Название | 3 zu viel für diesen Job |
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Автор произведения | Herwig Silber |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941593 |
»Machen Sie irgendwelche Aufzeichnungen?«, erkundigte sich Marr.
»Nein, es werden weder Bild- noch Tonaufzeichnungen gemacht, vielleicht mit einer Ausnahme, aber darüber informieren wir Sie rechtzeitig.«
»Kriegen wir von Ihnen irgendeine Rückmeldung? Also, ich meine …« Rita Sessinger biss sich auf die Lippe. Am liebsten hätte sie ihre dämliche Frage gleich wieder getilgt, aber Herzberg ging bereits darauf ein, rieb sich insgeheim die Hände.
»Was für eine interessante Frage, Frau Sessinger. Aber schauen Sie, das hier ist kein Verhaltenstraining oder eine Seminarübung. Sie kämpfen um einen attraktiven Job. Ob Sie erfolgreich sind, das hängt von meinem Urteil über Ihre Leistung ab.« Die Klimaanlage zischte giftig in die peinliche Stille. Die Sonne hatte den Giebel umrundet und strahlte mit geballter Kraft in den Raum. Evelyn Skrotzki schlug ihre Beine übereinander, wobei sich eine statische Aufladung zwischen den Falten ihres Rocks knisternd entlud. Der Stoff klebte jetzt wie Leim an ihren Oberschenkeln. Sie zog am Stoff, was zu weiterem Knistern führte. Lauenroth blickte sie von der Seite an, wollte ihr etwas zuraunen, aber Herzberg unterbrach ihn.
»Ich meine, für den Augenblick ist alles Wesentliche gesagt oder haben wir etwas vergessen, Marc?« Der Assistent wirbelte den Kopf herum.
»Die Form der Anrede wollten wir noch thematisieren«, sprudelte es geistesgegenwärtig aus ihm heraus.
»Ja, richtig. Ähem«, Herzberg stupste sich mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze, das Thema betraf einen heiklen Punkt. »Unsere gemeinsame Arbeit wird in diesen zwei Tagen ausgesprochen intensiv sein. Viele Aufgaben erfordern Teamarbeit und eine gewisse Form der Vertrautheit ist bei der Problembewältigung durchaus förderlich. Also rundheraus, was halten Sie von dem Vorschlag, dass wir uns gegenseitig mit dem Vornamen anreden?« Er blickte in erstaunte Gesichter und argumentierte weiter: »Ich habe bisher nur positive Erfahrungen gemacht, womit natürlich nicht gemeint ist, dass wir uns ab jetzt duzen sollten.« Kampen öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Nun?«, fragte Herzberg und sah wachsam in die Runde. »Gibt es Einwendungen? Keine? Gut, dann lassen Sie uns nach der langen Vorrede endlich beginnen. Bitte, Marc, erläutern Sie unseren Teilnehmern die Aufgabe, die im ersten Durchgang zu lösen ist.« Herzberg nahm Platz, um sich betont entspannt in seinem Stuhl zurückzulehnen. Ein bisschen holprig für den Anfang, befand er selbstkritisch, doch spätestens mit Beginn der Rollenspiele würde er die Zügel wie gewohnt fest in den Händen halten.
REISE NACH MÜNCHEN
Lauenroth stand auf, faltete eine Straßenkarte auseinander und heftete sie mit Nadeln an die Pinnwand.
»Meine Dame, meine Herren«, begann er. »Sie wollen mit Ihrem Pörschle oder BMWle von Berlin nach München fahren.« Mit dem Zeigefinger glitt er auf der Karte die Strecke entlang. Pörschle, das ist doch lustig, dachte er sich und fuhr in seinen Ausführungen fort. »Drei Freunde haben davon gehört und sind auf die Idee gekommen, mit Ihnen ein kleines Spiel zu spielen. Für jede von Ihnen richtig genannte Autobahnabfahrt spendieren sie einen Liter Superbenzin. Und damit Sie sich orientieren können, zeigt Ihnen ein digitaler Routenplaner die Strecke mit allen Zu- und Abfahrten, allerdings ohne Ortsbezeichnung. Das heißt, Sie müssen Ihr Gedächtnis schon ein wenig ankurbeln, um den Tank vollzumachen. Aber das fällt Ihnen sicherlich nicht schwer.« Lauenroth verzog den rechten Mundwinkel zu einem verkniffenen Grinsen. »Es gibt noch etwas zu bedenken. Wenn Sie eine Autobahnabfahrt falsch angeben, müssen Sie jedem Ihrer drei Freunde einen Liter Kraftstoff kaufen. Also überlegen Sie besser zwei Mal, bevor Sie sich festlegen.« Lauenroth genoss, dass die Teilnehmer gespannt an seinen schmalen Lippen hingen. »Rita, Sie waren sicherlich längere Zeit nicht mehr auf unseren Autobahnen unterwegs?« Die Angesprochene blickte Lauenroth irritiert an. Sie musste sich erst daran gewöhnen, dass er sie beim Vornamen nannte. »Ich könnte Ihnen eine vergleichbare Strecke in Kanada anbieten, falls Sie das wünschen.« Er tippte die Spitzen der Finger gegeneinander, so dass sich ein Dach formte.
