Название | Der Kessel der Götter |
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Автор произведения | Jan Fries |
Жанр | Религия: прочее |
Серия | |
Издательство | Религия: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944180328 |
Die Heiligkeit des Wassers
Wasserverehrung fand in mehreren Formen statt. In den meisten keltischen Ländern wurden heilige Brunnen verehrt. Die Anwohner glaubten an die heilenden Kräfte des Wassers, und sie glaubten auch an die Gottheiten des Ortes. Oft waren es Göttinnen, die mit bestimmten Quellen und Brunnen in Verbindung gebracht wurden. Die La Tène-Leute auf dem Kontinent, in Britannien und Irland identifizierten ihre Flüsse und Ströme oft mit ganz bestimmten Göttinnen. Es gibt zahlreiche Beispiele für diesen Brauch – man denke nur einmal an die Flüsse Wharfe (Verbeia), Boyne (Boand), Shannon (Sinann), die Seine (Sequaner), Yonne (Icauna), Saônne (Souconna), Marne (Matronen), Reuss (Rigusia), Main (Mogons) und so weiter. Das bedeutet, dass der Fluss selbst die Gottheit war, in all ihren Freude spendenden und schrecklichen Aspekten. Die Flussgöttin konnte ein freundliches Gesicht zeigen, aber sie konnte auch verheerende Überflutungen verursachen, Boote versenken und Fischer ertränken. Es ist kein Zufall, dass viele der keltischen Völker glaubten, ihr Fluss verlange einmal im Jahr ein Opfer, damit die Flussgöttin zufrieden sei. Wurde das Opfern vergessen, nahm sich der Fluss selbst welche. Es gibt da ein seltsames Märchen. Fischer am Ufer eines Flusses hörten eine seltsame Stimme, die verkündete: „Die Zeit ist hier, der Mann noch nicht.” Dann erblickten sie einen armen Narren, der wie betäubt vor sich hin wanderte. In einigen Versionen stürzt das Opfer in den Fluss und ertrinkt sofort, in einigen versuchen die Fischer, es aufzuhalten und zu retten – allerdings vergeblich, da es sich bei der ersten bietenden Gelegenheit in den Fluss stürzt. Ich habe Variationen dieser Geschichte in der schottischen Folklore gefunden, in Legenden aus Vorarlberg (Österreich) und an der Kinzig in Hessen. Was unsere Forschungen angeht, sollten wir im Gedächtnis behalten, dass für die Kelten, von denen wir wissen, Flüsse oft, aber nicht immer Göttinnen waren. Spuren heidnischer keltischer Schreine wurden nahe dem Ursprung mehrerer solcher Flüsse gefunden, die zeigen, dass es als klug galt, sich der Göttin da zu nähern, wo sie gute Laune hat und noch jung, frisch und verspielt ist.
Andere wichtige Wasserorte waren die Stellen, wo Flüsse ineinander mündeten; sie spielen später in volkstümlichen Bräuchen eine Rolle. Es ist wahrscheinlich, dass man das Wasser als solches für eine heilige Substanz hielt. Denke nur an Tau, das geheimnisvolle Wasser, das aus dem Nichts heraus erscheint und das von den mittel- und nordeuropäischen Heiden verehrt wurde. Bis zum heutigen Tag besiegeln Bewohner des ländlichen Schottland einen Vertrag, indem sie sich die Hände über einem fließenden Gewässer schütteln; das soll bindender sein als ein schriftlicher Vertrag. In die Hand spucken, ehe man sich die Hände schüttelt, scheint einer ähnlichen Tradition zu entstammen. Und was ist mit den Heilkräften des Osterwassers, das zu Sonnenaufgang am Ostermorgen in vollkommener Stille geschöpft werden muss, eine Tradition, die man in germanisch-keltischen Ländern auf dem Kontinent findet? Viele Kelten legten bemerkenswerte Strecken zurück, um heilige Brunnen und Quellen zu besuchen und dort das Wasser einzunehmen. Auch während der römischen Besatzung ging dieser Brauch weiter. In Bezug auf die Quellenverehrung hatten die Römer mit den Kelten und den Germanen eine gemeinsame Grundlage, so dass sich ihre Kulte problemlos vermischten. Beschäftigt man sich mit den heiligen Brunnen im Rheinland, stellt man fest, dass die Ankunft der Römer die Popularität dieser Orte noch erhöht hat. Während man sich in früherer Zeit mit ein oder zwei kleinen Schreinen begnügte, findet man unter römischer Herrschaft ganze Gebäudekomplexe, viele von ihnen Herbergen, die in der Nähe der segensreichen Quelle entstanden. Die wenigsten heiligen Brunnen Britanniens geben Aufschluss über heidnische keltische Aktivitäten. Nicht etwa, weil sie nicht beliebt gewesen wären, sondern weil die folgenden Generationen, die Römer und die Menschen des Mittelalters, diese Orte so gründlich umbauten und renovierten. Unter römischer Herrschaft finden wir zahlreiche Weiheinschriften für die „Nymphen” eines Ortes. Es handelte sich dabei ursprünglich um die Göttinnen von Brunnen und Quellen; die Römer machten sich nicht die Mühe, sie beim Namen zu nennen.
