Название | Lebensreise |
---|---|
Автор произведения | Alois Brandstetter |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783701746477 |
Alois Dempf hatte hochbegabte Studentinnen und Studenten – wie zum Beispiel Ingeborg Bachmann. Einer seiner geistesverwandten Studenten war Hermann Krings, Vertreter der sogenannten Transzendentalphilosophie, dessen Schüler und Assistent wiederum Hans Michael Baumgartner war. Hermann Krings war zu meiner Saarbrücker Zeit Rektor der Universität des Saarlandes. Einer seiner aus München mitgekommenen Studenten war Christoph Wild, später langjähriger Geschäftsführer des Kösel-Verlags, erfolgreicher Geschäftsmann mit christlich-sozialer Gesinnung. Ein begnadeter Rhetor, der etwa bei den Verleihungen des Geschwister-Scholl-Preises aufsehenerregende Reden gehalten hat.
Unter den bekannten Namensträgern des Taufnamens Alois ist nach Alois Alzheimer und anderen natürlich auch Alois Dempf angeführt. Nun weiß ich nicht, lieber Prinz Aloysius, ob Dempf mit seinem Vornamen zufrieden war oder ein Problem damit hatte. Man kann aus dieser Namenswahl auf ein christliches oder christkatholisches Elternhaus schließen. Denn der Name Alois ist gewissermaßen auch ein Programm und ein Bekenntnis. Er wurde nur im katholischen Süden nach deiner Heiligsprechung im Jahr 1726 oft als Taufname verwendet. Und er war in der Gegenreformation fast ein Kampfname gegen den Protestantismus. Man kann freilich aus Namen nicht immer linear auf die Weltanschauung oder Gesinnung des Namensträgers oder der Namensgeber schließen. Herbert Eisenreich erwähnt in einer Erzählung über den Spanischen Bürgerkrieg einen besonders brutalen Kombattanten und Kommandanten, der mit Vornamen Jesus heißt. Die Spanier und mit ihnen die spanischsprechenden katholischen Länder Südamerikas kennen oder kannten ja keine Scheu vor diesem »Namen, der über allen Namen« ist.
Ich habe einmal geschrieben, daß ich mit deinem, meinem Namen, lieber Namenspatron, schon deswegen zufrieden bin, weil im Dezember 1938 viele Adolfs und Hermanns getauft oder diese Namen von »Gottgläubigen« ohne kirchliche Taufe angenommen wurden. Im Monologdrama »Der Herr Karl« von Carl Merz und Helmut Qualtinger fragt der Magazineur Karl seinen fiktiven Gesprächspartner, den Lehrling, wann er geboren sei, und auf die Antwort (»1938«) legt der charakterlose Mitläufer und Opportunist los – und seine Sicht der damaligen Ereignisse dar. Dezember 1938?! Eh schon wissen! Neun Monate nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich. Damals hat sich ein Pichler Gastwirt am Straßenrand vor Begeisterung so heiser gebrüllt, daß er eine ganze Woche lang keine Stimme mehr hatte und seine Gäste wortlos und stumm bedienen mußte … Mich hat das Stück von Merz und Qualtinger auch darum so »angeheimelt«, weil ich während meiner Welser Gymnasialzeit oft meinen Kindheits- und Jugendfreund, den Lehrling oder »Lehrbuben«, heute muß man sagen Azubi, »Auszubildenden«, Josef Kaser an seinem Arbeitsplatz im Warenlager, im Gewölb der Großhandlung Unterholzer am Welser Stadtplatz, besuchte, später im Lager der Großhandlung Stadelbauer. Dort gab es nicht nur Ratten, die hinter den Regalen Nester bauten, dort gab es im Herrn Zeilberger auch einen alten, bramarbasierenden Magazineur, von dem ich meinte, Qualtinger müßte ihn gekannt und »nachgemacht« haben, was natürlich nicht der Fall war. Obwohl Qualtinger, wie sich herausstellte, bei der Niederschrift einen Kellner in einem Wiener Café im Auge gehabt hatte, der sich später selbst und von sich aus stolz als Karl-Vorbild öffentlich machte …
Auch bei der Lektüre des Buches »Soll und Haben« von Gustav Freytag, dem Klassiker von den tüchtigen deutschen Kaufleuten (mit antisemitischen Untertönen), wurde ich an das Milieu der Welser Großhandelskaufleute erinnert. Am Welser Stadtplatz gab es auch eine Gerberei und ein Lederwarengeschäft, wo mein Vater für seine Mühle die Lederriemen bezog. Dort war ein anderer meiner Jugendfreunde Lehrling, Josef Mühlberger. Im Roman »Die Mühle« habe ich eine kleine Riemen- und Lederkunde inseriert, die ich im Wesentlichen meinen Besuchen bei der Firma Reichardt am Welser Stadtplatz und meinem Jugendfreund Mühlberger verdanke, auch einen namenkundlichen Exkurs über die Personennamen Mühlberger und Müller, die die älteren, urgermanischen Namen Kürnberger und Kürner fort- oder ersetzen.
