Название | Das Erbe von Tench'alin |
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Автор произведения | Klaus D. Biedermann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783937883830 |
Jared hatte beim Hereinkommen kurz die Gelegenheit gehabt, einen Blick aus einem der hohen schmalen Fenster zu werfen, die das Drachenfenster flankierten. Dabei hatte er festgestellt, dass man weit in das Tal über einen sich durch Wiesen und Felder schlängelnden Fluss bis hin zu den Wäldern sehen konnte, die, wie er wusste, ebenfalls zu Haldergrond gehörten. Dann war sein Blick für einen kurzen Moment an der Darstellung des Drachen haften geblieben.
»Unser Schutzpatron«, hatte die Äbtissin leise erklärt. Mehr hatte sie dazu nicht gesagt, denn sie hatte Jareds gerunzelte Augenbrauen durchaus bemerkt.
Adegunde musterte den Farmer aus ihren klaren dunkelgrünen Augen, die ihn an einen ruhigen Waldsee erinnerten.
»Bitte bedienen Sie sich, das Wasser stammt aus einer unserer Heilquellen.«
Dabei hatte die Äbtissin auf den Krug gedeutet und Jared schenkte sich ein Glas voll ein und kostete. Es schmeckte ein wenig süßlich.
Er hatte zuvor in seinem Gästezimmer, dessen komfortable Ausstattung ihn überrascht hatte – von einem Kloster hätte er anderes erwartet – eine ausgiebige Dusche genommen und in seinem Rucksack sogar noch ein frisches Hemd gefunden.
Schon nach dem Überschreiten der alten Zugbrücke, die in das Innere Haldergronds führte, hatte er das Gefühl gehabt, eine völlig andere Welt zu betreten. Als er dann vor dem Gebäude gestanden hatte, in dem er die Äbtissin treffen sollte, war er aus dem Staunen fast nicht mehr herausgekommen.
Sieht aus wie ein Palast, die haben hier wirklich an nichts gespart, hatte er gedacht.
Adegunde schien über seinen Besuch nicht sonderlich überrascht zu sein und er hatte auch nicht lange warten müssen, um zu ihr vorgelassen zu werden. Sie hatte ihm auf seine Bitte hin absolute Vertraulichkeit zugesichert. Das Wesentliche war bald erzählt und sie hatte ihm gerade bestätigt, von der Existenz des Tals zu wissen. Für sie schien es das Normalste der Welt zu sein.
»Dann sind Sie wahrscheinlich der einzige Mensch in ganz Flaaland, der es kennt«, fuhr Jared, dem es zunehmend unbehaglich wurde, fort. Er fühlte sich von dieser Frau, deren Alter er auch nicht nur annähernd einschätzen konnte, auf einen Prüfstand gestellt, ohne zu wissen, was genau geprüft wurde. Sie sprach langsam, machte zwischen den Sätzen Pausen und beobachtete ihn währenddessen hinter halb geschlossenen Lidern durch ihre langen Wimpern hindurch. Sie schien vollkommen in sich zu ruhen. Diese Frau imponierte ihm, war ihm aber auch ein wenig unheimlich. Er konnte in diesem Moment nachvollziehen, dass sich so viele seltsame Geschichten um sie rankten.
Von dem, was er bisher von Haldergrond gesehen hatte, war er mehr als beeindruckt, denn so gewaltig hatte er es sich nicht vorgestellt. Dagegen war Raitjenland ein kleiner Bauernhof, wie er neidlos feststellen musste, obwohl die Farm mit 250 Hektar bei Weitem die größte in der Provinz Winsget und weit darüber hinaus war.
»Nein, ich bin nicht der einzige Mensch, der von diesem Tal Kenntnis hat. Viele meiner Mitschwestern waren ebenfalls schon dort, die meisten von ihnen leben bedauerlicherweise aber nicht mehr ... vielleicht gibt es auch noch mehr Menschen, die es kennen. Ich weiß das nicht. Früher haben wir dort unsere Heilkräuter gefunden und das Gelübde abgelegt, den Weg als Geheimnis zu hüten.«
Die Äbtissin hielt für einen Moment inne, bevor sie erklärte: »Inzwischen bauen wir die meisten dieser Pflanzen in unseren eigenen Gärten an, obwohl sie sicher nicht ganz die Qualität erreichen. Der Weg in dieses Tal ist sehr lang und beschwerlich ... natürlich nicht für einen Mann wie Sie.« Sie machte erneut eine Pause. »Ich bewundere Ihren Mut, Jared, ich darf Sie doch Jared nennen, Herr Swensson?«
»Ja, das dürfen Sie.«
»Es gibt ... Geschichten über dieses Tal ... sicher haben Sie davon gehört«, fuhr die Äbtissin jetzt mit leiser Stimme fort, wobei sie ihre Augenlider wieder halb geschlossen hatte.