Nicht nur bei heiligen Brunnen stehen die Tore zwischen den Welten offen, damit man auf die andere Seite hinüber wechseln kann. Auf ähnliche Denkweisen stößt man, wenn man die zahllosen Gegenstände erforscht, die in Flüsse, Seen und Sümpfe geworfen wurden. Von der Schweiz bis nach Schottland weihten Menschen wertvolle Gegenstände, teils alt, teils neu, und warfen sie in die Tiefen. Manche wurden absichtlich zerstört oder beschädigt, wie um ihren Wert in dieser Welt zu verringern, oder um klar zu machen, dass sie nicht mehr von Menschenhand benutzt werden sollten. Ringe, Armreifen, Torques, Schwerter, Schilde, Rüstungen, Helme, Kessel, Trompeten, Münzen… alles wurde dem hungrigen Wasser anvertraut. Man kennt das von vielen keltischen Völkern, aber der Brauch selbst scheint um einiges älter zu sein, wenn man bedenkt, dass in manchen Gegenden neusteinzeitliche Bauern Feuersteinwerkzeuge in Flüsse warfen und die Leute der Bronzezeit eifrig Waffen und ähnliche Güter opferten.
Bronzeamulette aus verschiedenen Gräbern (nach Pauli)
Oberste Reihe: Esslingen, Sirnau. Alle übrigen: Stuttgart, Uhlbach
In Britannien fließen die meisten Flüsse, die solche Opfergaben enthalten, ostwärts. Ronald Hutton schreibt von einem seltsamen Muster, das im Hinblick auf britannische Opfergaben zwischen 1200 und 400 vor unserer Zeit sichtbar wird. In dieser Periode wurden Schilde und Gefässe fast immer in Sümpfen und Teichen versenkt, während Schwerter in Flüsse geworfen wurden. Halsbänder wurden in beiden Orten nicht gefunden. In der mittleren Eisenzeit wurden die Wasserhorte Britanniens weniger populär, während in der späten Eisenzeit (die etwa 100 vor unserer Zeit in Britannien begann) Schwerter durch Kessel als populärste Opfergabe ersetzt wurden und die Zerstörung der Gegenstände vor dem Versenken zum allgemeinen Brauch wurde. Die Opfergabe war etwas, was man teilte; eine Geste des Dankes für den Reichtum oder Sieg, den die Götter geschenkt hatten.
Natürlich bleibt die Frage, wer genau die Opfergaben darbrachte und in welcher Absicht. Warum finden wir verblüffend wertvolle Waffen in Flüssen, wenn im Vergleich dazu so mancher Kriegerhäuptling mit minderwertigen Waffen begraben wurde? Wie sollen wir die Aussagen von Strabo und Diodorus Siculus deuten, die anmerken, dass die gallischen Völker Schätze und Beute, die sie im Krieg gemacht hatten, in Teiche zu werfen pflegen, als Opfergaben für die Götter? Was ist mit den Holzstatuen mit den goldenen Torques, die in den Schweizer Seen (Genf, Villeneuve) gefunden wurden? Oder, um mal eine der ekligeren Opfergaben zu betrachten, welche Bedeutung hatten die Masken, die aus der behaarten Haut von Männerbeinen angefertigt worden waren und die man mit einiger Regelmässigkeit in norddeutschen Sümpfen gefunden hat, aber auch im südlichen (keltischen) Deutschland und in der Schweiz (Rosenheim, Singen und am Chiemsee)? Und, als letzte, aber ganz und gar fiktive Idee, was ist mit König Arthur, der sterbend anordnete, dass sein heiliges Schwert in den See geworfen werden sollte? Es wäre einfach, Opfergaben für Flüsse und Seen zu verallgemeinern, es könnte aber auch in die Irre führen. Obwohl der Brauch weit verbreitet gewesen zu sein scheint, kann er in verschiedenen Ländern durchaus auf verschiedene Weise interpretiert worden sein. In manchen Fällen sind die Gegenstände, die in Flüsse und Teiche geworfen wurden, den in Gräbern gefundenen sehr ähnlich. Könnte der Fluss als eine Art Grab fungiert haben? In dem Fall wäre dann die Asche der Toten schon lange fortgespült worden, während die Grabbeigaben erhalten sind.
Das Einzige, dessen wir uns sicher sein können, ist, dass die Orte, an denen die Unterwelt nah war, bei einer Anzahl von Ritualen genutzt wurde, bei denen Opfergaben irgendeiner Art dargebracht wurden. An jedem dieser Orte ist der Schleier zwischen den Welten sehr dünn. Das trifft sozusagen auch physisch zu – man braucht kein Loch zu graben, man kann einfach etwas hineinwerfen, und plopp – ist es verschwunden. Das gilt übrigens auch für Geisteszustände.