Die Herren von Glenridge. Heike Ploew

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Название Die Herren von Glenridge
Автор произведения Heike Ploew
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783944145570



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vorstellen? Und das dort ist Connor – der älteste von uns vier Brüdern – und seine Frau Rachel, hier haben wir Malcolm und Lucinda, und das sind Frederick und Katherine. Tja – und das, ihr Lieben, ist sie: die neue Lady McArcher. Brenda. Meine Frau. Sie ist im Moment noch etwas schüchtern – verständlicherweise –, aber ich denke mal, sie freut sich sehr, euch jetzt endlich kennenzulernen; nicht wahr, Brenda?«

      Brenda nickte nur benommen und leckte sich die trockenen Lippen. Vier Brüder.

      Samt Anhang. Und ein Vater. Gab es auch eine Mutter? Heiliger Strohsack! Alkohol – sie brauchte unbedingt noch einen doppelten Whisky, um das hier zu überleben! Jonathan drehte sie noch Stück weiter.

      »Und das, liebste Brenda, ist Miß Gibbons; sie kennst du ja schon. Sie ist der gute Geist des Hauses, unsere Hausdame, Vaters Gesellschafterin, und sie hat mitgeholfen, uns vier Jungs tatkräftig zu erziehen. Und bevor du jetzt irgend etwas sagst, was dir später bestimmt unheimlich peinlich sein wird, würde ich vorschlagen, daß du dich dort auf deinen Platz setzt. Vorher könntest du Miss Gibbons vielleicht in angemessenem Ton bitten, dir die Handschellen abzunehmen. Ich bin mir sicher, daß sie das gerne tun wird!«

      Dann ließ er sie los und nahm in einem der Sessel Platz, ließ sie einfach alleine da stehen; alle blickten sie jetzt abwartend an, mit durchweg unbewegten Gesichtern, die ganze Familie. Und natürlich dieser Drachen.

      Das war sie also – die Familie ihres Mannes, die er bisher mit keinem Wort erwähnt hatte! Die Personen, die ihm, neben ihr selber, am nächsten waren. Wie waren sie? Und vor allem: Warum begegneten sie ihr erst jetzt? Monate nach ihrer Hochzeit?

      Die Männer thronten in tiefen, gemütlichen Ohrensesseln, die drei Frauen dagegen saßen gesittet neben den Sesseln auf noch niedrigeren Hockern, die Beine akkurat zusammengestellt und in den Händen Gläser mit Sherry. Der Hocker neben Jonathan war noch frei, wartete auf sie. Brenda atmete tief durch. Also denn … Es war erniedrigend, keine Frage, und sie gewann den Eindruck, daß – wenn sie jetzt den Raum verließe – keiner sie aufhalten würde und Jonathan sie sofort wieder nach Hause bringen würde. Sie kam sich vor wie in einem Experiment. Ein Bazillus, ganz allein auf einer riesigen Glasfläche, bereit, um unter ein Mikroskop geschoben und untersucht zu werden. Um ihre Bereitschaft und ihre Gefügigkeit zu prüfen.

      Wollte sie das? Oder wollte sie wieder nach Hause, nach Hamburg? Nun, bis jetzt war es doch aufregend gewesen, nicht wahr? Und sie hatte Gefallen an dem Spiel gefunden. Wenn sie jetzt ginge, wäre alles vorbei … würde sie nie erfahren, wie es weitergehen könnte. War es tatsächlich denkbar, daß die ganze Familie …? Nein, das konnte nicht sein – oder doch? Immerhin schienen sie es völlig in Ordnung zu finden, daß der Sohn und Bruder seine Frau von fremden Männern benutzen ließ. Oder wußten sie nichts davon? Na ja … Brenda erinnerte sich, daß sie es eben selbst hinausposaunt hatte; aber das schien keinen hier besonders zu erschüttern. Ebensowenig die Tatsache, daß dieser Drachen – oh Verzeihung: Miß Gibbons natürlich! – sie an einer Leine ins Zimmer geführt hatte. Was war in dieser Familie los?

      Brenda räusperte sich kurz und blickte den Drachen an, kämpferisch, trotzig. Und wuchs in den nächsten Sekunden ein Stück über sich selbst hinaus.

      »Würden Sie mir – bitte – die Handschellen abmachen, Miß Gibbons?«

      Sie hatte den ganzen Rest ihrer Selbstsicherheit zusammengenommen und eine gehörige Portion Ironie dazu, um diesen Satz herauszubringen. Innerhalb von Sekunden hatte sie damit ihr früheres Leben als eigenständiges Individuum aufgegeben. Sie wußte es nur noch nicht …

      Zu ihrem Vorteil mußte man sagen, daß Miß Gibbons nicht im mindesten beleidigt oder triumphierend darauf reagierte. Sie wirkte nun wie eine durch und durch redliche und aufmerksame Hausangestellte, nicht mehr wie eine Gefängniswärterin. Sie nickte, kam zu Brenda und schloß die Handschellen auf; auch die Leine entfernte sie, rollte sie penibel zusammen und verstaute sie in der Tasche ihres Kostüms. Dann schenkte sie sich selbst einen Whisky ein und setzte sich in den letzten der sechs freien Sessel, die gemütlich um den Kamin drapiert waren. Brenda indessen ging steifbeinig zu ihrem Hocker und nahm ebenfalls Platz. Jonathan drückte ihr ein Glas in die Hand, und sie trank den Whisky fast in einem Zug, zum einen, um sich aufzuwärmen, und zum anderen, um ihren rasanten Herzschlag zu beruhigen. Es half ein wenig, nicht mehr ganz so präsent im Mittelpunkt zu stehen. Noch keines der anderen Familienmitglieder hatte ein Wort mit ihr gewechselt; auch bei der Vorstellung hatten sie nur milde lächelnd genickt. Und nun unterhielten sie sich weiter, als sei in der Zwischenzeit nichts gewesen, als hätte man nicht eben noch eine gefesselte Frau zu ihnen geführt und sie in ihre Mitte gesetzt.

