Название | 3 zu viel für diesen Job |
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Автор произведения | Herwig Silber |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941593 |
Robert von Kampen begann, ganz zart mit den Fingern auf der Stuhllehne herumzutrommeln. Wann kommt der Mann zur Sache? Er hatte selbst genug Leute eingestellt, um zu wissen, worauf es ankam. Also, bitte, Herr Personalberater, Schluss mit dem Gedöns und jetzt mal Butter bei die Fische.
Herzberg hatte einen Schluck Wasser getrunken und das Glas behutsam auf den Tisch zurückgestellt.
»Ja, und nun sind Sie hier. Jeder von Ihnen hat aufgrund vorliegender Unterlagen die Zulassungsbedingungen mit Bravour erfüllt.« Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken, seine Stimme wurde nun ernst. »Aber, Papier ist geduldig und deshalb führe ich Sie jetzt ins Gelände und da kann es schon mal richtig holprig werden.« Herzberg beugte sich weit über den Tisch. »Warum möchten Sie sich eigentlich beruflich verändern, Frau Sessinger?« Rita Sessinger fuhr zusammen, aber Herzberg war schon beim Nächsten. »Es gibt Gerüchte, Dr. Marr, dass Ihr jetziger Arbeitgeber wirtschaftliche Probleme hat. Wollen Sie die Gelegenheit nutzen, um das sinkende Schiff zu verlassen?« Ehe Marr den Mund zu einer Antwort aufsperren konnte, war Herzberg schon beim Dritten. »Sind es zwischenmenschliche Gründe, die Sie zu einem Jobwechsel veranlassen, Dr. Stein?« Stein schüttelte den Kopf und musste ein wenig schmunzeln. Herzberg vollführte einen kleinen Sprung. »Zu Ihnen, Herr von Kampen, wie würden Sie Ihre größte Schwäche beschreiben?« Kampen lehnte sich betont entspannt zurück. Herzbergs Augen funkelten. »Nun ja, Sie könnten sagen, dass Sie immer so schrecklich ungeduldig sind. Aber nein, Sie sind schlau und wissen, dass diese Phrase viel zu abgedroschen klingt.« Herzberg rümpfte die Nase. »Deshalb bin ich mir sicher, Sie gestehen ziemlich kleinlaut, Ihre größte Untugend bestehe in Ihrer Direktheit, ach je, ach je. Aus Erfahrung wissen Sie, dass es sich besonders gut macht, an seinen Schwächen zu arbeiten. Und deshalb behaupten Sie, sich ab sofort intensiv in die Motivationslage Ihrer Mitarbeiter hineinzuversetzen – um Sie besser zu verstehen. Ganz große Klasse, Herr von Kampen, mir kommen die Tränen bei so viel Verstellung.« Herzberg verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. »Meine größte Schwäche, ich trau es mich kaum zu sagen, ist: schwarze Herrenschokolade. Auch so was habe ich schon zur Antwort bekommen.« Evelyn Skrotzki prustete in ihren Ärmel und Assistent Lauenroth gluckste fröhlich dazu. Herzberg zog mit dem kleinen Zeigefinger das linke Augenlid ein wenig herunter. »Ich bitte Sie, unter uns Pastorentöchtern müssen wir uns doch nichts vormachen. Jeder von Ihnen kennt solche Fangfragen und selbstverständlich haben Sie sich entsprechend präpariert. Deshalb erspare ich uns dieses fruchtlose Geplänkel. Ich werde Sie mit meiner eigenen Methodik überraschen und wir werden viel Spaß miteinander haben, das verspreche ich.« Da sitzen sie und lauern, dachte er. Immer das Gleiche, am Anfang geben sich alle lammfromm, bis der Erste rumzickt und versucht, die Grenzen auszutesten.
»Bevor ich Sie bitte, sich vorzustellen, möchte ich noch etwas zu der Annonce sagen. Sicherlich haben Sie sich gefragt, welches Unternehmen hinter dem Stellenangebot steckt. Ich kann es Ihnen aus Wettbewerbsgründen leider noch nicht sagen. Nur so viel: Es handelt sich um ein sehr innovationsstarkes Unternehmen, das im Bereich zukunftsweisender Antriebstechniken einen erstklassigen Ruf genießt und deshalb in der Lage ist, selbst in Krisenzeiten, hochqualifiziertes Personal einzustellen.« Herzberg sah in die Runde und ließ seine Worte wirken. Ihm war nicht entgangen, dass Marr auf seinem Stuhl hin und her rutschte.
»Ja bitte, Herr Dr. Marr.« Der zuckte zusammen.
