Das Erbe von Tench'alin. Klaus D. Biedermann

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Название Das Erbe von Tench'alin
Автор произведения Klaus D. Biedermann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783937883830



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ihr wäre es im umgekehrten Fall nicht anders gegangen.

      »Erstaunlich, wie gut sie erhalten sind, wirklich sehr erstaunlich«, war sein erster verblüffter Kommentar gewesen.

      Er hatte Nikita die Pläne hingehalten.

      »Können Sie sich erklären, warum der Text fast ausschließlich in Latein geschrieben wurde? Sagten Sie nicht, dass der Erfinder in Frankreich gelebt hatte?«

      »Ja, das stimmt, bevor er hatte fliehen müssen. Ich hatte im Boot die Gelegenheit gehabt, kurz hineinzuschauen. Latein wurde damals von nur sehr wenigen Menschen verstanden, vielleicht war das der Grund.«

      Sie hatte ihm noch gesagt, dass sie sich zunächst auch über den guten Zustand der Pläne gewundert hatte. Das hatte natürlich nur für den ersten Moment gegolten, an dem sie diese aus einer der Truhen der Gewölbe der Burg Gisor entnommen hatte. Später hatte sie ja dann eine Erklärung dafür bekommen.

      Sie hatte allerdings bezweifelt, ob ihr Chef in dem Moment etwas damit hätte anzufangen gewusst, und so hatte sie für sich behalten, dass die Krulls dafür verantwortlich gewesen waren. Vielleicht würde sich ja später die Gelegenheit ergeben, mit ihm ausführlicher darüber zu reden. In der Empfangshalle der Firma war dann Mal Fisher, ihr oberster Boss, mit großem Begleiterstab und ausgebreiteten Armen auf sie zugekommen.

      »Sehr verehrte Frau Ferrer, ich heiße Sie herzlich ... zu Hause willkommen. Wir sind alle dermaßen begeistert von Ihrem Mut und Ihrem Einsatz, dass man dies in Worten kaum ausdrücken kann. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte geschrieben und der Menschheit unter Einsatz Ihres Lebens einen großen Dienst erwiesen. Wir sind Ihnen zu ewigem Dank verpflichtet und wir sind uns bewusst, wie ehrenvoll es ist, Sie in unseren Reihen zu haben.«

      Dabei hatte er Nikitas Hand gehalten, als wolle er sie nie mehr loslassen, und ein Kamerateam der PR-Abteilung hatte alles gefilmt. Für einen kurzen Moment hatte Nikita überlegt, ob sie bei Mal Fischers Worten zu Hause nicht ein spöttisches Zucken in seinen Mundwinkeln gesehen hatte und ob sie nicht gleich einen Eimer brauchen würde, um den ganzen Schmalz auffangen zu können, der aus den Worten und Gesten ihres Chefs getroffen war. Jedenfalls hatte er es sich später nicht nehmen lassen, ihr persönlich die extra für dieses Projekt neu eingerichteten Räumlichkeiten zu präsentieren.

      »Hier können Sie schalten und walten, Frau Ferrer. Sie haben alle Freiheiten, wenn Sie irgendetwas brauchen, wenden Sie sich bitte direkt an mich. Kosten spielen da keine Rolle.

      Was möglich ist, werden wir möglich machen, dafür verbürge ich mich. Ich möchte Sie aber jetzt nicht weiter aufhalten, Sie wollen sicher gleich an die Arbeit gehen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie gespannt ich auf das Ergebnis bin. Es wird unsere Welt verändern!«

      Das hatte er laut gesagt. Dann beugte er sich zu Nikita und flüsterte: »Die Medien sind im Haus. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich später für ein erstes Interview zur Verfügung stellen könnten. Wir werden mit der ganzen Geschichte an die Öffentlichkeit gehen. Machen Sie sich auf einen gehörigen Rummel um Ihre Person gefasst. Sie werden als Heldin gefeiert werden.«

      Er hatte gelacht und ihr auf die Schulter geklopft. Kurz darauf war er in einem der Aufzüge verschwunden und hatte eine Nikita zurückgelassen, die seine Begeisterung über den Medienrummel so gar nicht teilen konnte.

      Professor Rhin war glücklich. Es hatte sich alles so gut gefügt. Nikita Ferrer war gesund und sogar sichtlich erholt aus der Alten Welt zurückgekehrt. Ausgeglichener, wie er fand ... und irgendwie strahlender. Alle Risiken hatten sich gelohnt. Jetzt besaß er einen wahren Schatz. Natürlich war ihm klar, dass er ihm nicht gehörte, nicht im üblichen Sinn des Wortes. Das Wertvolle für ihn war, dass er es sein würde, der diesen Schatz heben würde. Das Myon-Neutrino-Projekt, dieser Zauber, der die Energieprobleme für alle Zeiten lösen würde ... jetzt müsste man es nur noch realisieren. Anfangs hatte er, nach ersten flüchtigen Blicken auf die Zeichnungen, die Zahlen und die Textteile in lateinischer Sprache, auf Bögen, die in erstaunlich gutem Zustand waren, keinen Zweifel daran gehegt, dass sich die riskante Reise seiner jungen Mitarbeiterin gelohnt hatte. Noch in dem Firmenhelikopter, der sie nach Bushtown zurückgebracht hatte, hatte er seine Neugierde nicht zügeln können. So etwas hielt man nur einmal im Leben in Händen. Dass dadurch dem Unternehmen enormer Reichtum erwachsen würde, war für ihn zweitrangig.

