Louis Nicolas Davout. Das Genie hinter Napoleons Siegen. Alain Felkel

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Название Louis Nicolas Davout. Das Genie hinter Napoleons Siegen
Автор произведения Alain Felkel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711448939



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der Nation und den Eid auf die revolutionäre Verfassung.

      Hinzu kam, dass sie die kurz nach dem Bastillesturm in Paris gegründete Nationalgarde verachteten. In ihren Augen war diese neue Kampftruppe nur eine militärisch minderwertige Ansammlung bewaffneter Bürger, die der Armee nicht das Wasser reichen konnte. Vor allem der Kommandeur vor Ort, der Marquis de Broc, machte aus seiner Missbilligung des Föderationsprojekts keinen Hehl und untersagte Offizieren wie Soldaten, sich mit den Nationalgardisten zu verbrüdern.

      Aber weder Davout noch die Mannschaften ließen es sich verbieten, ihre revolutionäre Gesinnung öffentlich zu demonstrieren.

      In einem feierlichen Akt verbrüderten sie sich am 26. April 1790 mit der Nationalgarde von Hesdin, wobei Davout von De Broc sogar den Schwur des Föderationseids forderte, was dieser ablehnte. Indigniert über diese ungeheure Provokation und unsicher darüber, ob die politische Lage es zuließ, mit aller Härte gegen Davout und seine Anhänger vorzugehen, wandte sich der Marquis an Kriegsminister De La Tour du Pin. Dieser reagierte sofort und beschloss am 15. Mai 1790, das Regiment zu verlegen, als ein Brief von der Nationalversammlung in Hesdin eintraf.

      In ihrem Schreiben erklärte diese die Verbrüderung der Nationalgarde mit dem Kavallerieregiment Royal Champagne nachträglich als beispielhaft und richtungsweisend für das ganze Land, was für frenetischen Jubel bei den Soldaten sorgte.

      Davout und seine Anhänger hatten einen ersten Sieg errungen. Doch die Freude über ihren Erfolg verging den Soldaten bald. Nachdem zwei Monate lang ein trügerischer Burgfrieden in Hesdin geherrscht hatte, spitzte sich die Lage am 1. August 1790 erneut zu.

      Den Anlass zu neuem Unfrieden bot die Beförderung eines bei den Mannschaften verhassten, royalistischen Unteroffiziers zum Unterleutnant, was eindeutig gegen das Reglement verstieß. Aufgrund eines Erlasses vom 29. Juli 1790 hatte die Nationalversammlung erst mal alle Offiziersernennungen bis zur Erarbeitung neuer Beförderungsrichtlinien ausgesetzt. Davout protestierte gegen diese Maßnahme, ohne vorerst etwas dagegen ausrichten zu können.

      Die Soldaten murrten, verhielten sich jedoch den ganzen Tag ruhig. Die Lage eskalierte erst anlässlich eines Banketts, welches das Offizierskorps des Royal Champagne der Nationalgarde gab. Um sich für eine vorangegangene Einladung der Nationalgarde zu revanchieren, hatten die Offiziere des Kavallerieregiments die Nationalgardisten zu einem Festessen eingeladen, den mit ihnen verbrüderten Unteroffizieren und Reitern des eigenen Regiments jedoch die Einladung verweigert. Der Affront traf die Mannschaften schwer, zeigte jedoch nicht die erhoffte Wirkung.

      Der Protest der Soldaten beschränkte sich zuerst nur auf lautes Lärmen und Anstoßen auf die Nation. Aber dabei blieb es nicht. Die Reiter bewaffneten sich mit Knüppeln sowie Musikinstrumenten und machten sich einen Spaß daraus, mit entsetzlicher Katzenmusik das Fest ihrer Offiziere zu sprengen. Als diese jedoch ihren Soldaten befahlen, die Störaktionen zu unterlassen, kam es zu Tumulten, die erst spät in der Nacht endeten, wobei die Reiter mehrmals forderten, die Offiziere an der nächsten Laterne aufzuknüpfen.

      Jetzt endlich hatte De Broc, was er wollte. Was sich in dieser Nacht abgespielt hatte, konnte als ein klarer Fall von Meuterei gelten. Der Ortskommandant fackelte nicht lange und schickte zwei seiner Offiziere nach Paris zum Kriegsminister und zu den wichtigen politischen Clubs – darunter die Jakobiner, um die Vorfälle anzuzeigen und um harte Bestrafung der Schuldigen zu bitten.

      Die Entsendung der beiden Boten de Brocs blieb jedoch Davout und seinen Anhängern nicht verborgen. Um den Verleumdungen der Offiziere in Paris entgegenzuwirken, erbat sich Davout Urlaub. De Broc, der genau wusste, weswegen Davout so dringend nach Paris wollte, stellte sich ihm nicht in den Weg. Großzügig gewährte er dem abtrünnigen Unterleutnant zwei Tage, was für die Hin- und Rückreise nach Paris viel zu kurz war. Doch so leicht ließ sich Davout nicht auszutricksen. Er dachte gar nicht daran, nur zwei Tage wegzubleiben. Wenn sein Urlaub Sinn machen sollte, musste er ihn überziehen. Nur so konnte er überhaupt nach Paris reisen und die Nationalversammlung aufsuchen, um ihr seine Version der Ereignisse darzustellen, die zu den Tumulten in Hesdin geführt hatten.

