Die Herren von Glenridge. Heike Ploew

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Название Die Herren von Glenridge
Автор произведения Heike Ploew
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783944145570



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… Da ich doch so brav war … Sag mir, wo wir hinfahren … und wieso holt uns ein Chauffeur mit Limousine ab? Jetzt sag schon!«

      »Du bist entschieden zu neugierig … Ich muß mir mal überlegen, wie ich dir das abgewöhne …« Er drückte ihren Körper in eine liegende Position und bettete ihren Kopf in seinen Schoß; dann tastete er mit der Hand hinter sich über die Ablage, nahm die Decke, die dort lag, und breitete sie über Brenda aus.

      »Was hältst du davon, wenn du es dir einfach bequem machst und ein kleines Nickerchen hältst? Wir werden einige Zeit unterwegs sein; ich wecke dich rechtzeitig, und dann erfährst du auch, wohin ich dich entführt habe, okay?«

      Brenda fügte sich und machte es sich auf dem langen Rücksitz bequem. Was soll’s, dachte sie, es ist angenehm warm im Wagen, und ich liege zufrieden und geborgen in Jonathans Schoß.

      Sie würden später reden, ganz bestimmt; jetzt genoß sie erst mal die ungewohnte Freiheit von sämtlichen Eindringlingen und die entspannte Atmosphäre. Und während seine Hände sie liebevoll streichelten, dämmerte sie wie eine schnurrende Katze in einen erholsamen Schlaf hinein.

      Hätte Brenda allerdings – nachdem sie eingeschlafen war – mitbekommen, wie sich lautlos die Scheibe nach unten bewegte und die beiden Männer sich flüsternd und seltsam vertraut unterhielten, hätte dieser Tag vielleicht einen anderen Verlauf genommen. Vielleicht aber auch nicht. Das werden wir wohl nie erfahren …

      Auch wenn es sicherlich in jedem Reiseführer steht, der jemals über Schottland erschienen ist, sei es hier noch mal mit Nachdruck erwähnt: Das Wetter in Schottland ist unberechenbar. Nicht umsonst sagen die Schotten, daß man an einem Tag alle vier Jahreszeiten erleben kann. Nun, der liebe Gott meinte es an diesem Tag Ende Juli wohl besonders gut. Während die Limousine also Glasgow hinter sich ließ, an Stirling und den Trossachs vorbeiraste und hinter Scone Richtung Nordwesten fuhr, rissen die letzten Wolken auf und machten der strahlenden Sonne Platz. Einer Sonne, die so mollig und einladend schien, als wüßte sie, daß ihre strahlende Wärme heute unbedingt noch benötigt werden würde …

      Es ist sicherlich nicht vermessen zu behaupten, daß die Highlands all das enthalten, was Schottland so einzigartig macht. Sie bieten sich dem Betrachter dar wie ein bunter Teppich, der sich zusammensetzt aus saftigen, grünen Flächen, mit Heidekraut bewachsenen Hügeln und tiefblauen Lochs. Sicherlich gibt es in anderen Ländern breitere Täler, tiefere Seen und höhere Berge, aber nirgendwo sonst gibt es diesen Himmel, der durch seine manchmal in Sekunden wechselnden Wetterphänomene eine gerade noch trocken knisternde Fläche in ein taufrisches, schimmerndes Areal verwandelt. Und zwischen all diesen leuchtenden Grüntönen ruhen – wie ein zufälliges Muster – unzählige kleine Dörfer, Weiler und einsam erscheinende Cottages, erbaut aus dem seit Jahrtausenden hier lagernden Gestein. Nicht zu vergessen die vielen Burgen und Schlösser, die eine einzigartige Faszination ausüben auf diejenigen, die sich für die Geschichte dieses Landes interessieren, und die sich einem manchmal liebenswürdig oder majestätisch, oft aber auch beängstigend und mystisch darbieten.

      Je weiter die Limousine gen Norden fuhr, desto dünner war die Landschaft besiedelt. Vorbei an der Stadt Inver und der Tayside verließ sie die A9 bei Struan, und nun ging es weiter auf einsamen Landstraßen, die sich schmal und kurvenreich zwischen den unzähligen Seen auf der einen und moosüberwachsenen Felsformationen auf der anderen Seite dahinschlängelten.

