Название | 3 zu viel für diesen Job |
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Автор произведения | Herwig Silber |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941593 |
»Hier«, Kampen gab der Sekretärin einen Zettel. »Da stehen die Gesellschaften drauf, von denen ich Kreditkarten habe. Bitte anrufen und meine Karten sperren lassen.« Rita Sessinger zögerte, aber dann schrieb auch sie Visa und Eurocard auf einen Zettel und reichte die Information weiter an Evelyn Skrotzki, die daraufhin aus dem Raum huschte.
»Die Kartennummern habe ich mir nicht notiert. Wer ahnt denn, dass man so dreist beklaut wird.« Herzberg blickte sie aufmunternd an. Sie schluckte, bemühte sich um ein Lächeln, das jedoch ziemlich gequält ausfiel.
»Also dann, auf, auf und frisch ans Werk, allesamt!« Herzberg klatschte in die Hände. Lauenroth hatte zwischenzeitlich die Rechnerstationen hochgefahren und die Funktionsfähigkeit des Spiels kontrolliert. Trennwände verhinderten den Blick auf benachbarte Bildschirme. Lauenroth demonstrierte, wie man mit Maus und Tastatur die namenlosen Abfahrten beschriften konnte.
»Sie haben exakt zwanzig Minuten, dann stoppen wir die Eingabemöglichkeit.« Herzberg blickte auf seine Uhr. »Die Zeit läuft ab … jetzt!« Lauenroth sah den Kandidaten für einen Augenblick über die Schulter, beobachtete, ob alle mit dem Programm zurechtkamen. Dann verließen er und Herzberg gemeinsam den Aktionsraum.
Der Fremde aus der Hotelhalle lieferte die entwendeten Gegenstände, wie vereinbart, im Sekretariat ab. Skrotzki quittierte den Empfang und händigte dem Taschenspieler die Gage aus. Der bedankte und empfahl sich für weitere Aufträge. Nachdem er gegangen war, entnahm Evelyn Skrotzki das Bargeld aus den beiden Portemonnaies, steckte es in Kuverts und versah die Umschläge mit den Namen Sessinger und von Kampen. Ausweispapiere und Kreditkarten beließ sie in den Brieftaschen. Bis auf weiteres sollte kein Kandidat erfahren, dass der Diebstahl nur inszeniert war; derartige »Betriebsgeheimnisse« behielt man besser für sich. Herzberg steckte seinen Kopf durch die Tür.
»Na, hat alles geklappt?«
»Alles klar, Chef, hier sind die Sachen.« Herzberg steckte Brieftaschen und Geldbörsen ein, ging in den angrenzenden Monitorraum, wo Lauenroth bereits Bild und Ton eingeschaltet hatte. Auf einem großen, vierfach geteilten Bildschirm konnte man die Aktionen der Kandidaten verfolgen. Ein eingeblendetes Zählwerk am unteren Bildrand zeigte die jeweils richtigen und falschen Nennungen.
»Das mit dem Qualitätszertifikat war dreist. Fast hätten Sie den Revolver gezückt, um Kampen eine Lektion zu erteilen, stimmt’s?« Lauenroth kicherte und zog dabei ein Gesicht wie ein vergnügtes Ferkel. »Ich muss schon sagen, cool, wie Sie den dann haben abblitzen lassen.« Herzberg ließ sich nicht anmerken, dass Lauenroths Bemerkung ihm schmeichelte. »Warum macht der überhaupt so einen Stress?«, erkundigte sich der Assistent, Herzberg sog Luft in die Lungen.
»Sie haben doch seine Vita gelesen. Der fühlt sich den anderen überlegen, weil er durch den väterlichen Betrieb finanziell gut gepolstert ist. Aber auch der Herr wird ruhiger werden, sehr viel ruhiger.« Herzberg presste die Hacken in die Auslegeware. »Apropos Vita, wo bleiben die Unterlagen von Stein?«
»Ups, das habe ich vergessen, Ihnen zu sagen. Die in der Personalabteilung haben sich für die Panne entschuldigt.«
»Ja und, weiter?« Lauenroth schluckte.
»Der Fischer war nicht da, wollte auch vor Montag nicht mehr in den Betrieb kommen, so hat’s mir jedenfalls die Sekretärin gesagt. Problem bei allem ist, die Bewerbungsunterlagen liegen verschlossen in seinem Panzerschrank, da kommt außer ihm keiner ran.«
»Das heißt, wir kriegen weder einen Lebenslauf noch Zeugnisse von dem Stein?« Lauenroth rutschte verunsichert auf seinem Stuhl hin und her.
