Название | Lebensreise |
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Автор произведения | Alois Brandstetter |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783701746477 |
Die »letzte Ruhestätte« hat Oswald in Neustift, im Kloster der Augustiner Chorherren, eigentlich vorerst auch nicht gefunden. Nachdem sein Leichnam lange verschollen war und erst 1973 am alten Friedhof an der Außenmauer des Doms in Brixen entdeckt wurde, hat man die Knochen des Skeletts und den Schädel schließlich in Linz und Bern untersucht und anhand einer angeborenen Mißbildung des rechten Auges, wie auf dem bekannten Porträt ersichtlich, identifiziert. Erst dann konnte er wirklich und ein zweites Mal »beigesetzt« werden. Dann erst hat also der unruhige und streitbare Geist, der in viele Prozesse und Scharmützel und Händel verwickelte Baron, seine Ruhe und ewigen Frieden gefunden …
Im Fall von Kaiser Maximilian ist davon die Rede – nachzulesen etwa im Buch »Maximilian I.« von Hermann Wiesflecker, dem aus Lienz gebürtigen Grazer Historiker –, daß der Kaiser testamentarisch verfügt hat, daß er nach dem Ableben geschoren werden will, daß ihm die Zähne gebrochen werden sollen und daß er in seinem Eichendoppelsarg mit Asche und Kalk überschüttet werde. Die Redewendung »in Sack und Asche Buße tun« ist laut Lutz Röhrichs »Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten« bereits biblisch belegt (Ester 4,1). Und der fromme Kaiser hat sich nicht nur wegen eines venerischen Leidens als Sünder gefühlt. Er war demütig und »reumütig« …
Auch ich habe Exhumierungs- und Umbettungsvorgänge miterlebt: Die Mutter meiner Frau, also meine Schwiegermutter, wurde im Klagenfurter Hauptfriedhof in Annabichl beerdigt. Es war jedoch der Wunsch meines Schwiegervaters, eines gebürtigen Albaners und Moslems, daß sie ein Jahr nach dem Begräbnis in die Nähe seiner Wohnung in der Dag-Hammerskjöld-Siedlung auf den Friedhof Sankt Martin umgebettet werde, damit er sie sozusagen in seiner Nähe hat und ein Friedhofsbesuch im weit entfernten Annabichl nicht immer eine »Weltreise« mit den Stadtbussen und öfterem Umsteigen nötig machte. Umgebettet wird ganz diskret nachts oder im Morgengrauen, wenn die Einwohner der Stadt noch schlafen. Mein Schwiegervater Teka Selman – sein Name Suliman wurde im Krieg eingedeutscht – schlief in jener Nacht aber nicht, sondern begab sich aus einem gewissen Mißtrauen, das er sich wohl im Krieg und in Lagern in Exjugoslawien und Italien »zugezogen« hatte, und auch, weil ihm in seinem Flüchtlingsleben oft übel mitgespielt worden war, auf den Friedhof, um mit eigenen Augen zu sehen, daß nicht geschwindelt und der Sarg wirklich ausgegraben und erhoben und schließlich im neu angemieteten Grab im Friedhof Sankt Martin in die am Vortag ausgehobene Grube versenkt wurde. Er wollte nicht für nichts und wieder nichts die nicht unerheblichen Kosten und Gebühren bezahlen … Er wurde aber von den Arbeitern der Bestattung, den »Pompfüneberern«, die absolut kein Publikum duldeten, verscheucht und konnte nur aus der Ferne dem Geschehen folgen … Nun ruht auch er in diesem Grab, er ist zehn Jahre nach seiner Frau im zweiundneunzigsten Lebensjahr verstorben. Sein Begräbnis, den Kondukt, hat der brave, unermüdlich tätige und vielbeschäftigte Pater Anton Wanner, Kapuziner und Krankenhausseelsorger, freundlicherweise gestaltet und in seiner Grabrede von jenen Propheten, namentlich Abraham, gesprochen, die Christen, Juden und Moslems gleicherweise kennen, anerkennen und verehren. Es war wahrlich ein interkonfessionelles Begräbnis …
Als vor einigen Jahren ein Kind, die neunjährige Tochter eines albanischen Moslems in der erwähnten Dag-Hammerskjöld-Siedlung auf tragische Weise verbrannte und ums Leben kam und ebenfalls nach christlichem Ritus von einem katholischen Geistlichen auf ihrem letzten Weg »begleitet« wurde, hat der Betreffende Schwierigkeiten mit dem Seelsorgeamt der Diözese Gurk bekommen. In Leserbriefen wurde dann aber die Kaltherzigkeit des Kirchenrechts kritisiert, noch dazu, wo es sich nicht um einen Selbstmörder wie Werther, sondern um ein Kind, ein unschuldiges Mädchen, handelte … Begräbnisse von Anders- oder auch »Ungläubigen«, aus ihrer Kirche Ausgetretenen, zeremoniell und liturgisch zu moderieren, ist, um es ein wenig flapsig auszudrücken, zu einem bevorzugten »Geschäft« der Altkatholischen Kirche, der Markus-Kirche in der Klagenfurter Kaufmanngasse in der Nähe der Stiege, die nach einem der Gründer der Altkatholischen Kirche Johann Joseph Ignaz von Döllinger benannt ist, geworden. Der zuständige Ortsbischof der Altkatholiken wird vor allem für seine rhetorischen und spirituellen Fähigkeiten von vielen dankbar geschätzt und auch bewundert.
