Название | Ernst Kuzorra |
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Автор произведения | Thomas Bertram |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730705728 |
„[...] mit dem Spiel hat Gelsenkirchen und das Industriegebiet sein Spiel gehabt: an keinem Tage wurde besser dokumentiert, wie sehr die Fußballgemeinde hinter der Meisterelf steht. Der Massenbesuch von 15.000 Menschen war ein einziger gewaltiger Protest gegen das seltsame Gebaren des WSV. Hier zeigte es sich, daß der Liebhaber des Fußballspiels nichts, aber auch gar nichts um die verknöcherten, veralteten ,Richtlinien‘ des WSV. gibt“ (TuS, 20.10.1930).
Die in diesen Wochen von den gesperrten Schalkern außerhalb der offiziellen Verbandswettbewerbe ausgetragenen Freundschafts- oder Gesellschaftsspielspiele, etwa am 26. Oktober gegen eine nicht näher spezifizierte „Firmenmannschaft“ (8:1), entwickelten sich zu mächtigen Sympathiebekundungen für den FC Schalke 04 und die gesperrte Ligaelf.
Dass nicht alle den Ausschluss der Schalker verurteilten und stattdessen ihren sich aus der masurischen Herkunft zahlreicher Spieler speisenden xeno- phoben Vorurteilen freien Lauf ließen, belegt ein kleiner Artikel aus der Hamburger Sport-Zeitung, aus dem die Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 5. November 1930 unter der Überschrift „Geschmacklos“ zitiert:
„,Westdeutschland wird auch ohne Schalke bestehen, der Verband erwarb sich ein Verdienst um unseren Sport, als er die edlen Polacken Kuzorra und Szepan hinauswarf!‘ Äußerung eines Herrn August Boise, „der im Norden Ansehen besitzt, oder - hoffentlich - besaß.“
Das in Norddeutschland erscheinende Blatt Turnen, Spiel und Sport stieß ins gleiche Horn:
„Man nehme doch endlich den eisernen Besen und fege diesen Augiasstall aus. Es ist besser, dass einer sterbe, denn dass das ganze Volk verderbe. Der Westdeutsche Verband existiert auch ohne Schalke, und er erwarb sich ein Verdienst um unseren Sport, als er die edlen Polacken Kuzorra und Czepan hinauswarf!“ (zit. nach: Grüne/Schulze-Marmeling, S. 128).
Die vermeintliche Liebe zum Amateursport im bürgerlichen Lager und der Hass auf Migranten aus dem proletarischen Milieu gingen hier Hand in Hand.
Um zu beweisen, dass die gesperrten Spieler keine Profis waren, schlossen Verein und Mannschaft aus Anlass des ersten erwähnten Spieles gegen den Wuppertaler Profiklub 1. FC einen Vertrag, der vom zweiten Schalker Vorsitzenden Münstermann sowie den Spielern Kuzorra, Szepan, Böcke und Sobotka unterzeichnet wurde:
„In dem Urteil der Spruchkammer des WSV vom 26. August 1930 wurden die Spieler der 1. Mannschaft von Schalke 04 zu Berufsspielern erklärt. Das sehr gewissenlose Urteil ist auf Grund veralteter Satzungen und Bevormundungen gefällt, es hat daher nur formale Bedeutung. Ein Fußballspieler gilt erst dann als Berufsspieler, wenn er seinen Lebensunterhalt durch diesen Sport verdient. Das lehnen die so gestraf en Spieler der Schalker Mannschaft mit aller Schärfe ab. Darum ist auch das Spiel gegen den 1. F.C. Wuppertal am Sonntag, den 12. Oktober 1930, in Barmen keine Begegnung von Profimannschafen, sondern ein direktes Gesellschaftsspiel“ (zit. nach: TuS, 13.10.1930).
Am 21. Oktober gehörte die Schalker „Berufsspielerelf“ dennoch zu den Mitbegründern des in Köln gebildeten „Deutschen Professional-Fußballverbands“ (DPF), der eine aus zehn Vereinen bestehende westdeutsche Oberliga mit bezahlten Spielern plante. Um weiterhin eine Verhandlungsbasis mit dem WSV zu haben, distanzierte sich der am 7. September8 auf Wunsch des WSV neu gewählte Schalker „Rumpfvorstand“ (Goch/Silberbach) mit Fritz „Papa“ Unkel als Vorsitzendem sowie Wilhelm Münstermann als Stellvertreter darauMn von der ersten Mannschaft und löste den Vertrag vom 11. Oktober wieder auf. Die Glückauf-Kampftahn war für die Mannschaft fortan „fremdes Eigentum“.