»Also ich sag mal, was sind denn das für Wettbewerbsvorbehalte?« Herzberg schmunzelte in sich hinein. Da hatte er bereits am Anfang jemanden erwischt, dem es offenbar an Selbstbewusstsein mangelte. Er ließ sich Zeit mit der Antwort, Marr blinzelte nervös zu ihm rüber.
»Ihre Frage ist durchaus verständlich«, erklärte Herzberg sanftmütig. »Aber mein Auftraggeber bittet um Geduld. Die bevorstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen im Unternehmen erfordern ein Höchstmaß an Diskretion und die Einhaltung dieser Maßgabe gilt ausdrücklich auch für den Kreis der Bewerber.« Prompt gab es Protest.
»Leuchtet mir nicht ein, was Sie da sagen. Ich möchte bitte wissen, wann wir den Namen der Firma erfahren und wann wir mit kompetenten Firmenvertretern sprechen können.« Was bei Marr zu zögerlich klang, dröhnte bei von Kampen eindeutig zu forsch. Laut wurde Herzberg selbst, wenn er wollte, das überließ er niemand anderem.
»Ich will Ihnen das gerne erklären. Zunächst absolvieren die Kandidaten die von mir vorgesehenen Prüfungen. Am Ende des Veranstaltungszyklus gebe ich ein Votum ab, daraufhin erfolgen Einzelgespräche mit der Firmenleitung. Ob Sie nun zu solch einem Chefgespräch eingeladen werden, bestimmen Sie selbst, durch Ihre Leistung, hier im Auswahlverfahren. Also gedulden Sie sich, vielleicht zerbrechen Sie sich völlig unnötig den Kopf. Weitere Fragen?« Herzberg blickte wachsam in die Runde, ob ihn jeder verstanden hatte. Sie waren die Schüler und er verteilte die Noten, das musste von jetzt an klar sein.
»Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Dann beginnen wir jetzt mit der Vorstellungsrunde.« Herzbergs Chamäleonmimik wechselte blitzschnell von gestreng zu sanftmütig. »Herr Dr. Stein, machen Sie uns die Freude und beginnen?« Diesen Dr. Stein betrachtete er als Kuckucksei, das man ihm untergeschoben hatte. Den würde er seinem Auftraggeber, wenn überhaupt, als Allerletzten empfehlen, das war schon mal sicher. Stein richtete sich auf, streckte sein scharfgeschnittenes Kinn vor und begann, mit übertrieben kräftiger Stimme zu sprechen.
»Mein Name ist Harald Stein, ich bin Diplom-Wirtschaftsingenieur, verheiratet und habe drei Kinder. Zunächst habe ich eine kaufmännische Lehre bei der Firma Continental absolviert und nach der Prüfung zwei Jahre dort im Einkauf gearbeitet. Anschließend Studium an der Technischen Universität Berlin, dann fünf Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Blohm. Während dieser Zeit Promotion zum Thema »Kostenoptimierter Einsatz von Verbundwerkstoffen im PKW«. Anschließend war ich bei Opel in der Forschung tätig, danach ging ich für drei Jahre nach Amerika, zu General Motors. Jetzt bin ich wieder in Rüsselsheim und trage die Gesamtverantwortung für das rechnergestützte Transportsystem in allen deutschen Werken.« Herzberg fand leider nichts, was auf den ersten Blick an dem beschriebenen Berufsweg auszusetzen wäre, wenngleich er mit der knappen Vorstellung keinesfalls zufrieden war. Er beließ es dabei, nahm sich aber vor, den Kandidaten in einer ruhigen Minute detailliert und inquisitorisch zu befragen.
»Danke, Herr Dr. Stein, ein bisschen knapp zwar Ihre Darstellung, aber wir werden sicherlich später noch Gelegenheit zum ausführlichen Gespräch haben. Herr von Kampen, bitte, Sie sind dran.«
Assistent Lauenroth nutzte die Vorstellungsrunde, um sich sein Bild von den Kandidaten zu machen. Von Kampen war ihm sofort ins Auge gesprungen. Ein Kerl mit vollem, schwarzem Haar, der an die Einsneunzig heranreichen dürfte. Dazu noch dieser sauber gestutzte Dreitagebart, der ihm eine verwegene Lässigkeit verlieh. Typ Schwiegermutterherzensbrecher, um den sich die Frauen vermutlich rissen wie um ein Perlencollier. Lauenroth seufzte kaum hörbar, denn er spürte Neid in sich aufwallen. Bevor der sich in seinem Gefühlshaushalt einnisten konnte, richtete er seinen