Altkatholisch wurde auch die Schriftstellerin Brigitte Schwaiger auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt. Ein Ehrengrab, wie sie es verdient hätte, hat Brigitte Schwaiger nicht bekommen … Den Wunsch, den sie einmal geäußert hat, ein Grab zwischen den Grabstätten von Gerhard Bronner und Friedrich Torberg zu bekommen, hat man ihr auch nicht erfüllt. Gewünscht hätte sie sich vielleicht auch, daß der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, für den sie eine große, unglückliche Sympathie empfand, sie auf ihrem letzten Weg begleitete … Mit ihrem surrealistischen, irrwitzigen Humor, hat sie sich ja brieflich an den Kardinal gewandt und vorgeschlagen, er und sie sollten aus der Kirche austreten, mosaisch werden und heiraten … Altkatholisch beerdigt wurde auch der eingangs erwähnte Dichter und Lehrer am Slowenischen Gymnasium Janko Messner, der sich, obwohl sein Bruder katholischer Priester war, über die Rolle der katholischen Kirche im Volksgruppenstreit und in der Minderheitenfrage oft geärgert und in geharnischten Briefen an das Ordinariat bitter beschwert hat. Katholisch geblieben, wenn auch in kritischer Distanz zum Klerus und zur Hierarchie und zum Bischof, wie die Erzählung »Das Kind« zeigt, ist Christine Lavant. Viel besucht ist das Grab Ingeborg Bachmanns auf dem Friedhof Annabichl in Klagenfurt, wohin man sie nach ihrem rätselhaften Tod in Rom überführt hat. Ihrer Grabstätte hat sich nachträglich ihre Heimatstadt Klagenfurt im Sinne eines Ehrengrabs angenommen, Kritiker sagen »bemächtigt« … Uwe Johnson hat in dem Buch »Eine Reise nach Klagenfurt« seinen Besuch von Bachmanns Grab und der kritisch gesehenen Landeshauptstadt Klagenfurt protokolliert. Werner Berg hat unter dem Eindruck des Buches »Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod« von Jean Améry, der in einem Salzburger Hotel freiwillig aus dem Leben geschieden ist, auch diesen Ausweg gewählt. Der Wunsch, auf dem Salzburger Kommunalfriedhof beerdigt zu werden, wurde Berg erfüllt. Die Welt der Unglücklichen ist eine grundsätzlich andere als die Welt der Glücklichen, heißt es sinngemäß bei Améry.
Der Psychiater und Suizidforscher Erwin Ringel, der in einem Hotel in Bad Kleinkirchheim in Kärnten in der »Bedürfnisanstalt« eines natürlichen (!) Todes gestorben ist, hat Profundes über die kranke »Kärntner Seele« geschrieben und die heimliche Landeshymne »Valosn valosn, valosn bin i« von Thomas Koschat, der im Eingangsbereich des Annabichler Friedhofs ein pompöses Ehrengrab erhalten hat, als Depressions-, ja Selbstmord-Hymne bezeichnet. Erwin Ringels makabres Ende erinnert an Josef Roths Geschichte »Die Rebellion«, in der eine männliche »Klofrau« – ein Invalide – in »seiner« Bedürfnisanstalt stirbt und im anschließenden Gericht seinem Schöpfer bitterste Vorwürfe macht. Ähnliche Vorwürfe hat in ihren Gedichten auch Christine Lavant gegen den »lieben« Gott herausgeschrien, weshalb sie ja, wie schon ausgeführt, der Priester Johannes Pettauer als »gottlos« bezeichnet hat. Hier darf man sich auch an den vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierten Günther Nenning erinnern, der ein Buch mit dem Titel