      Davout verließ seine Garnison und erreichte Paris am 5. August. Dort suchte er sofort den Jakobinerklub auf, von dem er sich durch die Fürsprache Robespierres die größte Hilfe versprach. Er betrat die Tribüne gerade, als einer der Sendboten De Brocs, M. D’Aubignan, den Abgeordneten seine Version der Geschehnisse dargeboten hatte. Noch heute dringt die Häme aus dem Brief, den D’Aubignan unmittelbar darauf an seinen Kameraden Vacquier schrieb:

      Davout befand sich unterhalb der Tribüne, um mir, wenn er konnte, zu widersprechen. [...] Er ging auf die Tribüne und war dort nur, um Dummheiten von sich zu geben. Er musste zweimal zur Ordnung gerufen werden und wurde, nachdem er nichts mehr zu sagen wusste, mit Gewalt von der Tribüne gezerrt, wobei er forderte, vom Militärkomitee gehört zu werden. Doch da wartete ich schon auf ihn. Ich war ihm vorausgeeilt und hatte diese Herren schon vor ihm gewarnt: »Er ist da!« Ich bestand darauf, dass er in dieser Sache nicht gehört wurde und dass unsere Sache gut wäre. [...] Er wurde angehört und sagte nichts als Dummheiten.17

      So zumindest die Version D’Aubignans, die Davout als Dummkopf präsentiert. In Wirklichkeit verhielt sich die Situation anders. Nicht D’Aubignan, sondern Davout hatte in der Redeschlacht den Sieg errungen und sich durch sein Engagement und seinen Mut die Achtung der Jakobiner und des Militärkomitees erkämpft.

      Denn hinsichtlich der Vorfälle im Royal Champagne erließ das Militärkomitee ein Dekret, das alle kommenden Befehlsverweigerungen unter Strafe stellte, die Aufrührer des 1. August jedoch amnestierte. Die Königlichen waren am Boden zerstört und hofften, dass der Kriegsminister das Regiment mit Gewalt auflöste, was viele Soldaten ängstigte, da das Regiment ihr Lebensunterhalt war. Schon machten in Hesdin Gerüchte die Runde.

      Aber Davout kannte die Rechtslage und verstand es, in einem Brief vom 13. August seine Kameraden zu beruhigen:

      Letztendlich müsst ihr wissen, dass weder der Minister noch der König selbst das Recht hat, einen Soldaten an der Ausübung seiner Tätigkeit zu hindern oder aus triftigerem Grunde einfach ein Regiment aufzulösen. Ihr könnt euch also beruhigen. Wir sind hier, um eure Interessen zu vertreten.18

      Was die Rechtslage anbetraf, so war Davouts Argumentation schlüssig. Nur in einem täuschte er sich. Seine Kameraden hatten allen Grund, misstrauisch zu sein.

      Mit Kriegsminister De La Tour du Pin hatte sich Davout einen gefährlichen Feind gemacht, der gar nicht daran dachte, sich geschlagen zu geben.

      Mit wahrhaft machiavellischer Energie nutzte der Kriegsminister eine Gesetzeslücke des Dekrets aus, um Davout und die weiteren Unruhestifter des Royal Champagne doch noch kaltzustellen. Im Text des Erlasses fand sich nämlich ein Artikel, der dem König das Recht gab, Soldaten und Offiziere jederzeit aus der Armee zu entlassen, sofern ihre Dienste »nicht mehr angenehm« oder »nützlich waren«. Und genau diese Bestimmung nutzte der Kriegsminister jetzt, um gegen die Aufrührer vorzugehen. Das Einzige, was De La Tour du Pin brauchte, waren eindeutige Beweise, die belegten, dass sich die Meuterer vom 1. August als unangenehme und unnütze Untertanen des Königs erwiesen hatten.

      Diese Beweise wurden schnell erbracht. Mit Hilfe von Bestechungen und Drohungen brachte De Broc mehrere Reiter und Unteroffiziere dazu, 36 ihrer Kameraden zu denunzieren und zu behaupten, dass diese sich gegen ihre Offiziere zu einer Meuterei verschworen hätten.

      Jetzt galt es nur noch, Davout auszuschalten, dann waren die Meuterer führerlos. Zu diesem Zweck befahl der Kriegsminister eigens den Provinzkommandanten von Arras, M. de Biaudos, nach Hesdin.

      Als Davout am 19. August in der Kaserne eintraf, lief er in eine Falle. Ohne ihn überhaupt gerichtlich anzuhören, wurde er sofort wegen unerlaubten Entfernens von der Truppe verhaftet und ohne Gerichtsurteil in ein Verlies der Zitadelle von Arras geworfen.

      Der Kriegsminister konnte zufrieden sein. Jetzt, wo er den Aufrührern ihren wichtigsten Anführer genommen hatte, brauchte er nicht mehr zu fürchten, dass die Meuterer den Offizieren noch gefährlich werden konnten.

      Unter dem Vorwand eines Regimentsappells ließ der Stadtkommandant von Arras am nächsten Tag die Truppe auf dem Rathausplatz