Название | Lebensreise |
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Автор произведения | Alois Brandstetter |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783701746477 |
Ich habe mich einmal, auf Anfrage und Bitten der Diözesanfinanzkammer hin, bereiterklärt, mich als Kirchenbeitragszahler zu deklarieren. Daraufhin wurde ich von Bischof Alois Schwarz zu einem Mittagsmahl ins Palais der Kaisertochter Marianna eingeladen, in die Bischofsresidenz der Diözese Gurk-Klagenfurt. Der andere, im Gegensatz zu mir wirklich prominente Armin Assinger, der sich auch als Beitragszahler »geoutet« hat, hat die Einladung des Bischofs »nicht einmal ignoriert«. Heute, in der Zeit des übertriebenen und überbewerteten Datenschutzes, darf ja in keinem Formular das früher selbstverständliche r.k. oder AB oder HB, also die Konfession abgefragt werden. Es freut mich aber, wenn ich auf meinem Weg aus dem Zentrum entlang des Lendkanals an der Johanneskirche, die ich einmal in einem Essay irrtümlich als Lutherkirche bezeichnet habe – sie ist freilich auf dem Martin-Luther-Platz –, vorbeikomme und die Gedenktafel für den evangelischen Gert Jonke sehe … In der Stadtpfarrkirche Sankt Egid hat mich der leider schon verstorbene Monsignore Markus Mairitsch auf einen protestantischen Pastor auf dem Deckengemälde hingewiesen, erkennbar an dem charakteristischen Beffchen. Der Klagenfurter Dom war ursprünglich eine Kirche der Protestanten. Die ergreifendste Rede hat beim Requiem für den verstorbenen Generalvikar und Protonotar Olaf Colerus-Geldern der evangelische Bischof Herwig Sturm gehalten …
In der Kirche Sankt Egid, der Klagenfurter Hauptpfarre, historisch gesehen freilich eine Art Filiale der Mutterkirche in Maria Saal, »Maria in solio«, befindet sich neben dem rechten Seitengang in einer Nische das Grab des aus Texas stammenden »französischen« Dichters Julien Green. Er hat in seinem bewegten Leben mit vielen Ortswechseln und Reisen, über die er das umfangreichste Tagebuch der Literaturgeschichte – in der deutschen Ausgabe fünf voluminöse Bände – geschrieben hat, auch zwei Mal die Konfession gewechselt, vom Katholizismus zum Buddhismus und im Alter zurück zum Katholizismus. Als er zu einer Aufführung seines Theaterstückes »Süden« nach Klagenfurt kam, lernte er hier neben dem Intendanten Herbert Wochinz den erwähnten Markus Mairitsch, eine herausragende Priesterpersönlichkeit der Diözese Gurk-Klagenfurt, kennen. Bewogen durch die ihn tief berührende Marienverehrung in Kärnten – Mairitsch war geistlicher Assistent der Legio Mariae –, erwirkte er die Erlaubnis, in der Kirche St. Egid bestattet zu werden, weswegen es 14 Jahre nach seinem Tod in Paris 2012 zur Überführung nach Klagenfurt kam. Bischof Egon Kapellari zelebrierte vor einer großen Trauergemeinde das Requiem und hielt eine eindrucksvolle Predigt in französischer Sprache. Als Greens »Ziehsohn« und Erbe Jean-Eric Green starb, wurde er neben seinem »Vater« in St. Egid bestattet. Bei seinem Requiem gab es kaum Besuch. Wir waren vielleicht 10 »Gäste« … Es kann sein, daß manche diese Grablege an dieser Stelle als unpassend empfunden haben. Die Bestattungen in der Krypta der Stadtpfarrkirche bereiteten übrigens auch technische Schwierigkeiten, weil der Kirchenrektor vor Mairitsch die Gruft, den riesigen Keller der Kirche, ungeschickter Weise, angeblich aus statischen Gründen, mit Beton hat ausgießen lassen. Bestattungen waren nun nur mehr in dem einen noch freien Raum möglich …
Es gibt Gott sei Dank (!) in Europa viele Gotteshäuser, die von mehreren oder doch zwei Konfessionen genützt werden, in vielen katholischen Kirchen in Österreich hat die Kirchenleitung etwa den Orthodoxen – den Griechisch-orthodoxen, den Serbisch-orthodoxen oder Russisch-orthodoxen – Benützungsrechte eingeräumt. Natürlich bleiben die Christen unter sich. Es wäre kaum vorstellbar, daß Moscheen für Christen oder Kirchen für Muslime zur Verfügung gestellt würden … Ich habe einmal in der Klagenfurter Kreuzberglkirche einem griechisch-orthodoxen Gottesdienst »beigewohnt« und über die Schönheit und den ästhetischen Reiz der praktizierten Riten und der Liturgie gestaunt. Man hat vor dem Gottesdienst den Altarraum mit mitgebrachten Ikonen und anderen spezifisch orthodoxen Weihegegenständen und einer Art Ikonostase, einer Bilderwand, umgestaltet. Eigentlich schade, daß von der alten griechischen Liturgietradition in der katholischen Messe nur noch das »Kyrie eleison, Christe eleison« übriggeblieben ist. Wie herrlich aber klingt dieser Anruf in der »Krönungsmesse« Wolfgang Amadeus Mozarts, der »Missa solemnis« von Ludwig van Beethoven oder in Anton Bruckners »Windhaager Messe« oder auch Charles Gounods »Cäcilienmesse« … Man darf sich auch daran erinnern, daß das »deutsche« Wort Kirche etymologisch gerade auf dieses kyrios zurückgeht, auf das Griechische – wie auch das Wort Etymologie selbst …
Ich kann auch lange Predigten oder Psalmen oder Lesungen in einer mir nicht bekannten Sprache hören, schon gar, wenn sie im tonus rectus, also singend, vorgetragen werden. Neulich im Dom von Caorle habe ich am Fest Mariä Namen auch von der italienischen Predigt des lebhaft gestikulierenden Prädikanten nur hin und wieder ein Wort verstanden. Nur am lateinisch gebeteten Credo, dem Pater noster und dem Abschlußgesang, dem Salve regina, konnte ich mich beteiligen und »mithalten« … Im übrigen habe ich mich bei den frommen italienischen Marienverehrern – vor allem Marienverehrerinnen – sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt – und ein aktuelles und akutes Gesundheitsproblem dabei vorübergehend vergessen … Gebetserhörung? Nein, nicht doch! Die Ausdauer der Orthodoxen beim Singen und Beten kann einen ungeduldigen Mitteleuropäer freilich überfordern. In diesem Sinn hab ich mich dann doch vor dem Ende der griechischen Liturgie in der Kreuzberglkirche entfernt … Freunde, die wiederholt den Berg Athos besucht haben, berichten von ungeheuer langen Andachten, namentlich in der Osterzeit, die halbe Nächte dauern oder auch im Morgengrauen stattfinden.
