Название | 3 zu viel für diesen Job |
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Автор произведения | Herwig Silber |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941593 |
»Was soll denn diese Frage?«, entfuhr es ihr ziemlich lautstark.
»Die müssen leider auch getötet werden, allerdings wegen Altersschwäche.«
»Altersschwäche? Sie haben doch behauptet, der Unfall sei erst vor kurzem passiert.«
»Das stimmt, bezogen auf das braune Pferd, aber die Aufnahmen mit den beiden anderen Tieren wurden bereits vor vielen Jahren gemacht. Marc hat die Filme bearbeitet, um das Material anzugleichen, ist ihm prima gelungen, nicht? Na jedenfalls sind die beiden anderen nun sehr, sehr alt und furchtbar klapprig. Es wäre eine einzige Quälerei, sie länger leben zu lassen.« Rita Sessinger drehte sich weg. »Sind Sie jetzt knatschig, Rita?« Herzberg bemühte sich ernst zu bleiben.
»Ja!«, sie spürte, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich.
»Na, dann atmen Sie erst mal kräftig durch. Bestimmt wollen Sie alle wissen, wie es zu der schweren Verletzung des Braunen kam, ich zeig’s Ihnen.« Herzberg betätigte die Bildsteuerung. Eine neue, bislang unbekannte Szene wurde eingespielt. Nur noch wenige Meter bis zum Hindernis. Der Reiter, ein Kind, saß geduckt im Sattel. Der braune Hengst bohrte seine Hufe in den Boden. Ohne in der Geschwindigkeit nachzulassen oder Muskelkraft zum Absprung auf die Hinterhand zu lenken, prallte das Tier ungebremst in die aufgeschichteten Birkenstämme. Das Bild begann zu wackeln, schemenhaft war zu erkennen, wie sich das Pferd überschlug und der Körper des kleinen Reiters in hohem Bogen über das Hindernis flog. Der Film endete abrupt.
»Der Junge hatte unglaubliches Glück. Außer ein paar Schrammen ist ihm nichts passiert. Aber das Pferd hat schwer gelitten. Wie gesagt, die Tierärzte haben alles versucht, aber da war nichts mehr zu machen.« Herzberg zuckte mit den Schultern.
»Und wer hat das alles gefilmt?«, fragte Marr.
»Die Eltern, alte Bremer Kaufmannsfamilie, die haben die Reitkünste ihres Sprösslings total überschätzt.« Herzberg ließ die Videoleinwand verschwinden und setzte ein Feiertagsgesicht auf. »Kompliment, Rita, ich muss schon sagen, Sie haben eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe.« Sie schwieg, denn ihre Verärgerung war noch nicht ganz verflogen. Herzberg klopfte auf den Tisch. »Jetzt machen wir aber erst mal eine Mittagspause und ich verspreche Ihnen, dass es im nächsten Durchgang ganz friedlich und märchenhaft zugeht.«
»Kann man Ihnen trauen?«, fragte sie mit gespieltem Argwohn.
»Na sicher, habe ich Sie bisher hinters Licht geführt?«
»Aber Sie haben es noch vor?«, fragte sie.
»Ach, kommen Sie«, er zwinkerte ihr listig zu. »Die Episode am Nachmittag handelt von schönen alten Geschichten, Sie können sich schon mal darauf freuen.« Herzberg ging nach vorn, öffnete die große Flügeltür, trat in einer respektvollen Geste beiseite, um die Kandidaten in den Speisesaal zu entlassen.
JEMELJA UND DER ZAUBERER
Nach dem Verzehr von Lendchen in Safransauce schlenderten die Kandidaten zurück in den Aktionsraum. Rita Sessinger plauderte mit Harald Stein über Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt, während Robert von Kampen und Michael Marr sich über die scheckige Betonfassade des Kanzleramtes und in diesem Zusammenhang auch noch über das verkorkste Stummeldach des Berliner Hauptbahnhofs mokierten.
Für Herzberg und Mitarbeiter fiel die Mittagspause aus. Ein Anruf der Werksvertretung und die geplante Mutprobe an der großen Kletterwand in der Mercedeshalle in Charlottenburg war gecancelt worden. Aus Sicherheitsgründen, wie die Geschäftsleitung des Hauses kurzfristig wissen ließ. Insbesondere Lauenroth hatte sich schon auf das Schauspiel gefreut: Marr, die Hosen gestrichen voll an der Steilwand klebend; neben ihm Sessinger mit kalkweißem Gesicht, zitternd an einen der schmalen Vorsprünge gekrallt; über beiden dieser anmaßende Kampen, kopfüber im Fangseil pendelnd, irgendwo dazwischen Stein, der sich vor Angst schlotternd weder vor noch zurück traute. Aber statt in hämischer Vorfreude zu schwelgen, glühten in dem kleinen Büro die Köpfe bei der Suche nach kurzfristigem Ersatz für die geplatzte Aktion.
