Название | Louis Nicolas Davout. Das Genie hinter Napoleons Siegen |
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Автор произведения | Alain Felkel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711448939 |
Von all diesen großen Umwälzungen ahnte der junge Unterleutnant Davout nichts, als er mit 18 Jahren seine Mutter auf ihrem neuen Landsitz in Ravières besuchte, den sich Françoise-Adélaïde 1785 gekauft hatte. Dort lernte Davout den ehrgeizigen Rechtsanwalt Louis Turreau de Linières kennen, der gerade seine Tante besuchte. Die beiden jungen Männer freundeten sich auf Anhieb an und stellten schnell fest, dass sie ähnliche politische Ansichten hatten. Ob Turreau schon 1788 ein überzeugter Verfechter revolutionärer Ideen war, kann aufgrund mangelnder Quellen heute nicht mehr nachgewiesen werden, sein späterer Werdegang lässt dies jedoch vermuten. Was Davout anbetrifft, so hüllen sich die meisten seiner Biografen in Schweigen. Fest steht, dass die Freundschaft zu Turreau nicht ohne schwerwiegende persönliche Konsequenzen blieb. Wie es scheint, entflammten Françoise-Adélaïde D’Avoust und Louis Turreau de Linières derart heftig füreinander, dass sie noch im selben Jahr am 31. 8. 1789 heirateten. Aus Sicht von Françoise-Adélaïde brachte diese Heirat jedoch viel Bekümmernis. Ihre Familie missbilligte die Verbindung und erschien nicht zur Hochzeit, auch Louis nicht, was sehr verwundert, weil er als Freund von Turreau galt. Wahrscheinlich zwang ihn sein Dienst im Royal Champagne, den Feierlichkeiten fern zu bleiben. Bei den anderen Familienmitgliedern kann über den Grund des Ausbleibens nur spekuliert werden. Höchstwahrscheinlich spielte die bürgerliche Herkunft, der große Altersunterschied von 20 Jahren und die politischen Ansichten Turreaus eine große Rolle. Für Louis sollte der neue Stiefvater, der nur vier Jahre älter war als er, bald als Freund, Mentor und Förderer eine Schlüsselrolle spielen. Wie schicksalhaft diese Verbindung werden sollte, war in jenen Monaten der »Grande Peur« – der Angst der Adeligen vor den marodierenden Banden der Revolution – keinem der Beteiligten klar. Bis zu seinem frühen Tod 1797 blieben Davout und Turreau jedenfalls bestens befreundet.
Doch springen wir zurück zum Zeitpunkt, als Davout in das Kavallerieregiment »Royal Champagne« eintrat, in dem schon sein Vater gedient hatte.
Um dem mittellosen Unterleutnant überhaupt zu ermöglichen, standesgemäß seinen Dienst zu versehen, hatte der König ihm auf Staatskosten ein Pferd spendiert, was den jungen Offizier von einer seiner größten Hauptsorgen befreite. Zur Zeit des Ancien Regime kamen die Offiziere in der Regel selbst für ihre Ausrüstung auf und kauften sich Waffen, Uniform sowie ihre Pferde, was sehr kostspielig werden konnte.
Doch das Geschenk des Königs war nicht der einzige Grund, weswegen der junge Unterleutnant sofort die Aufmerksamkeit seiner Regimentskameraden erregte. Diese nahmen vielmehr Anstoß an seinem unsoldatischen Verhalten. Statt sich, wie es sich damals für einen richtigen Offizier gehörte, die Freizeit mit Kartenspiel, Zechgelagen und amourösen Abenteuern zu vertreiben, las Unterleutnant Davout – und zwar nicht die gängigen Schundromane seiner Zeit, sondern französische Philosophen. Diese unsoldatischen Interessen ließen seinen Onkel Major Jacques-Edme D’Avout, der auch im Royal Champagne diente, ernsthaft an seiner soldatischen Eignung zweifeln. Seiner Meinung nach war diese kurzsichtige Leseratte mit der hohen Stirn drauf und dran, den guten Ruf der Davouts als tapfere Militärs zu ruinieren. Seinem Tagebuch vertraute der Major an, was er aus Höflichkeit seinem Neffen nicht zu sagen wagte:
Mein Neffe Davout wird es in unserem Beruf zu nichts bringen. Er wird nie ein Soldat sein. Anstatt sich mit seinen militärtheoretischen Schriften zu befassen, beschäftigt er sich mit Montaigne, Rousseau und anderen Philosophen.14
Wie das Schicksal so spielt, sollte die Zukunft erweisen, dass der Major sich in Bezug auf die langfristigen beruflichen Perspektiven seines Neffen gründlich täuschte, was seine langfristige berufliche Perspektive anbetraf. Betrachtet man die Dienstzeit Davouts im Royal Champagne, so muss man dem Major zustimmen. Wie die folgenden Ereignisse beweisen, war Davout in diesem Regiment tatsächlich keine große militärische Zukunft vorbestimmt. Dies lag weniger an seiner Leidenschaft für Literatur, sondern vielmehr an seiner Parteinahme für die Revolution.