      Und genauso lautlos, wie die Landschaft vorbeizog, glitt auch die Scheibe in der Limousine wieder hoch – das Ziel war erreicht. Der letzte und jüngste Herr von Glenridge brachte seinen wertvollsten Besitz heim in sein Schloß – um ihm dort den Rahmen zu geben, den er verdiente, und ihn bis an sein Lebensende an seine wahre und einzige Bestimmung zu erinnern …

      Seine Küsse weckten Brenda; verschlafen saugte sie sich an seiner Zunge fest und merkte erst dann, daß die Limousine angehalten hatte. Alarmiert fuhr sie hoch, versuchte sich zurechtzufinden, aber um sie herum war alles dunkel. Jonathan hatte ihr eine Augenbinde umgelegt, während sie geschlafen hatte …

      »Sind wir endlich da? Jetzt sag mir schon, wo wir sind – bitte, Jonathan!«

      Doch der prüfte nur sorgfältig den Sitz der Binde; Brenda spürte einen Luftzug, als sich die Autotür öffnete, und fühlte seine Hände, die nach ihr griffen.

      »Jonathan, nein! Bitte nicht! Ich kann doch so nicht …!«

      Aber er zog sie unerbittlich aus dem Auto, und Brenda fügte sich mit einem ungeduldigen Seufzer. Sich behutsam vorwärtstastend, machte sie einen Schritt nach dem anderen, dann durfte sie stehenbleiben. Jonathan legte von hinten die Arme um sie und drückte sie beruhigend an sich.

      »Natürlich kannst du – vertrau mir! Das tust du doch, nicht wahr? Außerdem paßt deine natürliche Schönheit perfekt in diese Landschaft.«

      Ihre Hände umfaßten zitternd die seinen, die auf ihren nackten Brüsten lagen, und sie nickte.

      »Wir sind jetzt am Ziel, und ich bin mir sicher, daß es dir hier sehr gut gefallen wird.«

      Brenda spürte, wie Jonathan ihr etwas um den Hals legte; es fühlte sich an wie eine Kette. Kalt berührte das Metall ihre Haut; etwas Breites, Schweres hing daran, etwas, was jetzt vor ihrer Brust herumbaumelte.

      »Das, was du gleich sehen wirst, Kleines, ist meine Heimat. Hier bin ich geboren und aufgewachsen, hier sind meine Wurzeln. Und auch du als meine Frau gehörst jetzt hierher, genauso wie die Kinder, die du mir schenken wirst.«

      Im nächsten Atemzug waren ihre Handgelenke mit Handschellen hinter ihrem Rücken gefesselt. Brenda zuckte kurz zusammen; sie fühlte seine Lippen an ihrem rechten Ohr, seinen Atem, als er leise und beschwörend flüsterte: »Du brauchst einfach nur geradeaus zu laufen, mo cridhe, gebrauch deinen Verstand und deine Phantasie, ich weiß, daß du es schaffen wirst!«

      Sie spürte kaum mehr, daß die Augenbinde weggezogen wurde; das Sonnenlicht blendete sie, eine Autotür schlug zu, und die Limousine brauste davon.

      Egal

      wie weit

      oder wie unüberwindbar

      der Weg scheint,

      man muß mit dem ersten Schritt

      anfangen.

      2

      Er ließ sie hier stehen!

      Einfach so!

      Das gab’s doch gar nicht!!

      Nachdem Brendas Augen sich an die unerwartete Lichtflut gewöhnt hatten, setzte für einen Moment ihr Herzschlag aus. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Sie stand auf einer kiesbestreuten Auffahrt, hinter sich das Eisentor, das gerade mit dezentem Klicken zufiel. Er hatte sie einfach ausgesetzt. Dazu noch nackt und gefesselt!

      Wo war sie hier bloß? Was war das für ein Anwesen? Wohin führte diese Auffahrt? Ach was, Auffahrt – das war eine gigantische Allee, an beiden Seiten von riesenhaften Bäumen eingegrenzt, irgendwo weiter vorne – sehr weit vorne – konnte Brenda das Mauerwerk eines Hauses durch die dichten Blätter schimmern sehen und die Rücklichter der Limousine, die jetzt abbog und aus ihrem Blickfeld verschwand. Hinter den beiden Baumreihen erstreckten sich gepflegte Rasenflächen, dahinter dann Felder, so weit das Auge reichte. Landmaschinen fuhren über diese Felder, zu weit weg, als daß man das Geräusch der Motoren hätte hören können, aber da erwachte Brenda endlich aus ihrer Starre und rannte aus einem Instinkt heraus zu dem nächsten Baum, versteckte sich.

      Wütend ließ sie sich ins Gras sinken und stampfte mit dem Fuß auf. Verdammt, was sollte das? Wollte Jonathan sie vor aller Welt blamieren? Wie konnte er sie nur so erniedrigen? Eine leise Hoffnung keimte in ihr auf, daß er gleich zurückkommen würde und sie wieder ins Auto einsteigen dürfte. Das war doch wohl alles nur ein Scherz, oder?

      Das Schild. Er hatte ihr ein Schild umgehängt, so ein weißes aus Blech, sie versuchte zu entziffern, was darauf stand, aber das war weder Deutsch noch Englisch. Na bravo.

      Und wie hatte er sie eben genannt? Was bedeutete das alles hier? Brenda