Rita Sessinger zog sich die Jacke über. Ihr schien die Temperatur, hier im Aktionsraum, deutlich kühler als im Restaurant zu sein. Sie, Stein und Kampen hatten bereits ihre Plätze eingenommen. Nur Marr stand noch hinter seinem Stuhl, vornübergebeugt, die Hände auf die Rückenlehne gestützt.
»Bin richtig gespannt, wie’s jetzt weitergeht. War doch ganz nett bisher, oder?« Die anderen betrachteten ihn wie einen Geistesgestörten. »Von alten Geschichten hat Herzberg gesprochen. Also ich sag mal, da kenne ich auch ein paar schöne Geschichten, über die Scheidung von seiner Frau, Laura Bernadotte. Ob er uns davon ein paar Takte erzählen will?«
»Die Filmschauspielerin?«, fragte Rita Sessinger. »Mit der war Herzberg verheiratet?« Marr rollte bedeutungsschwer mit den Augen.
»Informieren Sie sich nicht im Internet, bevor Sie zu einem Auswahlverfahren gehen? Herzberg war doch mal eine große Nummer als Personaler. Später dann hat man ihn nur noch in den Klatschspalten der Regenbogenpresse zerrissen.«
»Ist das die, die in der Serie Im Nonnenhaus so eine verhuschte Oberin spielt?«, fragte Kampen und schnaufte abschätzig durch die Nase. Marr plumpste auf seinen Stuhl. »Genau! War schon eine üble Geschichte, damals mit der Bernadotte. Ich sag mal, Sex and Drugs and Rock’n’ Roll, die ganze Palette. Hätte ihn fast ins Armenhaus gebracht, unseren …« Wie eine Mausefalle schnappte Marrs Mund zu, als Herzberg unvermittelt in den Saal stürmte. Lauenroth, im Windschatten seines Chefs, schloss leise die Tür und setzte sich artig neben ihn.
»General Motors hat in den 90ern 15.000 Dollar und mehr Tagesgage für Kreativitätsseminare ausgegeben. Und damals war der Dollar noch was wert. Die Verantwortlichen im Konzern hofften, die Leute würden anschließend nur so sprühen vor Geist. War wohl eine ziemliche Fehlinvestition, wenn man rückblickend auf das Ergebnis schaut.« Stein fühlte sich angesprochen.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen. Das Mutterhaus hat eine Jahresproduktion von 8,4 Millionen Autos. GM ist nach Toyota die Nummer zwei auf dem Weltmarkt, weit vor Volkswagen.« Er blieb ganz ruhig, nur seine Augen rollten in den Höhlen. »Wenn im Herbst die neuen Modelle auf den Markt kommen, geht’s nach dem kleinen Sommerloch wieder ganz nach oben. 2009 wird ein richtig gutes Autojahr für uns, da werden manche noch staunen.«
»Worüber, über die durstigen Geländewagen und fetten Pick-ups, die überall wie Blei in den Verkaufsräumen stehen?«
»Ich spreche von Opel! Schauen Sie sich die jüngste Generation der kompakten Fahrzeuge an, da steckt massenweise modernstes technisches Know-how drin.« Das klang jetzt schon etwas lauter. Herzberg winkte ab.
»Wenn Ihr Haus so gut dasteht, dann verstehe ich nicht, weshalb Sie sich ausgerechnet bei einem Zulieferer bewerben? Warum bleiben Sie nicht dort und feiern die riesigen Verkaufserfolge?« Bevor Stein den Mund aufsperren konnte, um nun richtig gegenzuhalten, lenkte Herzberg ein. »Spaß beiseite, Harald, ich kann sowohl Ihnen als auch den anderen garantieren, wer den ausgeschriebenen Job kriegt, der oder die hat das große Los gezogen. Beim Automobil läuft doch früher oder später alles auf den Elektroantrieb hinaus und ich versichere Ihnen, gerade bei der Entwicklung zukunftweisender Radnabenmotoren spielt mein Auftraggeber ganz vorn mit, in der ersten Liga.« Herzberg blickte aufmerksam in die Runde, schob den Zeigefinger unter den Kragen, um am Hals etwas Spielraum zu haben. Mit seiner Provokation wäre er bei Stein fast übers Ziel hinausgeschossen und diese Blöße wollte er sich keinesfalls geben. »Womit wir bereits beim eigentlichen Thema, dem kreativen Mitarbeiter, wären. Leider können Firmen den Wert dieser Humanressource häufig gar nicht hoch genug einschätzen.«
»Humanressource«, knurrte Stein abfällig. »Das ist dieser typische Berater-Slang.« Herzberg ignorierte Steins Einwurf und trat an den Flipchartständer.
»Kennt jemand den Namen Ian Kay?«
»Der Erfinder des Notebooks?«, fragte Marr.
»Genau! Kay beantragte bei seinem Arbeitgeber eine Dusche, Begründung: unter einem heißen Wasserstrahl