Diese war endlich im Sommer 1789 in Paris ausgebrochen, nachdem die Ständeversammlung sich feierlich im Ballhaus dazu verpflichtet hatte, Frankreich eine neue Verfassung zu geben. Die verzweifelten Rettungsversuche des erneut zum Finanzminister ernannten Schweizer Bankiers Necker hatten den Königshof dazu bewogen, diesen zu entlassen, was zu heftigen Protesten führte, in deren Verlauf am 14. Juli 1789 die Bastille gestürmt wurde.
Der Sturm auf die Bastille wurde zum Fanal der revolutionären Erhebung, die in einem gewaltigen Sturmlauf von ganz Frankreich Besitz ergriff. In den Städten gewannen nach zahlreichen Unruhen die Revolutionäre die Oberhand, während auf dem Lande blutige Bauernaufstände ausbrachen, die einen großen Teil der Aristokratie und des Klerus in die Emigration trieben. Im August schuf die Nationalversammlung erst die Privilegien von Adel und Geistlichkeit ab, dann erklärte sie die Menschenrechte. Im Oktober zogen zehntausend Marktfrauen nach Versailles, um die Königsfamilie im Triumphzug nach Paris zu führen. Kurz darauf wurden im November die bis dahin sakrosankten Besitztümer der Klöster verstaatlicht.
Überall, so schien es, siegten die Feuergeister der Revolution, allen voran der pockennarbige Graf Mirabeau, der wegen seiner wüsten Ausschweifungen Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Unverdrossen schleuderten die Revolutionäre die Fackel der Empörung in das morsche Gebälk des verrotteten Königreichs, das nach und nach bis in die hintersten Winkel von den hungrigen Flammenzungen eines neuen Zeitalters erfasst wurde.
Einer dieser Winkel war der Standort des Kavallerieregiments Royal Champagne – die alte Festungsstadt Hesdin im heutigen Departement Pas-de-Calais. Während die Bourgeoisie der trutzigen Kleinstadt die neuen Ideen enthusiastisch begrüßte, zeigte sich die Stadtverwaltung der alten Ordnung verpflichtet, worin sie vom Offizierskorps des Royal Champagne aufs Innigste unterstützt wurde.
Die Offiziere des Regiments zeigten keinerlei Verständnis für die Revolution, ja waren sogar ihre geschworenen Feinde, während die einfachen Kavalleristen und Unteroffiziere offen mit ihr sympathisierten. Nur wenige Offiziere wagten es, sich offen zur Revolution zu bekennen. Einer von ihnen war Davout, der bald zum Sprachrohr der Meuterer wurde.
Dieser Enthusiasmus für eine Idee, die die Abschaffung aller Vorrechte seiner gesellschaftlichen Kaste implizierte, wurde von seinen Offizierskameraden als Verrat am König gewertet. Die Spannungen im Regiment entluden sich zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit, als ein königstreuer Offizier anlässlich eines Umtrunks im Offizierskasino einen Toast auf die Gesundheit seiner Majestät ausbrachte und dabei Davout öffentlich beleidigte.
Meine Herren! Ich erhebe mein Glas auf einen Mann, den wir alle aus tiefstem Herzen lieben. Auch wenn uns diese Zeit der »Freiheit« nicht gestattet, dies zu zeigen, schmeichle ich mir, dass es unter uns keinen Feigling gibt, der auf etwas anderes anstoßen würde: Auf die Gesundheit des Königs!15
Dieser Toast, der als mutwilliger Affront gegen Davout gedacht war, forderte eine Reaktion des revolutionären Offiziers. Der junge Burgunder zögerte nicht, den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen und seinerseits den Provokateur herauszufordern.
Meine Herren! Ich bin der Feigling, auf den sich dieser Herr bezogen hat: Auf die Nation!16
Auf diese Entgegnung Davouts konnte es nach den Gepflogenheiten der Zeit nur eine Antwort geben: ein Duell. Aber die Regimentskommandantur schritt, kaum dass die Einzelheiten des Zweikampfs vereinbart worden waren, energisch ein, untersagte den Ehrenhandel und arretierte beide Offiziere, weil sie gegen das Verbot verstoßen hatten, jegliche politische Meinungsäußerung zu unterlassen. Aber mit disziplinarischen Maßnahmen dieser Art war die Revolution selbst in Hesdin nicht mehr aufzuhalten.
Als im Jahr 1790 infolge des einjährigen Jubiläums der Revolution die allgemeine Welle der Verbrüderungsfeste die Picardie erfasste, trieben die Ereignisse im Regiment Royal Champagne auf ihren Höhepunkt zu. Den Anlass zu diesem Konflikt lieferte die Idee von der Waffenbrüderschaft von Nationalgarde und Royal Champagne. Dieses Projekt, das sofort die Nationalgardisten entflammte, stieß auf den entschlossenen Widerstand