      Typisch Briten.

      Wenigstens bin ich nicht mehr nackt, dachte Brenda, obwohl es fraglich schien, ob das so viel schlimmer als dieses ekelhaft kratzende Kleid gewesen wäre. Sie rutschte unruhig auf ihrem Hocker herum. Es wurde warm in dem Salon, und die Hitze des Kamins strahlte auf ihren Rücken; dadurch verstärkte sich das Kratzen noch. Warum mußte sie so etwas überhaupt tragen? Verstohlen blickte Brenda sich um. So nach und nach beruhigten sich ihre angespannten Nerven ein wenig, und ihr fiel auf, daß die Frauen alle das gleiche Kleid wie sie trugen, exakt der gleiche Schnitt und das gleiche Muster.

      Die eine – Brenda glaubte sich zu erinnern, daß sie Katherine hieß – hatte noch kein einziges Wort gesagt und schaute nur auf die linke Hand des Mannes neben ihr, die, nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt, lässig auf der Sessellehne lag. Katherines Kopf hatte sich nicht einmal in der ganzen Zeit gehoben. Ihre langen, braunen Haare hingen glänzend über ihre Schultern, verdeckten den Ansatz eines prallen Busens, der sich unter dem Kleid abzeichnete.

      Lucinda, die Frau von Malcolm, schien vor Energie nur so zu sprühen. Ihr braungebranntes Gesicht wies zahlreiche Lachfältchen auf, sie schenkte Brenda ab und zu ein aufmunterndes Lächeln, aber deren Versuch, dieses Lächeln zu erwidern, fiel zugegebenermaßen etwas kläglich aus. Die Dritte im Bunde, Rachel, unterhielt sich mit dem Laird; ihre tiefe, ruhige Stimme zeugte von Gelassenheit und Ernst, und doch schien sie eher der burschikose Typ zu sein. Brenda wurde es zu langweilig, die Gespräche drehten sich größtenteils um die laufenden Erntearbeiten, sie beugte sich flüsternd zu ihrem Mann hinüber und zupfte ihn am Ärmel.

      »Jonathan, bitte, würdest du mir jetzt mal erklären, was hier …«

      Weiter kam sie nicht.

      »Jonathan!«

      Der alte Herr hatte trotz seines Gespräches mit Rachel Brendas Worte vernommen, und bei seinem Ausruf zuckten alle zusammen, besonders Brenda. Nur Jonathan nicht, er schien damit gerechnet zu haben. Er stand auf, nahm Brenda das Glas aus der Hand und stellte es ab, dann packte er sie am Arm und zog sie, ohne ein Wort zu sagen, aus dem Salon.

      »He, was ist denn? Ich wollte doch bloß …«

      »Halt den Mund!«

      Eingeschüchtert verstummte Brenda. Sie hatte keine Angst, natürlich nicht, aber dieses rigorose Verhalten von Jonathan erschreckte sie doch ein wenig. Er hielt sie eisern fest, durchquerte mit ihr die Eingangshalle, kümmerte sich nicht im geringsten um ihr Gejammer und Gehampel. Unwirsch öffnete er eine Tür, und sie stiegen ein paar Stufen hinab; wieder eine Tür, und Jonathan stieß sie in einen spärlich möblierten Raum. Zaghaft blickte Brenda sich um. Es sah nach einer Art Hauskapelle aus. In der Mitte ein Altar aus grauem Stein, massig und furchteinflößend. Vier Gebetsbänke waren um den Altar drapiert, die Wände waren nackt und kahl bis auf ein paar Kerzen in mächtigen eisernen Leuchtern. Und kalt war es, sehr kalt. Jonathan schmiß die Tür mit einem lauten Knall zu und drückte seine überrumpelte Frau mit dem Gesicht zur Wand, schob das Kleid nach oben, und seine Hand wühlte sich in ihren Schritt, so daß sie überrascht aufquiekte, mit der anderen hielt er sie unnachgiebig fest, sein Mund ganz nah an ihr Ohr gepreßt. Und dann sprach er. Mit dieser leise zischenden, aber dennoch sehr strengen Stimme, die sie so an ihm bewunderte und die ihr jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagte. »Gefällt dir das, mein Liebling? Jaaa, das magst du, nicht wahr? Danach hast du dich doch gesehnt, gib es zu! Nach meiner Hand, die dich packt und sich zwischen deine Beine gräbt. Gib es zu, Brenda – wieso bist du so naß, he? Haben dich die Männer so angemacht, die du mit deinem Mund befriedigt