Hat sie überhaupt ihren Mund bewegt?, fragte sich Jared. Und wem gegenüber haben sie wohl dieses Gelübde abgelegt?
Er traute sich nicht, diese Frage laut zu stellen. Stattdessen nickte er schwach und erwiderte: »Ich weiß, meine alte Kinderfrau hat sie meinem Sohn oft genug erzählt und ... und mir wahrscheinlich früher auch. Bisher hielt ich solche Erzählungen für ... na ja, für Ammenmärchen ... inzwischen bin ich mir da allerdings nicht mehr ganz so sicher«, räumte er ein und lächelte verlegen.
»Sie hätten Vrena mehr vertrauen sollen, Jared.«
Hatte er den Namen seiner Kinderfrau erwähnt? Er war sich sicher, dass er das nicht getan hatte. Woher kannte also diese merkwürdige Frau den Namen seiner Amme?
»Es tut mir leid um Ihren Sohn, aber er hätte dieses Tal nicht betreten dürfen, Jared. Vrena hat ihm sicher erzählt, dass ... nun, dass es verboten ist«, sagte Adegunde jetzt, ohne ihm viel Zeit zum Nachdenken zu lassen. War da eine gewisse Strenge in ihrer Stimme aufgetaucht oder hatte er sich die bloß eingebildet? Und konnte es sein, dass ihre Augen für einen Moment, einen sehr kurzen Augenblick nur, rot aufgeleuchtet hatten? Wahrscheinlich nur eine Lichtspiegelung, beruhigte er sich sogleich.
»Hat er deswegen mit seinem Leben bezahlt? Er hat dieses Tal durch Zufall gefunden, so wie ich auch, da bin ich mir sicher. Kann man ihn dafür bestrafen? Wieso bin ich dann nicht getötet worden? Können Sie mir das sagen? Glauben Sie mir, als ich die Leiche meines Sohnes dort oben zwischen den Felsen gefunden hatte, hatte ich mir das sogar für einen Moment gewünscht.«
»Ich fürchte, deswegen musste er sterben, ja ... nein, ich bin mir sicher, dass das der Grund war. Das Tal wurde streng bewacht, seit Hunderten von Jahren. Sie hatten einfach Glück, dass die meisten der Wächter nicht mehr dort sind, Jared.«
Der Farmer beugte sich in seinem Sessel nach vorne.
»Das konnte mein Sohn nicht wissen ... da bin ich mir sicher. Vielleicht hat Vrena ihm früher einmal davon erzählt, aber inzwischen ist mein Sohn erwachsen und …«, der Farmer hielt inne, weil das Bild des toten Vincent vor seinem geistigen Auge aufgetaucht war und sich seine Augen sofort mit Tränen füllten. Sie rannen ihm die Wangen herab. Er nahm ein Taschentuch aus der Jacke und wischte sie ab. Dann lehnte er sich wieder zurück und schnäuzte sich geräuschvoll.
»Verzeihen Sie … aber ich glaube diesen ganzen …«, hielt er inne, denn er wollte die Äbtissin nicht verärgern.
»Sie wollten Unsinn sagen, nicht wahr? Sie können es gerne als Unsinn betrachten, das steht Ihnen frei, Jared. Sie brauchen sich auch Ihrer Tränen nicht zu schämen. Niemand braucht sich dafür zu entschuldigen, dass er weint«, sagte sie jetzt in einem sanften Tonfall. »Männer, die weinen, beweisen Stärke. Unsere Tränen sind die Perlen der Seele.«
Das hatte er bisher anders gesehen. Das letzte Mal, dass er sich erinnern konnte geweint zu haben, war, als er seine geliebte Akira auf Geheiß seines Vaters wieder in die Freiheit hatte fliegen lassen. Er hatte das Adlerweibchen als Jungvogel in einer halsbrecherischen Aktion aus seinem Horst gestohlen, dann aber liebevoll großgezogen. Und da war er viel jünger gewesen. Nicht mehr ein Knabe, aber auch noch kein Mann. Die Narbe, die sich gut sichtbar über einen Teil seiner Stirn zog, zeugte noch immer von diesem waghalsigen Abenteuer.
Hätten die Hunde sich nicht auf die verzweifelt angreifenden Altvögel gestürzt und sie damit vertrieben, hätte es wesentlich schlimmer ausgehen können.
»Aber warum ist uns dann nichts geschehen, wenn dieses Tal so gut bewacht wird, wie Sie behaupten ... ich meine, dem Freund meines Sohnes und mir?«
»Das weiß ich nicht, Jared, ... ich sagte schon, dass Sie vielleicht einfach Glück hatten und viele der Wächter nicht mehr dort sind.«
Die Äbtissin lächelte. Seltsam, aber er hatte für einen Moment den Eindruck gehabt, dass sie es sehr wohl hätte sagen können. Sie war offensichtlich sehr gut informiert.
»Wer, um Gottes willen, hat das getan? Können