in Löcher vergraben, manchmal auch achtlos verstreut. Drei in einem Loch versteckte Münzen wurden im Holz einer der Statuen entdeckt, die man im Genfer See in der Nähe von Villeneuve gefunden hat. Es wurde vermutet, dass Münzen geopfert wurden, weil sie Reichtum bedeuten. Ich vermute, dass das nicht der einzige Grund war. Keltische Münzen gehören zu den schönsten Kunstwerken, die je in Europa produziert wurden. Die Bilder auf ihnen üben einen starken Zauber auf den Geist aus – Grund genug, sie mit Religion in Verbindung zu bringen und in Rituale einzubeziehen.

      All das waren allerdings reichlich späte Entwicklungen. Kehren wir zur Frühzeit zurück, als geschlachtete Stiere in heiligen Gruben verwesten und man Trophäen aus der Schlacht als schicke Tempelausstattung betrachtete.

      In vielen Tempelbezirken wurden die Gräben (oder eine Reihe von Gruben) mit Opfergaben gefüllt. Es handelte sich um Tiere, Menschenknochen und in einigen Fällen um Waffen, Schilde, Rüstungen, Streitwagen und erlesene Kriegstrophäen. Diese Trophäen sind oft die gleichen wertvollen Güter, die dazu tendieren, auch in Kriegergräbern aufzutauchen. Opfertiere findet man in allen bekannten gallischen Tempeln. Es gibt allerdings beträchtliche Unterschiede im Hinblick auf die Spezies und die genaue Art der Opferung.

      Ein weiteres Element, das oft innerhalb von Viereckschanzen auftritt, sind hoch aufragende Kultpfeiler. Wir wissen nicht, wie sie ausgesehen haben, ob sie schlicht waren, geschnitzt oder irgendwie dekoriert. Das Holz ist vor Unzeiten verrottet, aber die tiefen Löcher, in denen die Pfeiler steckten, sind noch sichtbar. Es handelt sich hier vielleicht um eins der älteren Elemente in der Ausstattung keltischer Tempel. Eine Reihe von Kultpfeilern wurde in der Nähe eines komplizierten Systems von Gräben und Grabhügeln der späten Hallstatt- bzw. frühen La Tène-Zeit auf dem Glauberg in Hessen entdeckt. Derzeit wird spekuliert, sie hätten als Sonnen- und Mondkalender gedient.

      Soviel zum allgemeinen Überblick in Bezug auf gallische Tempelschanzen. Derartige Bauten sind nicht auf Gallien beschränkt. Archäologen haben ein hübsches Beispiel für den gallischen Tempelbaustil auf Hayling Island vor der südbritannischen Küste entdeckt; ein guter Beweis für die zahlreichen gallischen und belgischen Kelten, die über den Kanal segelten, um eine neue Heimat zu erobern.

      Um