Название | Gulaschpuzzle |
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Автор произведения | Lutz O. Korndörfer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783947373468 |
Es waren Giovannis Frau und Rafaele, die mit Kaffee, Brot und passenden Aufstrichen meine Küche aufhübschten.
»Maria«, stellte sie sich vor. »Wie sieht’s denn hier aus!?«
Sie war klein, drall und auch schwarzhaarig, ein richtiges italienisches Energiebündel. Ehe ich etwas Entschuldigendes erwidern konnte, hatte sie von irgendwoher einen Putzlappen gezaubert und wischte los, während Rafaele die Frühstückszutaten kredenzte.
Wieder ging die Türklingel. Ich kam mir schon vor wie in einer schlechten TV-Soap und schlurfte erneut zur Tür. Es war Boris.
»Wie siehst du denn aus? Kein Wasser? Oder ’ne Leiche in der Badewanne?«
»Jaja, witzig«, nörgelte ich.
»Kommste ausladen?«
»Och Boris, nööö, nich jetzt. Ich hab echt ’n harten Tag hinter mir. Geh erst mal in die Küche und schnapp dir ’n Saft!«
Rafaele entkorkte bereits die erste Weinflasche. In meiner Wohnung war ein Lärm, wie zwei Norbert Pawliczeks zusammen ihn nicht hätten veranstalten können. Giovanni hämmerte an den Rohren, Maria hatte mittlerweile einen Staubsauger entdeckt, und Boris und Rafaele prosteten sich zu. Ich nahm mir einen Kaffee und etwas Gebäck, setzte mich an den kleinen Klapptisch am Küchenfenster und sah hinaus. Jetzt wartete ich nur noch darauf, dass der Freak erschien, mit dem Anliegen, meine Fenster zu bemalen, um dann bei jedem misslungenen Versuch mit dem Kopf eine Scheibe zu zertrümmern. Allmählich machte ich mir Sorgen im Hinblick auf meinen Tagesablauf. Ich hatte eine Verabredung, ich musste einkaufen, ich musste duschen … und eigentlich musste ich auch noch schlafen.
Ich beschloss, mit dem Anstrengendsten anzufangen, und verabschiedete mich kurz von meinen Gästen, um meine Besorgungen zu erledigen. Auf der Treppe kam mir eine ältere Frau entgegen und fragte ein klein wenig echauffiert und mit schneidender Stimme:
»Junger Mann, haben Sie nasse Gartenabfälle in die Altpapiertonne getan?«
»Aber nein, gute Frau, wer macht denn so was?«, entrüstete ich mich solidarisch.
»Sie waren’s also nicht?«
Sie trat bis auf wenige Zentimeter an mich heran. Ich schüttelte den Kopf. Die Dame beäugte mich argwöhnisch.
»Dann wars der Smolarek, die Sau!«, stieß sie plötzlich hervor.
Die Lady machte mir ein bisschen Angst.
»Ich habe auch gar keinen Garten!«, rief ich ihr nach, um jeglichen Verdacht von mir abzuschütteln, und flüchtete auf die Straße. Den Rasenmäher verschwieg ich.
Als ich eineinhalb Stunden später zurück in meine Küche kam, die Maria wirklich auf Hochglanz gebracht hatte, waren bereits zwei Flaschen Wein geleert. Giovanni, der wohl meine Abwesenheit als willkommenen Anlass genommen hatte, eine Kunstpause einzulegen, verschwand in Richtung Keller, auf der Suche nach warmem Wasser in den unendlichen Weiten des Rohrnetzes. Langsam wurde ich nervös. Ohne zu duschen, würde ich zu meiner heutigen Verabredung nur in reichlich derangiertem Zustand erscheinen können.
»Und? Wie is der Job?«, wollte Boris wissen.
»Oh super«, sagte ich »muss viel weggehen und quatschen und trinken.«
Ich wusste nicht, wie viel ich von meiner neuen Tätigkeit erzählen durfte.
Die Eingangstür stand noch offen. Plötzlich lugte ein jüngerer Kerl herein und fragte: »Hallo, ich wohne im Vierten, ist hier auch kein Wasser?«
»Problem ist gleich behoben, trink so lange einen«, erklärte ich ihm die Lage. Er hieß Paul, war Medizinstudent im elften Semester, ziemlich groß, ziemlich blond, und fühlte sich sofort wohl in unserer Küche. Ich warf sämtliche Tagespläne erst einmal über den Haufen und putschte mich mit Kaffee auf.
Als ein Außendienstmitarbeiter des Stromversorgers wegen unserer gewünschten Energienutzung eintraf, war die Kapazität der Küche weitgehend ausgereizt und der Flur musste in den Bereich der Verköstigungszone aufgenommen werden. Giovanni kam zum dritten Mal fluchend aus dem Keller, hatte aber dieses Mal in weiser Voraussicht drei neue Weinflaschen mitgebracht.
