Ich, Sergeant Pepper. Fred Reber

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Название Ich, Sergeant Pepper
Автор произведения Fred Reber
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742781635



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jetzt, immerzu.

       Jeden weiteren Tag in meinem Leben, bin ich dein Chauffeur und fahr dich hinaus in die Revolution, wo meine Gitarre leise wimmert. Komm mit auf die zauberhafte Rätselreise, zu der Sterne wie Diamanten am Himmel funkeln.

       Ich muss dich in mein Leben bekommen, mehr brauche ich nicht zu tun, dann kommen wir klar. Liebe kannst du nicht kaufen, wie eine Eisenbahnkarte. Aber alles was du brauchst, ist Liebe, Baby. Damit bist du steinreich.

       Ich bin keine Eintagsfliege. Aus mir wird viel mehr, lass mich nur nicht im Stich. Nach eines schweren Tages Nacht, wenn ich vierundsechzig bin und Taschenbuchschreiber, werde ich immer noch dein Sergeant Pepper sein, und das Loch flicken, durch das der Regen hereinrinnt!

       Sag das Wort!

      Ich wollte nicht glauben, wie wenig der Hofer von Musik und Poesie verstand. Er gab mir eine Fünf auf meine Arbeit und behauptete, sie käme lediglich einer Übersetzung aus dem Englischen gleich, auch das Thema sei verfehlt.

      Dem stimmte Frau Schön nicht zu. Sie gab mir eine Zwei. Wenigstens sie schien begriffen zu haben, wie schwierig es war, in der kurzen Zeit bestimmte Textzeilen aus den Songs der Beatles zu finden und so zu ordnen, dass daraus eine stimmige Geschichte wurde.

      Eine Liebesgeschichte.

      »Du darfst deine Begabung nicht verkümmern lassen«, sagte sie. »Ich bin stolz auf dich und hoffe, noch vieles von dir zu lesen. Du kannst mich jederzeit besuchen. Meine Tür steht immer offen.« Sie reichte mir die Hand. »Also, kein Abschied für immer.«

      Ich hatte den Übertritt auf die Realschule geschafft.

      Vor dem Klassenzimmer wartete Willi auf mich. Er überredete mich, mit ins Stadtcafé zu kommen. Die Kameraden, die ab Herbst ein Gymnasium in München besuchten, waren dort mit den Mädchen aus der Parallelklasse verabredet, die auch die Schule wechselten. Ihren Gesprächen konnte ich entnehmen, dass sie öfter gemeinsam herumhingen. Die Mädchen freuten sich wie ich, Julia wiederzusehen.

      Als wir alle am späten Nachmittag aufbrachen und uns verabschiedeten, steckte mein ganzes Geld im Bauch der Musikbox.

      Bei unseren Fahrrädern boxte Willi mich freundschaftlich an den Arm. »Schade, dass du nicht auf die Insel mitkommst.«

      Ich hatte ihm gesagt, dass meine Mutter es mir nicht erlaubte. Dabei hatte ich sie gar nicht gefragt. Ich wollte nur Julia nicht verpassen.

      Wir jagten uns durch den Park, einmal überholte ich ihn, dann er mich, strampelten wild unter den Bäumen hervor, über den Zebrastreifen, bogen durch das offene Hauptportal des Friedhofs, wohlwissend, dass wir mächtigen Ärger riskierten, wenn uns der Verwalter erwischte. Wir nahmen gerne diese verbotene Abkürzung, die uns an der Ostseite der Anlage durch eine schmale Öffnung in der Steinmauer zur Siedlung führte, in der Willi wohnte.

      Mit quietschenden Reifen bremsten wir vor seinem Elternhaus. »Ich melde mich, sobald ich Anfang September zurück bin«, rief er und fuhr sich über das erhitzte Gesicht.

      »Okidoki«, rief ich, trat im Stehen in die Pedale, erklomm mit letzter Anstrengung den Siedlungsberg, dann ließ ich es laufen. Weder aus der Stadt näherte sich ein Wagen, noch aus der Richtung, wo die Kornfelder sich bis zur Air-Base erstreckten. Ich fegte über die Landstraße, hinein in die Allee. Silbern schimmerten in den schwachen Strahlen der untergehenden Sonne die Blätter der Weiden entlang des unbefestigten Weges.

      Laute Beatmusik schwappte mir entgegen. Mm, American Woman gonna mess your mind. Von den Guess Who. Die waren gerade in die Charts eingestiegen.

      Wie konnte ich vergessen, dass meine Mutter für heute Robert Staudte mit der kompletten Belegschaft seines Kaufhauses zu uns eingeladen hatte.