Dennoch wurde der FC Schalke 04 am 16. November aus dem Verband ausgeschlossen. Im Urteil des WSV hieß es:
„Die Verbandsspruchkammer hat dem FC Schalke 04 mit Schreiben vom 17. Oktober 1930 die Frage vorgelegt, ob er bereit sei, die Satzung des WSV zu beachten. Schalke hat am 22. Oktober um 14 Tage Ausstand gebeten. Da auch diese Frist verstrichen ist, wird Schalke bis zur Abgabe dieser Erklärung und bis zur Zahlung der 1.400 Mark Strafe und 200 Mark Kosten aus dem Verband ausgeschlossen!“
Am 25. November hob die Spruchkammer ihr Urteil dahingehend auf, dass nicht der ganze Verein ausgeschlossen wurde, sondern lediglich die erste Mannschaft. Das Problem war, dass Schalke die verhängte Geldbuße in Höhe von 1.600 Reichsmark inmitten der Wirtschaftskrise schlicht nicht bezahlen konnte.
Bereits Ende Oktober war Bewegung in die Berufsspielerfrage gekommen, „denn angesichts der überall geplanten Profivereine und -verbände drohte dem Verband die Kontrolle über die deutsche Fußballgemeinde zu entgleiten“ (Grüne). Sympathiebekundungen aus ganz Deutschland für Schalke 04 taten ein Übriges, um die Verbandsfunktionäre zum Handeln zu veranlassen. Nachdem die laut Amateurstatut zulässigen Spesensätze erhöht worden waren, schien eine Amnestie für die gesperrten Spieler in greiftare Nähe zu rücken. Zudem beschloss der DFB am 26. Oktober auf einer Sitzung des Bundesvorstands vorbehaltlich der endgültigen Beschlussfassung des nächsten DFB-Bun- destages die „Einführung des Berufs-Fußballsports“:
„Der DFB. erklärt sich bereit, das Fußball-Berufsspiel in Deutschland zu kontrollieren und international zu vertreten. [...] Der Bundesvorstand ist für den Erlaß einer allgemeinen Amnestie nicht zuständig, jedoch ersucht der Bundesvorstand das Bundesgericht, die Durchführung von Strafverfahren wegen der bis zum 28. Oktober einschließlich vorgekommenen Verstöße gegen die Amateurbestimmungen [...] auszusetzen.“
„Also eine Umstellung des DFB auf der ganzen Linie“, kommentierte Turnen und Sport am 27. Oktober 1930. Einen Tag später löste sich der Kölner ProfessionalVerband wieder auf, weil er mit der Erklärung des DFB sein Ziel erreicht sah.
Allerdings wurde die Einführung einer Profiliga im deutschen Fußball in den kommenden Monaten in den Gremien von DFB und WSV, der sich als hartnäckigster Verfechter des Amateurideals erwies, so gründlich zerredet, dass der Profifußball in Deutschland wieder in weite Ferne rückte. Es dauerte weitere zwei Jahre, ehe der Bundestag des DFB am 16. Oktober 1932 beschloss, neben dem Amateurfußball künftig auch Profivereine zuzulassen: „Der DFB regelt den Berufsfußballsport.“ Auf einem weiteren Bundestag im Mai 1933 sollte die Kehrtwende noch einmal erörtert werden, doch nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und der anschließenden nationalsozialistischen Machtergreifung war der Berufssport in Deutschland politisch nicht mehr opportun. Die Förderung bezahlter sportlicher Spitzenleistungen auf Kosten der breiten Masse widersprach dem Volksgemeinschaftsideal der neuen Machthaber. Die Nationalsozialisten propagierten „die alten Ideale der deutschen Sportbewegung, freilich in ihrem Sinne. Von der Volksgesundheit zur Wehrertüchtigung war es nur ein kleiner Schritt“ (Bitzer/ Wilting). Der DFB berief den geplanten Bundestag nicht mehr ein, und der Beschluss zur Einführung des Profifußballs wurde nicht umgesetzt.
Ende Oktober 1930 jedoch schien der Berufsfußball unter dem Dach des DFB und der Regionalverbände tatsächlich für kurze Zeit zu einer realistischen Möglichkeit geworden zu sein. Um sich, was die Sperren der Schalker Spieler betraf, Klarheit zu verschaffen, rief Szepan kurzerhand den WSV-Vorsitzenden Constans Jersch in Bochum an und fragte ihn, ob Schalke in absehbarer Zeit mit einer Begnadigung rechnen könne, was Jersch vorbehaltlos bejahte. Worauftin Kuzorra und Szepan - wie sich zeigen sollte, etwas voreilig - ihren Wiener Vertrag lösten, der die oben bereits erwähnte Ausstiegsklausel enthielt: „Haben Sie bis zum 1. November 1930 die Spielerlaubnis für Deutschland bekommen, ist der Vertrag hinfällig.“ Die Spielerlaubnis hatten beide zwar noch nicht wieder, aber offenbar genügte die Aussicht darauf auch den Wienern, um den Vertrag als nichtig zu betrachten. In Wien hätten wir zwar damals schon 1.000 Reichsmark monatlich garantiert bekommen [nach heutiger Kauftraft: etwa 6.600 Euro; zum Vergleich: Ein Kohlen- oder Gesteinshauer verdiente seinerzeit ca. 200, ein Industriearbeiter ca. 190 Reichsmark monatlich],