»Na ja, die Sekretärin hat gemeint, Dr. Stein sei ein erstklassiger Bewerber und Frau Karrt hätte der Teilnahme ausdrücklich zugestimmt.« Herzberg kratzte sich grimmig die Schläfe. Lauenroth schielte zu ihm rüber. »Am Montag wird alles per Eilboten nachgereicht, das hat man mir in die Hand versprochen.«
»Ein zweites Mal passiert mir so etwas nicht. Nur Kandidaten, die ich vorher begutachtet habe, werden in meinem Auswahlverfahren geduldet. Ich werde eine entsprechende Klausel in die Verträge einarbeiten, erinnern Sie mich bitte daran.« Lauenroth nickte devot. Beide konzentrierten sich wieder auf den Bildschirm. Herzberg warf einen kurzen Blick zur Seite. »Übrigens, ich hab beschlossen, der Revolver bleibt im Koffer!«
»Ach ja, weshalb, wenn ich fragen darf?«
»Dieser Kampen kriegt’s fertig und hetzt mir die Polizei auf den Hals. Und noch was, wir nehmen die Chemiefabrik ins Programm, bekommen Sie das zeitlich hin?«
»Kein Problem, die beiden Trainer warten auf Abruf und das Studio ist sowieso gebucht.«
Auf dem Bildschirm sah man Rita Sessinger, mit einem Gesichtsausdruck seltener Hilflosigkeit, in ihrer Handtasche herumkramen. »Die Hoffnung stirbt zuletzt«, murmelte Lauenroth nicht ohne Häme. »Sehen Sie, klappt alles wie am Schnürchen«, fügte er mit hörbarem Stolz hinzu. Lauenroth hatte das Spiel programmiert, doch Herzberg fand keine Veranlassung, ihn dafür zu loben.
»Auf diesen Taschendieb werden wir zukünftig verzichten. Eine Trefferquote von fünfzig Prozent ist völlig indiskutabel.«
»Aber dass Dr. Stein als Überraschungskandidat dazustößt, konnte keiner wissen, und dass Dr. Marr mit dem Lift aus der Tiefgarage kommt, war auch nicht absehbar«, ereiferte sich Lauenroth. Es war seine Idee, die Kandidaten mit vermeintlichen Diebstählen zu verunsichern, um ihre Nervenstärke zu testen.
»Kein Aber, die Aktion bringt nichts, kostet nur Geld«, erklärte Herzberg barsch; damit war die Diskussion beendet.
Schweigend verfolgten sie das weitere Geschehen auf dem Bildschirm. Stein hatte sich eine Spitzenposition erarbeitet. Sein System, zunächst die großen Städte zu benennen – Dessau, Leipzig, Bayreuth, Nürnberg – und danach die kleineren Orte, trug Früchte. Kampen kannte sich im Fichtelgebirge und Frankenwald ganz gut aus und punktete dort. Die Konzentrationsfähigkeit von Rita Sessinger schien dagegen stark beeinträchtigt, entsprechend mager sah ihr Kontostand aus. Auch Marr konnte nicht überzeugen. Aus Unsicherheit tippte und löschte er Eintragungen in schneller Folge. Kurz vor Ablauf der Spielzeit ging es bei Stein mit den Nennungen nicht mehr voran. Er griff in seine Aktentasche und zog einen flachen, silbern glänzenden Gegenstand heraus. Elektrisiert deutete Lauenroth auf den Bildschirm.
»Der hat da so einen Mini-PC, damit kann man auch Routen planen.«
»Sobald er das Ding einschaltet, lassen wir ihn auffliegen«, meinte Herzberg fröhlich. Man sah, wie Stein das Gerät erst unschlüssig in den Händen hielt und es dann auf den Tisch legte, um es von sich fort zu schieben.
»Hab ich leider vergessen, abzugeben«, brummelte seine Stimme aus den Lautsprechern.
»Da hast du aber noch mal Glück gehabt«, zischte Herzberg.
»Sie haben was gegen den Stein?«
»Gegen ihn persönlich? Nein, wirklich nicht.« Herzberg lachte trocken. Und wieder widmete man sich schweigend dem Bildschirm, wo sich jedoch kaum mehr etwas tat.
Als das Schlusssignal ertönte, aktivierte Lauenroth, nun für jeden sichtbar, die Ergebnisse. Stein hatte einundzwanzig richtige und zwei falsche Benennungen für Autobahnzufahrten beziehungsweise -abfahrten, ergab fünfzehn Punkte (die falschen zählten dreifach und wurden abgezogen). Kampen kam, nach Abzug einer falschen Ortsbezeichnung, auf elf Richtige. Marr und Sessinger unterschieden sich im negativen Ergebnis nicht wesentlich voneinander, in der Summe brachte sie es auf einige Minuspunkte mehr als ihr Mitstreiter.
»Ich darf gleich mehrere Gewinner in dieser ersten Runde beglückwünschen«, verkündete Herzberg beim Betreten des Aktionsraums.
»Mehrere?«, wunderte sich Marr.
»Zunächst einmal hat laut Computerzählung Dr. Harald Stein die höchste Punktzahl errungen und damit umgerechnet fünfzehn Liter Kraftstoff gewonnen. Vielleicht zeigen sich die Verlierer erkenntlich und spendieren dem Sieger heute Abend statt Benzin an der Bar ein Getränk.«
»Würde ich ja, aber wer gibt