Название | Louis Nicolas Davout. Das Genie hinter Napoleons Siegen |
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Автор произведения | Alain Felkel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711448939 |
Angesichts dieser ungleichen Kräfte stellte sich gar nicht die Frage, den Krieg ernsthaft fortzuführen. Im Gegensatz zu Napoleon sah Davout Frankreichs Chance einzig darin, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, bevor die Alliierten Paris eroberten. Gab es die Aussicht auf einen ehrenvollen Frieden, so musste sie genutzt werden. Und stand Napoleon diesem Frieden im Weg, so musste er aus Paris fortgeschafft werden.
Ganz so einfach war die Sache trotzdem nicht. Davout befielen Skrupel. Zu stark spürte er den Zynismus seiner Mission. Ausgerechnet ihm, der bis dahin als einer der treuesten Anhänger des Kaisers gegolten hatte, oblag es, Napoleon wie einen Hund auf die Straße zu setzen. Waren es Gewissensbisse, die den Marschall quälten? War es Furcht vor Napoleon oder Angst vor dem Makel, mit dem er seine Ehre durch diese in den Augen der Armee verräterische Aktion befleckte?
Davout versuchte, die schwierige Aufgabe gut vorzubereiten. Da er wusste, wie wichtig der Erfolg dieser Mission für Frankreich war, wählte er einen Mittelsmann aus, der Napoleon darauf vorbereiten sollte, nach Malmaison zu ziehen. Seine Wahl fiel auf einen der Adjutanten Napoleons, General de Flahaut, den Liebhaber von Hortense Beauharnais, der Stieftochter des Kaisers. Der jedoch verweigerte sich öffentlich dem Befehl, was zu einer heftigen Szene zwischen ihm und dem Marschall führte, der sich ein derartiges Verhalten nicht bieten lassen wollte.
»Sagen Sie Ihrem Bonaparte, wenn er sich nicht sofort aus dem Staub macht, werde ich ihn festnehmen lassen!«
Bei diesen Worten richtete sich Flahaut, der Freund der Königin Hortense, stolz auf und maß den Marschall, der sich so weit vergessen konnte, mit einem Blick, in dem Verachtung und Mitleid gepaart waren: »Sagen Sie das dem Kaiser selbst, Sie, der Sie doch stets zu seinen Füßen gekrochen sind!«
»Herr, ich bin Ihr Vorgesetzter!«, fährt Davout auf, den gutgezielten Hieb durch Pochen auf die Subordination abwehrend. Es gelingt ihm nicht: »Mein Vorgesetzter? Nicht mehr! Denn bei einer Armee, der Sie angehören, bleibt kein Mann von Ehre!«5
Diese Worte eines scheinbar aufrechten Dieners des Kaisers sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, was ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich Davouts Reaktion anbetrifft. Entgegen seiner Haltung Davout gegenüber sollte Flahaut noch vor Napoleons Abreise nach Rochefort schnell das Interesse an seinem heiß geliebten Kaiser verlieren und bald in die Dienste der Bourbonen treten, um Karriere zu machen.
Indes wäre es auch eines Davout unwürdig gewesen, sich Flahauts zu bedienen, um Napoleon von der Bühne der französischen Politik zu verabschieden. Nein, das Schicksal hatte andere Pläne, die zu einer letzten Konfrontation der beiden einstigen Revolutionsgeneräle führen sollten.
Und so machte sich Davout am 24. Juni 1815 schweren Herzens auf den Weg in den Élysée-Palast. Auf dem Weg dorthin begegnete er Tausenden von Anhängern des Kaisers, die mit grünen Zweigen durch die Straßen zogen und für Napoleon demonstrierten. Was Davout zu hören bekam, bestätigte ihm die Wichtigkeit seiner Mission. Losungen wie »Keine Abdankung! Die Minister sind Verräter! Kammerauflösung! Nieder mit den Bourbonen!« machten die Runde.
Überall zeigten sich dem Marschall gefährliche Anzeichen einer revolutionären Situation, Straßen voller Menschenmassen, aggressive Sprechchöre und der Verfall der öffentlichen Ordnung. Daran änderte sich auch nichts, als es dem Fürsten endlich gelang, zum Élysée-Palast vorzudringen. Als er aus seiner Kutsche stieg, fand er zu seinem Erstaunen im Schlosshof große Gruppen von Offizieren vor, die zum Palast gekommen waren, um den Kaiser noch einmal zu sehen. Dies war ein Anblick, der den Marschall zur Weißglut brachte. Zornig warf er ihnen vor, ihre Truppen im Stich gelassen zu haben, und befahl den Verschreckten, sich bei ihren Einheiten einzufinden.
Dann begab er sich zu Napoleon, der ihn schon erwartete. Hatte der Kriegsminister gehofft, dass der Kaiser ihm seine Mission leicht machte, sah er sich schnell eines Besseren belehrt. Als Davout den Saal betrat, empfing Napoleon ihn kalt und zeigte großen Widerwillen, ihn anzuhören.