»Wieso ist der Strom aus regenerativen Quellen immer noch so viel teurer als Atomstrom? Hab ich früher nur demonstriert, damit ich jetzt arm werde?«, regte ich mich auf, als mir der Strommann die Tarifgruppen erläuterte. Vor lauter Ärger trank ich einen Schluck Wein aus seinem Glas.
»Eigentlich ist Atomstrom ja mittlerweile sehr sicher«, versuchte er mich zu beruhigen, »nehmen Sie doch einen Mix mit zehn Prozent Wasser- und Windenergie.«
»Wissen Sie, was wirklich sicher ist?«, fragte Boris geheimnisvoll, der sich gerade von der Küche zur Toilette durchkämpfte.
»Sich-Erhängen«, prustete er, den Ernst der weltweiten klima- und umwelttechnischen Lage mit Füßen tretend. Ich fing nun doch an, Wein zu trinken.
15 Uhr
Boris und Paul waren einem »Der hat doch nur Saft getrunken«-Zustand schon bedrohlich nahe, Maria und Rafaele räumten ihr Werkzeug zusammen, da sie in den Laden mussten. Giovanni und zwei Männer vom städtischen Wasserwerk versuchten, die zwischenzeitlich komplett zusammengebrochene Wasserversorgung des Hauses wieder in Gang zu bringen. Ich selber diskutierte angeregt mit dem Strommann über Tarif 2G10+ und versuchte, mit Hilfe von weiterer Alkoholzufuhr einen geeigneten Rabatt für uns herauszuschlagen. Natürlich unter Wahrung der ökologischen Ressourcen unseres Planeten. Mein Handy klingelte: Pawliczek!
Der hatte mir noch gefehlt.
»Sach ma Tom, ick hab ja noch was verjessen. ’Ne Frage. Du bist ja nich vorbestraft oder so wat?«
»Ich? Nö. Nich, dass ich wüsste.«
»Det ist jut, Tom. Det waret schon.«
Vorbestraft? Was sollte das? Ich war schon zu angetrunken, um mir diese Frage zu beantworten.
Der Stromverkäufer hatte jetzt den maßgeschneiderten Tarif für uns. Single, zwei Herdplatten, ohne Spülmaschine, und Wochenendheimfahrer – was wir einfach mal so annahmen, in der Tat brauchte ich gerade an Wochenenden kaum Licht. 80 Prozent regenerativ, zehn Prozent Kohle und zehn Prozent Atom. Atom nur, weil mir der mittlerweile erheblich alkoholisierte Strommann hinsichtlich der armen, von der Arbeitslosigkeit bedrohten litauischen Atomkraftwerkmitarbeiter und Familienväter ein schlechtes Gewissen eingeredet hatte. Meine früheren Freunde konnten mich ja zum Glück nicht sehen oder erhielten gar Vertragseinsicht, sonst hätten sie mir sicherlich nachträglich den zwei Quadratmeter großen Atomkraft – Nein danke!-Aufkleber vom VW-Bus gerissen, mich darin eingewickelt und direkt in eine Brennkammer geschoben. Die zehn Prozent Kohle, naja, ein Onkel war Kumpel gewesen, und so musste man in unserer Familie immer was für den Bergbau tun. Und außerdem verschafften uns Giovannis Wein und weitere, unschlagbar einleuchtende Argumente von Boris einen saftigen 20-Prozent-Rabatt, also zahlten wir die Kohle und den Atomanteil im Prinzip gar nicht.
Um kurz nach 17 Uhr 30 dann Jubelschreie aus dem Bad. Giovanni und mittlerweile drei städtische Monteure fielen sich in die Arme und stießen mit 40-Millimeter-Abschlussmuffen an, die mehrmals mit Prosecco befüllt wurden. Wie die Ewings um eine neue Ölquelle, standen wir nun im Bad um den Brausekopf und bejubelten ausgelassen die ersten warmen Wassertropfen. In der Küche wurde mittlerweile Pizza gereicht, ich schnappte mir frische Klamotten und sprang in die Dusche. Kurz darauf klopfte Super-Mario an der Tür.
»Hier is Signorina, will zu dir. Scheene Signorina!«
Er entfernte sich brabbelnd. Na, Helen würde ja einen tollen Eindruck bekommen. Hastig sprang ich in die Klamotten und trat in den Flur. Die Feierlichkeiten hatten sich jetzt bereits bis in mein Flaschenzimmer ausgedehnt. Mittendrin stand Helen. Sie schien das alles zu amüsieren und sie redete mit Paul. Sie war immer noch ziemlich rothaarig und hübsch, nur etwas kräftiger als früher, vielleicht waren es aber auch nur die Klamotten.
»Da bist du ja. Kaum hier und schon Party, ist ja wie früher«, lachte sie mich an.