Название | Ernst Kuzorra |
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Автор произведения | Thomas Bertram |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730705728 |
Ob die Kontroverse um Szepans Aufstellung tatsächlich der Grund dafür war, dass Kuzorra, „Deutschlands erfolgreichster Innenstürmer“ (Koch), nicht mehr in die Nationalmannschaft berufen wurde, ist später von Nerz’ Nachfolger Sepp Herberger bezweifelt worden. Herberger, der damals als Verbandstrainer beim Westfälischen Spielverband in Duisburg-Wedau beschäftigt war, erinnerte sich, dass Kuzorra im Dezember 1932 via Presse zu einem bevorstehenden Länderspiel gegen die Niederlande Stellung bezog, was Nerz ihm als Eingriff in seine Kompetenz übel genommen habe. Zudem sei er zu spät zur Spielerbesprechung erschienen - für den in Disziplinarfragen unnachsichtigen Nerz ein unentschuldbarer Affront.
Kuzorra passte es nicht, dass Nerz die Spieler im Nationalteam nicht auf ihren gewohnten Positionen aus dem Verein einsetzte, sondern sie in ein taktisches Korsett zwängte, in dem ihre individuellen Fähigkeiten und Talente nach seiner Ansicht nicht zur Entfaltung kamen. Szepan hatte bei der Weltmeisterschaft 1934 eine ähnliche Kritik geäußert. Er wollte im Halbfinale gegen die Tschechoslowakei nicht als Stopper bzw. Mittelläufer eingesetzt werden, sondern auf seiner vom Verein gewohnten Position auf halbrechts, um das deutsche Angriffsspiel besser ankurbeln zu können. Im September 1931 hatte sich Szepan nach drei Einsätzen im Nationalteam schon einmal zurückgezogen, weil er nicht auf halbrechts hatte spielen dürfen, war aber vor der WM 1934 von Nerz zurückgeholt worden. Erneut stieß er bei Nerz auf taube Ohren, worauMn Deutschland 1:3 verlor und das Finale verpasste. Im Gegensatz zu seinem Schwager wurde er aber weiter nominiert. Das war jedoch kein Hinweis auf die größere sportliche Qualität Szepans, sondern eher ein Indiz für die unterschiedlichen Charaktere der beiden Schalker: kantig und wenig kompromissbereit der eine, anpassungsfähig und umgänglich der andere.
In der Sportpresse war Kuzorras Nichtberücksichtigung in den folgenden Jahren immer wieder ein Thema. So etwa nach einem Spiel zweier deutscher Nationalmannschaften für das Winterhilfswerk im November 1935. SchwarzWeiß mit Poertgen gewann gegen Rot-Weiß mit Szepan 4:2. Unter der Überschrift „Warum Kuzorra nicht dabei war“ zitierte die Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung aus Anlass eines bevorstehenden Länderspiels gegen England in ihrer Ausgabe vom 22. November 1935 einen Artikel des Duisburger Generalanzeigers:
„Auch in Berlin hat man von den ganz hervorragenden Leistungen des Schalker Halblinken Kuzorra gehört, aber auch hier wundert man sich, daß der Schalker nicht einmal zum Kursus bestellt wurde. [...] Zepan fragt: Warum wird mein Schwager nicht berücksichtigt?
Die Antwort darauf gibt um die Mittagszeit der Reichssportlehrer Nerz selbst, als er ungefähr folgendes sagt: Kuzorra hat zu lange pausiert (gemeint sind die Länderspiele), es wäre jetzt ein zu großes Risiko, nachdem man den Stamm der Nationalspieler genau kennt, zum Englandspiel auf Kuzorra zurückzugreifen, womit nicht gesagt sein soll, daß Kuzorra für die Ländermannschaft nicht mehr in Frage kommt.
Soweit die kurze Erklärung des Reichssportlehrers, der im übrigen trotz unserer Vorhaltungen gar nicht glauben kann, daß Kuzorra so schnell geworden sei. [.] Wir sind auch der Meinung, daß, wenn man sich schon so unendlich viel Mühe gibt, die Mannschaft zum Spiel gegen England aufzustellen, man auch einmal Kuzorra wieder hätte unter die Lupe nehmen können - nun, die Leistungen, die Ernst Kuzorra nicht nur in den großen Spielen gegen den Niederrhein und den VfL Benrath an den Tag legte, hätten auch ihn beim Reichssportlehrer Nerz in einem anderen Lichte erscheinen lassen dürfen.“
Deutschland verlor das England-Spiel am 4. Dezember im Londoner White- Hart-Lane-Stadion 0:3. „Es wird abgewehrt, aber es werden keine Tore geschossen“, urteilte die Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung. Die Kritik an Nerz’ Spielsystem, das zu viel Gewicht auf die Abwehr lege, verband das Blatt mit der Frage, was eine Sturmreihe Szepan-Poertgen-Kuzorra hätte bewirken können. Dass bei solchen Empfehlungen an die Adresse des Reichstrainers eine gute Portion Lokalstolz im Spiel war, darf man getrost annehmen.