Der Marschall ließ sich nicht einschüchtern. Er setzte Napoleon auseinander, dass es zum Wohle Frankreichs besser sei, wenn er als Zeichen seiner Machtentsagung Paris verließe und vorerst zu seiner Schwester Hortense nach Malmaison zöge, wo ihn die Regierung besser schützen könne. Napoleon hörte Davout erst schweigend zu, doch dann gewann sein Stolz die Oberhand. Trotzig deutete er auf ein offenes Fenster, durch das deutlich die Rufe der Straße in die Stille des Palastes drangen.
Hören Sie das Geschrei da draußen? Wenn ich mich an die Spitze dieses Volkes setzen wollte, würde ich schnell fertig mit all jenen Leuten, die erst Mut gegen mich aufbrachten, als sie mich wehrlos wussten. Man will, dass ich weggehe? Gut, darauf soll es mir auch nicht mehr ankommen.6
Napoleon hatte kaum den Satz beendet, als er wütend den Raum verließ, ohne Davout die Hand zu reichen. Nüchtern hielt der Marschall am gleichen Tag das Treffen mit dem Kaiser in seinem Notizbuch fest: »Die Begegnung war eisig, die Trennung noch eisiger.«
Der lapidare Kommentar des Marschalls erscheint auf den ersten Blick um Sachlichkeit bemüht. Aber es ist das Nichtgesagte, die Sprachlosigkeit, die diesen Satz so bedeutsam macht.
Grußlos verabschiedeten sich hier zwei Männer, die, ohne jemals miteinander befreundet gewesen zu sein, durch schicksalhafte Symbiose miteinander Weltgeschichte geschrieben hatten.
Beide verdankten einander viel: Napoleon Davout seine größten Siege, Davout Napoleon seinen kometenhaften Aufstieg.
Aber das machte ihn noch längst nicht zur willenlosen Kreatur des Kaisers. Erstaunt musste Napoleon feststellen, dass er Davouts Patriotismus unterschätzt hatte. Ein fataler Irrtum, den Napoleon erst Wochen später auf der Fahrt nach Rochefort seinem Bewacher General Becker gegenüber zugab: »Wer hätte das gedacht von Davout? Er liebte Frankreich mehr als mich!«
Mit dieser Feststellung hatte der abgedankte Kaiser recht. Während Napoleon sich Anfang Juli auf den Weg zum französischen Atlantikhafen Rochefort machte, um Frankreich zu verlassen, versuchte Davout, Paris davor zu bewahren, dasselbe Schicksal wie Moskau und Hamburg zu erleiden.
Doch erste Waffenstillstandsverhandlungen mit den anrückenden Engländern und Preußen scheiterten. Erst als sie bei Rocquencourt nach heftigen Kämpfen eine Kavalleriebrigade verloren und bei Issy auf Widerstand stießen, ließen Blücher und Wellington wieder Verhandlungen zu.
Wie Davout dürstete es auch die Sieger von Waterloo nicht mehr nach weiteren Blutbädern, besonders wenn die Übergabe der feindlichen Hauptstadt durch Unterhandlungen zu erreichen war.
Anfang Juli begannen daher erste Waffenstillstandsverhandlungen. Grundbedingung für das Ende der Kampfhandlungen war der Abzug der französischen Armee aus Paris hinter die Loire. Obwohl Davout sich anfangs weigerte, dies zu akzeptieren, sah er bald ein, dass ihm aufgrund der desolaten Verfassung der Armee keine andere Wahl mehr blieb. Der Abschluss eines Waffenstillstands war seiner Ansicht nach dringlichstes Gebot, und diesen, davon war er überzeugt, konnte Frankreich nur mit der Restauration Ludwigs XVIII. erlangen:
Ich schicke Eurer Exzellenz die Nachrichten, die ich darüber erhalten habe, wie die Dinge bei den Truppen stehen. Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren, um den Vorschlag anzunehmen, den ich gestern gemacht habe. Wir müssen Ludwig XVIII. proklamieren, wir müssen ihn bitten, ohne die fremden Truppen in Paris einzuziehen, die niemals einen Fuß auf Pariser Boden setzen dürfen. Ludwig XVIII. muss mit der Unterstützung der Nation regieren [...] Der Gedanke an die Zukunft leitet mich. Ich habe meine Vorurteile und meine früheren Ansichten überwunden. Innerste Überzeugung und absolute Notwendigkeit haben mich davon überzeugt, dass es kein anderes Mittel mehr gibt, unser Vaterland zu retten.7
Dies ließ sich Fouché nicht zweimal sagen. Mit dieser Äußerung hatte Davout den Weg frei gemacht für die Restauration von Ludwig XVIII. aus dem Hause Bourbon. Jetzt musste Fouché die Gunst