»Oh nein, besser nicht«, entgegnete sie. »Auf Kanadas Straßen kenne ich mich noch weniger aus als hier.«
»Okay, dann wäre auch das geklärt. Die Handhabung des Spiels ist ganz simpel, ich zeig’s Ihnen an den Rechnern.« Lauenroth umrundete geschäftig die Teilnehmergruppe und flitzte zu den durch Trennwände separierten Schreibplätzen. Herzberg übernahm wieder die Sprecherrolle.
»Bevor Sie Marc folgen, möchte ich Sie alle um Ihre Führerscheine bitten.« Er wartete und genoss die erstaunten Gesichter. Mit gespielt vorwurfsvollem Unterton in der Stimme fuhr er fort. »Sie gucken so ungläubig, Harald, Sie werden sich doch nicht ohne Fahrerlaubnis hinters Steuer setzen, um von hier nach München zu fahren?«
»Sie machen Witze, Herr Herzberg.«
»Artur!«, raunte er vertrauensvoll. »Haben Sie keine Fahrerlaubnis?«
»Meinen Führerschein, den wollen Sie jetzt wirklich sehen?«
»Ich bitte darum.« Stein griff zögernd in die Innentasche des Jacketts, zog seine Brieftasche heraus und nestelte widerwillig etwas Graues aus der Plastikhülle. Herzberg faltete das verschlissene Dokument auseinander und prüfte eingehend die Eintragungen. »Nett, das sind Sie?« Herzberg betrachtete das Bild, auf dem ihm ein langmähniger, schmalgesichtiger Bursche entgegenstarrte. »Darf ich das mal den anderen zeigen?«
»Nichts dagegen«, knurrte Stein. Herzberg zeigte den Führerschein herum, die anderen grinsten, dann wandte er sich an Rita Sessinger.
»Die Dame, bitte.« Sie zuckte belustigt mit den Achseln, griff in ihre Handtasche, suchte, wühlte mit ansteigender Intensität in den Fächern.
»Nanu!«, ihr Gesicht erbleichte unter dem zarten Make-up. Sie durchpflügte jeden Winkel ihrer schwarzen Handtasche. »Meine Kreditkarten, das Geld, mein Ausweis, alles ist weg«, zeterte sie. Die anderen blickten unverwandt auf das hektische Treiben. Ein Quäntchen Schadenfreude lag in der Luft, doch nach kurzem Moment begann auch bei den Übrigen die Sucherei. Stein atmete als Erster auf, sämtliche Papiere sowie das Bargeld waren da. Auch Marr fehlte nichts. Kampen dagegen wühlte leise fluchend in den Taschen seines Anzugs.
»Verdammt, meine Brieftasche ist auch weg.«
»Sagen Sie bloß? Gestohlen?«, erkundigte sich Herzberg mit scheinheiliger Betroffenheit in der Stimme. Rita Sessinger hatte ihre Habseligkeiten vor sich auf dem Tisch ausgebreitet und war dabei, fahrig ihren Kalender durchzublättern.
»In der Drehtür des Hotels, da war so eine merkwürdige Gestalt. Hat mich fast über den Haufen gerannt, wegen irgendeiner blöden Einkaufstüte, die er in der Halle vergessen hatte.« Ihre Stimme klang belegt.
»Genau wie bei mir. Wie eine Fledermaus ist der um mich herumgeflattert, hat mich vollkommen konfus gemacht, der Trottel.« Kampen kratzte sich die Wange, dass die Barthaare knisterten.
»Uralt, der Trick. Ablenken, um dem Opfer unbemerkt Wertgegenstände aus der Tasche zu ziehen«, erklärte Marr mit kriminalistischem Scharfsinn.
»Wir müssen sofort die Polizei verständigen«, stöhnte Sessinger.
»Das können Sie uns überlassen. Evelyn!« Herzberg wandte sich an die Sekretärin. »Benachrichtigen Sie die Polizei. Und bitte, informieren Sie auch gleich das Hotelmanagement.« Evelyn Skrotzki nickte. »Wir machen inzwischen weiter im Programm«, erklärte Herzberg geschäftsmäßig.
»Aber, so geht das nicht«, lamentierte Sessinger. »Meine Kreditkarten müssen sofort gesperrt werden. Der Kerl rennt in der Stadt rum und kauft auf meine Rechnung die Geschäfte leer.«
»I wo, Kreditkarten sind gegen Diebstahl versichert. Evelyn wird sich um alles kümmern, machen Sie sich keine Gedanken.« Rita Sessinger sah verzweifelt zu Herzberg auf, der plinkerte vertrauensbildend zurück. »Aber falls Sie die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen wollen, dann nutzen Sie Ihren Joker, dazu ist er ja da.«