Ingeborg Bachmann, die zunächst begann, bei Alois Dempf und seinem Assistenten Ernst Topitsch, der sich Bachmann auch mit seiner philosophisch und politisch motivierten Abneigung gegen Martin Heidegger und den Existenzialismus verbunden fühlte, zu dissertieren, und an die am Tor der Ursulinen-Schule in Klagenfurt eine Tafel mit einem Satz aus ihrer Erzählung »Jugend in einer österreichischen Stadt« erinnert, war ja eigentlich Protestantin. Oft habe ich mich mit Elisabeth Reichmann-Endres, der 2016 verstorbenen Kärntner Landeskonservatorin, in ihrem Haus in der »Abstimmungsstraße« in Viktring oder bei mir in der Weihergasse in Klagenfurt unterhalten. Sie war Bachmanns Mitschülerin gewesen und wurde deshalb von den Medien immer wieder und besonders in »Bachmann-Jahren« befragt, wie es denn mit ihrer Freundin Ingeborg gewesen sei. Frau Reichmann-Endres war nobel zurückhaltend, auch wenn sie einiges in der Literatur über »die« Bachmann modifizieren oder korrigieren mußte, sei es auch manchmal Nebensächliches gewesen. So heißt es, sogar in der gediegenen Biographie von Hans Höller im Rowohlt Verlag, sie hätte bei ihren Kolleginnen und Freundinnen den Spitznamen »Elfchen« gehabt. Sie nannten sie aber nicht Elfchen, sondern Els-chen, weil sie von der Oper »Lohengrin« von Richard Wagner schwärmte und ihr der Name Elschen (nach Elschen von Brabant) gefiel …
Von Reichmann-Endres und anderen Klassenkameradinnen hat man erfahren, daß Ingeborg Bachmann sehr oft gefehlt hat und als abwesend ins Klassenbuch eingetragen wurde. Sie war wohl eigentlich nicht kränklich. Manche vermuten aber, daß sie vielleicht von zu Hause, also von ihrem Elternhaus und ihrem Vater her, traumatisiert war, worauf es im Kapitel 4 des Romans »Malina« gewisse Hinweise gibt.
Walter Wimmer, emeritierter Pfarrer von St. Konrad in Linz, nun in Pension und im Domherrenhof in der Linzer Rudigierstraße wohnhaft, ein Bauernsohn aus Gunskirchen bei Wels, jüngerer Bruder meines Kollegen Josef Wimmer im Kollegium Petrinum, der Bischöflichen Lehranstalt der Diözese Linz, der auch Priester wurde und schließlich Religionsinspektor und 2019 leider verstorben ist, Walter Wimmer also hat erzählt, daß Ingeborg Bachmann im sogenannten Germanikum, wo die Priesterstudenten aus Deutschland, Österreich und ursprünglich auch einmal aus Ungarn wohnten, die an der Päpstlichen Universität, der »Gregoriana«, Theologie studierten, Walter Wimmer also hat erzählt, daß Ingeborg Bachmann im Germanikum gewesen sei, dort auch eine Lesung gehalten und sich bei den jungen Theologen wohlgefühlt habe, mit denen sie später sogar Ausflüge unternommen habe.
Ich darf aus meinem Briefwechsel mit Walter Wimmer zitieren. Zuvor meine Anfrage vom 19. Juli 2016: »Sehr geehrter Herr Konsistorialrat Dr. Walter Wimmer, lieber Walter! Als Studienkollege Deines Bruders Josef und als Pichler bitte ich den Gunskirchner, mir das Du nachzusehen. Mich beschäftigt gerade jetzt, wo der 90. Geburtstag Ingeborg Bachmanns ›gefeiert‹ wird, die Erinnerung an etwas, was ich einmal von Dir gehört haben muß. Nämlich, daß Bachmann einmal oder öfter Kontakt zu den Theologen des Germanikums aufgenommen hat. Ich bin hier in Klagenfurt mit Frau Elisabeth Reichmann-Endres in Verbindung, die eine Mitschülerin der Bachmann war und immer wieder als Auskunftsperson für die Klagenfurter Zeit bemüht wird. Aber von Rom weiß sie wenig. Nun war Ingeborg Bachmann ja Protestantin und in einem eben erschienenen Fotoband ›Bachmanns Rom‹ steht, daß sie über eine Begegnung mit Papst Paul VI. geschrieben hat, sie habe ›den Antichrist von Angesicht zu Angesicht‹ gesehen! Sie ist also polemisch wie weiland Martin Luther … Und wenn von ihrem Unglück in Rom und ihrer Einsamkeit die Rede ist, dann hängt das vielleicht auch damit zusammen, daß sie in der »Heiligen Stadt« kaum integriert war. Der Besuch bei Euch Theologen war vielleicht der ein wenig hilflose Versuch einer Art Annäherung? Was meinst Du dazu? Ich hoffe, es geht Dir gut. Über einen Mangel an Reichgottesarbeit