In Psalm 33/21 heißt es: »Gott beschützt die Gebeine der Gerechten.« Und bei Jesaias steht: »Es werden ihre Gebeine blühen wie Blumen.« Moritz Meschler – wie du, Aloysius, vom Orden der Gesellschaft Jesu – zitiert diese beiden Stellen in seinem Buch »Leben des hl. Aloysius von Gonzaga, Patrons der christlichen Jugend« (1819) im Schlußkapitel »Die irdische Hülle des entflohenen Engels«, wo von den fünf »Erhebungen«, das heißt Exhumierungen und Umbettungen, deines Leichnams die Rede ist, und von den vielen Reliquien, die durch Schenkungen an Kirchen gelangten, wie die Kinnlade nach Palermo, ein Schulterblatt nach Brüssel, von dem ein Teil später nach Antwerpen gelangte. »Der römische Provinzial, Pater Bernardin Rossignoli, teilte reichlich von den Reliquien aus … und so kamen Teile des Leibes nach Polen, ja nach Indien.« Das berühmte Kruzifix, vor dem du auf vielen Bildern in Betrachtung und Andacht dargestellt bist, gelangte nach Köln. »Am 2. August des Jahres 1626, vier Jahre nach der Heiligsprechung des Gründers des Jesuitenordens Ignatius von Loyola, legte der Kardinal Ludovico Ludovisi feierlich den ersten Stein zur neuen Kirche des hl. Ignatius und zwar an der Stelle der alten Annuntiatenkirche.« Dort also hast du, Aloysius, nach der fünften »Erhebung« eine eigene würdige Kapelle erhalten, in deren Altar der Rest der verbliebenen Reliquien und »Überreste« verwahrt liegt. Francesco Gonzaga, dein jüngerer Bruder, Markgraf nach dem verruchten »tyrannolo«, nach Rodolfo Gonzaga also, dem »unheiligen Bruder des Heiligen«, der von aufgebrachten Untergebenen erschossen wurde und außerhalb der Friedhofsmauern beerdigt worden war, wenn auch später auf Ersuchen der Mutter Marta Tana beim Papst umgebettet wurde, Francesco Gonzaga also, im Gegensatz zu seinem Vorgänger tüchtig und fromm und auch politisch bedeutend, bekam vom Jesuitenprovinzial Aquaviva schließlich für die Jesuitenkirche in Castiglione dein Haupt, das Haupt des 1605, vierzehn Jahre nach seinem Tod, selig gesprochenen älteren Bruders. (Die Heiligsprechung erfolgte ja erst 1726.) Es ist merkwürdig, wie Meschler mutmaßt und spekuliert, warum du, der Selige und dann Heilige, nicht wie andere Heilige unverwest geblieben bist. Ich habe mir in meinem Roman »Aluigis Abbild« einen etwas anderen Reim auf diesen Umstand gemacht … Meschler: »Gott hat dem Leib des hl Aloysius nicht wie den Leibern so vieler anderer Heiligen die Gabe der Unversehrtheit verliehen, die gewöhnlich als eine besondere Belohnung unentweihter Keuschheit angesehen wird. Man sollte denken, gerade Aloysius habe in Ansehung seiner außerordentlichen Reinheit und Jungfräulichkeit auch diese Auszeichnung zuteil werden sollen. Gott ist aber unerforschlich in der Verteilung seiner Gaben und Gunstbezeigungen. Vielleicht beabsichtigt er in seiner Vorsehung durch die Auflösung des heiligen Leibes vielen Orten die Ehre und die Segnungen der Gegenwart seiner Reliquien zuzuwenden …« Nun ja.
Solch unverweste Leiber gibt es in der Kirche in Castiglione delle Stiviere auch, und zwar jene der drei Töchter des verruchten Markgrafen