Название | Die Herren von Glenridge |
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Автор произведения | Heike Ploew |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944145570 |
»Ich will sofort meinen Mann sehen! Holen Sie ihn her!«
Die Frau verdrehte kurz die Augen, seufzte auf – und schon hatte Brenda die nächste Ohrfeige weg.
»Zum letzten Mal: Sie haben hier weder etwas zu befehlen noch zu verlangen. Ich werde Ihnen jetzt die Handschellen abnehmen, und Sie werden das Kleid hier, die Strümpfe und diese Schuhe anziehen, die dort liegen. Entweder tun Sie das freiwillig, oder ich werde Sie dazu zwingen – und glauben Sie mir: In Ihrem eigenen Interesse möchten Sie die zweite Möglichkeit nicht näher kennenlernen!«
Bedrohlich und angsteinflößend baute sie sich vor Brenda auf, und die preßte die Lippen zusammen und drehte sich widerwillig um. So ein … Drachen! Stand da in ihrem grauen Gouvernantenkostüm, mit diesem spießigen, hochgeschlossenem Kragen und den dicken Strümpfen und spielte sich als Gefängniswärterin auf. Brenda kochte vor Wut. Spiel hin oder her, die Grenze war eindeutig überschritten worden. Die ältere Frau arbeitete schnell und gründlich. Sie schloß die Handschellen auf, entfernte das Blechschild und schob Brenda vor eine Kommode, auf der verschiedene Bürsten und Kämme lagen. Sie griff nach einem Fön, schaltete ihn ein und drückte Brendas Kopf nach unten.
»Halten Sie still, junge Lady; je eher wir hier fertig sind, um so näher kommen Sie Ihrem Ziel!«
Mißmutig gehorchte Brenda – und genoß den heißen Luftstrahl auf ihrem nackten Körper. Nachdem die Haare getrocknet und gebürstet waren, durfte sie sich auf das schmale Bett setzen, das in der Ecke stand, und ihre Füße säubern. Dann hielt die Frau ihr die halterlosen Strümpfe und das Kleid hin, half ihr, beides überzustreifen.
»Oh Gott, das kratzt ja ekelhaft, das kann ich nicht …«
»Sie können. Und Sie werden!«
Brenda schlüpfte genervt in die flachen, blauen Schuhe; sie paßten, wie praktisch. Das Kleid war aus einem kratzigen Tweedstoff, dunkelblau und schwarz kariert, die langen Ärmel lagen eng auf der Haut, und der Drachen knöpfte jetzt penibel die vielen kleinen Knöpfe zu, die von der Taille bis zum Hals reichten. Herausfordernd blickte Brenda die Frau an.
»Bekomme ich keinen Schlüpfer?«
Der Drachen verzog keine Miene.
»Das habe nicht ich zu entscheiden.«
Der hohe, weiße Kragen schloß sich beißend eng um Brendas Kehle, und bevor sie noch eingreifen konnte, hatte der Drachen ihr schon einen breiten Ledergürtel um den Bauch geschnallt, ihre Hände wieder auf den Rücken gedreht und die Handschellen angelegt.
»So gefallen Sie mir schon besser, junge Lady. Hübsch sehen Sie aus; die Herrschaften werden begeistert sein!«
Sie lächelte; ihr Gesicht bekam einen hämischen Ausdruck, und Brenda streckte ihr aus reiner Hilflosigkeit die Zunge heraus. Albern eigentlich, furchtbar kindisch, aber Brenda war jetzt alles egal. »Herrschaften«! Was denn für Herrschaften? Wem sollte sie hier vorgeführt werden? Sie hatte genug. Genug von diesem Haus, genug von dessen Bewohnern – und wenn sie endlich ihren Mann sehen könnte, würde sie sofort das Codewort sagen. Schluß, aus – mit diesem Spiel!
Der Drachen reagierte sofort. Klatschend landete ihre Hand im Gesicht der wütenden Brenda.
»Ich sehe schon, mit Ihnen werden wir viel Arbeit haben. Los jetzt, man wartet schon auf Sie!«
Aufgebracht mußte Brenda mit ansehen, wie der Drachen ein einfaches Hanfseil an dem Gürtel befestigte und sie hinter sich her zog wie einen Hund zum Gassigehen. Es ging durch endlos lange Flure und Gänge, Treppen hinauf und wieder hinab, bis sie eine riesige Empfangshalle durchquerten und vor einer Flügeltür anhielten. Brenda war viel zu nervös, um sich umzuschauen, sonst wäre sie sicher vor Ehrfurcht erstarrt beim Anblick des Reichtums und der Eleganz, die sich ihr boten. Die Frau klopfte und wartete ein paar Sekunden, öffnete dann energisch die Tür und führte ihr Anhängsel in einen hochherrschaftlichen Salon. Brenda nahm nichts von diesem Raum wahr; alles um sie herum ignorierend, hetzten ihre Augen suchend umher, und dann sah sie ihn.