      Er kam mit seinem Gehalt bestens aus und außerdem brauchte er nicht viel. Sein Leben bestand aus seiner Arbeit.

      Er hatte seiner jungen Mitarbeiterin Nikita Ferrer nach deren Ankunft zwei oder drei Tage freigeben wollen, nicht zuletzt um sich selbst zunächst in Ruhe einen genaueren Überblick verschaffen zu können. Sie sollte sich erst einmal ausruhen.

      Aber sie hatte gemeint, sie hätte in dem U-Boot genügend Zeit zum Ausruhen gehabt und außerdem seien die letzten Tage wirklich alles andere als anstrengend gewesen. Genau wie auf der Hinfahrt sei sie dermaßen verwöhnt worden, dass sie sich wie eine Prinzessin vorgekommen sei, hatte sie dann noch lachend hinzugefügt. Nein, jetzt wolle sie auch möglichst schnell mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Sie würde ihre Eltern besuchen, eine Freundin treffen und nach ihrer Wohnung schauen. Danach wäre sie wieder voll einsatzbereit und selbstverständlich ebenfalls unendlich neugierig.

      Natürlich hatte er nichts dagegen einzuwenden gehabt, er konnte einen klugen Kopf an seiner Seite immer gebrauchen, besonders jetzt. Vor allen Dingen war er auch an dem interessiert, was sie noch alles erlebt hatte. Die Kommunikation zwischen ihnen während Nikitas Reise war eher spärlich geblieben.

      Sie hatte nur ab und zu das Nötigste gemeldet, aber ihm war inzwischen klar geworden, dass seine Mitarbeiterin wesentlich mehr erlebt hatte.

      In den folgenden Stunden hatten die weiteren Sichtungen der Myon-Neutrino-Pläne noch mehr Anlass zur Hoffnung gegeben. Der ganze Aufwand schien sich gelohnt zu haben und seine anfänglichen Befürchtungen wegen des Vertragsbruches waren in den Hintergrund gerückt.

      Er hatte sich mehr als einmal gefragt, warum Wissenschaftler späterer Jahrhunderte auf der Suche nach Energieressourcen ihren Forschungen über die ungeladenen kleinen Partner der geladenen Leptonen den gleichen Namen gegeben hatten. Warum kam jemand bereits ein paar hundert Jahre davor genau auf diese Bezeichnung? Hatte dieser Jemand vielleicht eine Vision gehabt und diese mit seinen Ideen, der Energiegewinnung aus dem Äther, vermischt? Unbewusst natürlich. Solche Gedanken hatte sich der Professor nicht erst auf dem Rückflug von Southport gemacht.

      Für dieses Projekt, das höchste Priorität besaß, hatte man ein neues Labor mit angrenzender Halle für den Bau der Maschine zur Verfügung gestellt. Abseits seiner anderen Räumlichkeiten und noch besser gesichert. Hier hatten zunächst nur er selbst, Nikita Ferrer und natürlich Mal Fisher Zutritt. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer quadratischer Tisch, auf dem die Pläne fein säuberlich ausgebreitet von durchsichtigen Klebestreifen gehalten wurden.

      »Haben Sie davon gewusst, Herr Professor?«, hatte Nikita auf einmal gefragt und dabei nicht aufgeschaut. Sie waren alleine gewesen.

      »Gewusst? Was soll ich oder ... wovon soll ich gewusst haben, Nikita?«

      Er hatte zu der Stelle der Zeichnungen geschaut, die Nikita offensichtlich im Auge hatte. Aber darum ging es ihr nicht.

      »Dass ich eine Walk In bin und dass ich mich erinnern würde.

      «Sie hatte ihn fragend angeschaut.

      »Nein, das habe ich nicht«, hatte er ihr geantwortet und sich aufgerichtet. Das Gespräch drohte, in gefährliches Wasser zu driften.

      »Ähm ... zunächst wusste ich es wirklich nicht.«

      Und damit hatte er die Wahrheit gesagt.

      »Mir war zwar bekannt, dass es so etwas geben soll ... also Menschen, die sich an ihre früheren Leben erinnern können ... aber offen gestanden ... geglaubt habe ich das nicht. Ich hatte das im Bereich Märchen oder esoterischer Spinnereien abgelegt.

      Bis ich dann eines Besseren belehrt worden bin. Als ich Ihnen den Auftrag erklärt hatte, wusste ich es ... aber so richtig überzeugt war ich selbst da noch nicht.«

      Er