      Am Gartenzaun entlang standen Autos. Hinter den Fensterscheiben des Wohnzimmers bemerkte ich einige Gäste in Gespräche vertieft. Auf dem Rasen vor der Eingangstür wurde getanzt. Niemand sah zu mir herüber, als ich hinter das Haus fuhr. Ich sperrte das Fahrrad in den Schuppen, dabei bemerkte ich jenseits vom Zaun eine langhaarige Gestalt. Sie wankte im Rhythmus des Beats hin und her, schnippte mit den Fingern und zuckte zu einem verzerrt klingenden Gitarrenriff, als würde sie unter Strom stehen. Trotz des milden Abends trug der Typ einen langen Mantel, wie die Cowboys in Spiel mir das Lied vom Tod. Ich hatte die Plakate im Vorbeifahren am Kino hängen sehen. Ich schlich unter den Obstbäumen zum Zaun. Animiert vom Trommelwirbel, den der Wind von der Platte im Haus herübertrug, sprang der seltsame Typ plötzlich auf und nieder, so, als stünde er auf einem Trampolin, und ich verharrte. Immerzu nickte er heftig mit dem Kopf, dass die Haare nur so flogen. Als die Musik abrupt endete, warf er den Kopf in den Nacken und blieb mit erhobenen Armen regungslos stehen, wie ein von einem Sheriff aufgespürter Flüchtiger. »Gut so. Und keine Bewegung«, sagte ich und erschrak über meine Worte wohl mehr als der Langhaarige.

      »Hi! Irre Party.« Völlig aus der Puste strich er sich die verklebten Strähnen aus dem Gesicht. Am kleinen Finger der rechten Hand bemerkte ich einen breiten silbernen Ring.

      »I’m Kevin«, sagte er, mit Akzent auf Deutsch, dass er mit dem Wagen vorbeigekommen sei. Er deutete zur Landstraße hinüber. »Ich wollte wissen, was hier abgeht.«

      »Mit dem Wagen? Willst du mich verscheißern?« Umso vieles älter konnte er doch nun wirklich nicht sein.

      »Mit dem Chevy dort.« Er vergrub seine Arme bis zu den Ellbogen in den Manteltaschen. »In Amerika bekommst du mit sechzehn die Fahrerlizenz.«

      Ich folgte ihm zu dem Wagen mit offenem Verdeck, der seitlich von der Allee in der Wiese stand. Er schwang sich hinter das Lenkrad und startete den Motor. »Come on, lass uns nach München fahren und nach den Mädchen in den Straßencafés sehen.«

      »Ich muss da rein«, sagte ich.

      »What a pity, so long.« Rückwärts jagte der Wagen durch die Allee hinauf zur Landstraße.

      Was im Village abgeht

      Frühjahr 1972

      Ich wartete, bis die Schlusslichter des Wagens nur noch müde glimmenden Funken glichen, dann ging ich ins Haus.

      Die Party war in vollem Gange. Die Bässe der Stereoanlage dröhnten. Es wurde getanzt und gelacht. Wie immer dauerte es ein paar Augenblicke, bis ich mich an das amerikanische Englisch der jungen Leute gewöhnt hatte.

      Ein Mädchen aus dem Village, das ich vom Sehen kannte, stürzte auf mich zu und schlang ihre dünnen Arme um mich. Schon ziemlich angetrunken, legte sie ihren Kopf an meine Schulter, und ich versuchte den Rhythmus von Eloise zu finden. Das war nicht so einfach. Zum einen hatte ich meine Gitarre in der Hand, zum anderen hing das Mädchen wie Blei an mir. Sie hob den Kopf, lächelte, und genauso plötzlich wie sie mich eingefangen hatte, ließ sie mich los und hängte sich an den Jungen, der sich gerade an uns vorbeizwängte.

       »Da bist du ja«, sagte Matthew und strich sich die blonden Strähnen aus der Stirn.

      Ich zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, ich dreh durch. Mutters Freund hat uns so lange warten lassen. Ich glaube, er war auch nicht gerade begeistert, als er hörte, dass er mich hier absetzen sollte.«

      »Wollen wir?« Ich nickte und folgte Matthew zum Klavier. Im Vorbeigehen nahm er die Nadel von der Schallplatte und fragte in die Runde, wo seine Schwester Peggy sei.

      Sie war sechzehn geworden. Zu diesem Anlass hatten Matthew und ich tagelang unser Geburtstagsständchen einstudiert. Den Song Birthday vom Weißen Album.

      Peggy unterhielt sich im Durchgang zur Küche tuschelnd und kichernd mit ihrer deutschen Freundin Mona, die einen Rock trug, der kaum breiter als ihr Gürtel war. Die neugierige Mona, die aus einem kleinen Kaff in der Nähe stammte, und von der Matthew behauptete, sie sei scharf auf mich. Mona interessierte mich nicht die Bohne. Julia hatte mir geschrieben, dass sie mit ihrer Mutter womöglich bald für immer aus Rom zurückkommen würde. Das behielt ich für mich.

      »Hey, träum