Jonathan!
Ihren Ehemann!!!
Man braucht
nichts im Leben
zu fürchten,
man muß nur
alles verstehen.
(Marie Curie)
3
Er stand neben dem flackernden Kamin. Einen Arm lässig auf die Umrandung gelehnt, in der anderen Hand ein Glas haltend, schaute er ihr erwartungsvoll entgegen. Brenda stürzte auf ihn zu, stolperte unbeholfen über die Leine, die der Drachen jetzt losgelassen hatte, und fiel – trotz allem – erleichtert in Jonathans ausgebreitete Arme. Lächelnd fing er sie auf und küßte sie. Hart, sehnsüchtig. Und Brenda vergaß alles in diesem Moment, fühlte nur noch, wie stolz er auf sie war, daß sie es bis hierhin geschafft hatte. Dann schob er sie von sich, sein Blick musterte sie, ganz langsam, von unten nach oben; die prüfenden Augen blieben in den ihren hängen, und Brenda konnte den Schalk in ihnen aufblitzen sehen.
»Du kommst spät, a gráidh; was hat dich so lange aufgehalten?«
Brenda sah ihn entgeistert an. Also das war doch wohl die Höhe!
»Was … was mich aufgehalten hat? Aufgehalten?? Oh, entschuldige bitte, Liebling, aber ich wußte ja nicht, daß die Uhr läuft, während du hier im Warmen sitzt und ich splitterfasernackt versuche, in dieses … dieses – was ist das hier überhaupt? Ach Scheiße, ist ja auch egal – jedenfalls hier ’reinzukommen und dich zu finden und … und …« Sie rang japsend nach Luft. »Sag mal, spinnst du jetzt total? Was hast du Mistkerl dir eigentlich dabei gedacht, mich hier in dieser … dieser Einöde auszusetzen? Und noch dazu nackt und gefesselt? Sollte das vielleicht lustig sein?«
Sie stampfte verzweifelt mit dem Fuß auf.
»Ich renne hier durch die Gegend, praktisch jeder kann mich so … so sehen – und dann muß ich mich auch noch von … von irgendwelchen … Männern erniedrigen lassen, und du … du … du fragst mich, warum ich … also … ich – verdammt!«
Brendas Stimme überschlug sich. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre in Tränen ausgebrochen. Jonathan nahm sie in den Arm, wiegte sie wie ein Kind hin und her und murmelte fremde Laute in ihr Ohr. Jetzt weinte sie wirklich. Froh, alles überstanden zu haben, Kleidung tragen zu dürfen und wieder in seinen Armen zu liegen. Was bis jetzt nur in ihren eigenen vier Wänden stattgefunden hatte, hatte sie nun in der freien Natur erlebt. Warum nahm er ihr denn nicht die Fesseln ab? Sie würde ihn so furchtbar gerne umarmen und sich an ihm festhalten. Aber erst nachdem sie ihm eine runtergehauen hätte!
Stattdessen hielt Jonathan ihr sein Glas an den Mund. Sie roch den lebensgeisterweckenden Duft von Whisky, nahm einen tiefen Schluck und mußte husten, rang keuchend nach Atem. Scharf floß der Alkohol durch ihre Kehle in den leeren Magen, und eine wohlige Wärme breitete sich in ihr aus. Jonathan lächelte mit der Überzeugung eines Mannes, der sich durchaus im Recht sah, und trocknete mit seinem Taschentuch Brendas Tränen.
»Geht es wieder?«
Sie nickte. Jetzt erst wurde ihr bewußt, wo sie sich befanden, und ihr dämmerte, daß sie beim Betreten des Salons flüchtig mehrere Gesichter gesehen hatte.
»Vielleicht könntest du dann mal für ein paar Sekunden den Mund halten und dich wie eine gut erzogene Ehefrau verhalten – wäre das möglich? Dann würde ich dir nämlich gerne meine Familie vorstellen.«
Wie bitte!?
Mit diesen Worten drehte er sie herum, hielt sie unnachgiebig an den Oberarmen fest und beugte sich zu ihr herunter. Familie? Brenda wurde knallrot. Sie hatte nur Augen für Jonathan und ihre Wut gehabt und dabei glatt verdrängt, daß sich noch andere Menschen in dem Raum aufhielten. Gott, wie schämte sie sich! Was mußten die nur von ihnen beiden denken? Jonathan schob