Ein Jahr darauf nominierte Sepp Herberger, der im September 1936 vom Fachamt Fußball zum Betreuer der Nationalmannschaft bestellt worden war, Kuzorra für ein Länderspiel gegen Luxemburg am 27. September 1936. Da habe ich aber nur dem Sepp zuliebe gespielt. Herberger schätzte der Vollblutfußballer Kuzorra ohnehin mehr als dessen Vorgänger Nerz. Jahre später gefragt, unter wem er sich in der Nationalmannschaft wohler gefühlt habe, musste Kuzorra nicht lange überlegen: Bei Seppel Herberger natürlich. Bei Nerz sollten wir arbeiten, aber wir wollten spielen. Fußball ist doch ein Spiel und keine Arbeit.
Kuzorras Wiederberufung ins Nationalteam dürfte ein Schachzug im Machtkampf zwischen Herberger und Nerz gewesen sein. Letzterer wollte, obwohl er 1936 eine Stelle bei der Reichsakademie für Leibesübungen (vormals Deutsche Hochschule für Leibesübungen) angetreten hatte, unbedingt weiter Chef der Nationalmannschaft bleiben und Herberger lediglich die praktische Arbeit auf dem Trainingsplatz überlassen.
Zwei Jahre später äußerte sich Kuzorra aus Anlass einer überraschenden abermaligen Nominierung für ein Länderspiel (am 20. März 1938 gegen Ungarn, Kuzorra erzielte den deutschen Treffer beim 1:1-Unentschieden) zwar zu seinem fast fünf Jahre zurückliegenden „Rauswurf“ aus der Nationalmannschaft, ging aber mit keinem Wort auf die Kontroverse mit Nerz ein. Vielmehr machte der Schalker Kapitän unterschiedliche Auffassungen über seine spielerischen Qualitäten für die Nichtberücksichtigung verantwortlich und schien mit dem Kapitel Nationalmannschaft abgeschlossen zu haben:
Ich habe mich anfänglich darüber geärgert, daß man mich in meiner besten Form nicht mehr für gut genug hielt, einen Platz in der Nationalmannschaft ausfüllen zu können, aber ich habe mich dann damit abgefunden. Selbst vordrängen werde ich mich jedenfalls nicht. Ich bin schon zufrieden, wenn es ruhig um mich ist und ich meine ganze Kraft auf unsere eigene Mannschaft konzentrieren kann. Sollte man mich aber eines Tages doch noch rufen, wird es natürlich mein ganzes Bestreben sein, auch innerhalb der Nationalelf mein bestes Können für den Sieg der Mannschaft einzusetzen [...],
zitierte die National-Zeitung in ihrem Artikel „Also doch - Herr Nerz!“ vom 19. März 1938 den Schalker Halblinken.
Für das Blatt hatte die Nominierung Kuzorras („diese Meldung lief gestern nachmittag wie ein Lauffeuer durch die Stadt“) zwei Gründe: das anhaltende Mittelstürmer-Problem der Nationalelf und Kuzorras überragende Leistungen in seinem Verein. Schalke 04 hatte 1937 als erste deutsche Vereinsmannschaft: das Double gewonnen und am 19. Mai 1937 mit einem 6:2 gegen den englischen Erstligisten Brentford FC aus London erstmals auch international für Aufsehen gesorgt. Die Partie, die 45.000 Zuschauer in der Glückauf-Kampftahn sahen und bei der Kuzorra mit einem 20-Meter-Schuss an die Unterkante der Latte für den 4:1-Zwischenstand sorgte, hatte sich auch der ehemalige Reichstrainer Nerz nicht entgehen lassen.
Nach seinem zwölften Einsatz in der Nationalmannschaft wies der inzwischen 33-Jährige weitere Einladungen zu Länderspielen zurück. Ob er in späteren Jahren mit der geringen Anzahl seiner internationalen Einsätze haderte? Anfangs sicher, siehe oben, später wohl eher nicht, denn mit dem FC Schalke 04 zu spielen, war ebenfalls zu der Zeit etwas Besonderes.
So brachte es einer der besten deutschen Fußballer seiner Zeit auf lediglich zwölf Länderspieleinsätze.
Zum ersten Mal hatte er den Adlerdress am 20. November 1927 als 22-Jähriger im Köln-Müngersdorfer Stadion getragen. Ich war Schalkes erster Nationalspieler überhaupt. Das Freundschaftsspiel gegen die Niederlande endete 2:2, die beiden Tore für Deutschland schoss Josef Pöttinger vom FC Bayern München, Kuzorra war als Vorbereiter jeweils beteiligt. Im Herbst des darauffolgenden Jahres war er abermals berufen worden und hatte beim 2:0 gegen Norwegen in Oslo seinen ersten Treffer beigesteuert. Sein dritter Auftritt eine Woche später in Stockholm misslang: Die Partie gegen Schweden ging 0:2 verloren. Die Kritiken über