Название | Louis Nicolas Davout. Das Genie hinter Napoleons Siegen |
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Автор произведения | Alain Felkel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711448939 |
Aber Davout scheiterte. Napoleon wollte die von ihm geschaffene, erst wenige Wochen alte Verfassung nicht gleich brechen, indem er sie durch die Errichtung einer Diktatur außer Kraft setzte.
An jenem 21. Juni 1815 wähnte er sich noch sicher, Davouts Ratschlag nicht befolgen zu müssen. Doch der Kaiser unterschätzte seine innenpolitischen Feinde. Jetzt rächte es sich bitter, La Fayette in all den vergangenen 20 Jahren den Weg zur Politik verbaut zu haben. Noch einmal zeigte sich die einzigartige Beredsamkeit des alten Mitkämpfers George Washingtons, der bei Yorktown für die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten gestritten und 1789 zusammen mit Mirabeau das Panier der Revolution ergriffen hatte. Wenn auch Fouché hinter den Kulissen die Fäden zog, so darf die Bedeutung La Fayettes beim Sturz Napoleons nicht unterschätzt werden.
Es waren sein Einfluss, sein Mut und sein rhetorisches Talent, die den Kaiser dazu brachten, für immer der Macht zu entsagen. Ein zynischer Drahtzieher wie Fouché allein hätte dies nicht fertig gebracht. Dafür bedurfte es des inneren Feuers und des Charismas von La Fayette. Nur dieser konnte in den Kammern den Mut wecken, einem Titanen wie Napoleon die Stirn zu bieten.
Es waren La Fayette und seine Gefolgschaft, welche die Nationalgarde zum Schutz beider Kammern mobilisierten. Und es war der unermüdliche Marquis, der die Abgeordneten und Pairs dazu brachte, eine Erklärung zu verabschieden, in der sie verkündeten, dass Senat und Abgeordnetenhaus unauflösbar seien und jeder Versuch der Zuwiderhandlung als Hochverrat bestraft würde.
Mit diesem genialen Schlag, der einem Staatsstreich gleichkam, hatte das Parlament die Gesetzesinitiative vollkommen an sich gerissen und den Kaiser in eine Sackgasse manövriert. Von nun an diktierten die Kammern Napoleon das Geschehen, ganz so wie Fouché und La Fayette es geplant hatten. Die Minister der kaiserlichen Regierung erhielten von den Abgeordneten den Befehl, sich dem Parlament zur Verfügung zu stellen und über die politische Lage zu berichten, ohne dass Napoleon dies verhindern konnte.
Was die Volksvertretung von den Ministern zu hören bekam, bestätigte sie darin, einer Fortführung des Krieges nicht zuzustimmen. Stattdessen wurden Stimmen laut, die unverblümt die Abdankung Napoleons forderten, damit der Frieden so schnell wie möglich geschlossen werden konnte.
Aber Napoleon dachte nicht daran aufzugeben. Ein letztes Mal versuchte er, die Volksvertretung umzustimmen, und sandte seinen Bruder Lucien zu den Kammern, was seine endgültige Niederlage besiegelte. Zu sehr haftete dem Bruder Bonapartes der Ludergeruch des 18. Brumaire 1799 an, erweckte sein Erscheinen die Erinnerung an jene Grenadiere, die mit aufgepflanztem Bajonett den Rat der Fünfhundert auseinandergetrieben hatten. Lucien Bonaparte war chancenlos, so sehr er sich auch mühte. Als er sich im folgenden Plädoyer für seinen Bruder dazu hinreißen ließ, den Franzosen den Vorwurf zu machen, undankbar gegenüber ihrem Kaiser zu sein, erlitt er durch La Fayette eine entscheidende Niederlage. Wütend erhob sich der Marquis von seinem Sitz und vernichtete den Ankläger des Volkes kraft seiner messerscharfen Rhetorik.
Wie? Sie wagen uns den Vorwurf zu machen, wir hätten nicht genug für Ihren Bruder getan? Haben Sie vergessen, dass die Gebeine unserer Söhne, unserer Brüder überall von unserer Treue Zeugnis geben? In den Sandwüsten Afrikas, an den Ufern des Guadalquivir und des Tajo, an den Gestaden der Weichsel und auf den Eisfeldern von Moskau sind seit mehr als zehn Jahren drei Millionen Franzosen für einen Mann umgekommen! Für einen Mann, der noch heute mit unserem Blut gegen Europa kämpfen will. Das ist genug, übergenug für einen Mann! Jetzt ist es unsere Pflicht, das Vaterland zu retten.4
Kaum hatte La Fayette diese Worte gesprochen, brach lauter Beifall los. Der Versuch, die Kammern für die Diktatur Napoleons zu gewinnen, war auf parlamentarischer Ebene endgültig gescheitert. Nun sah La Fayette die Gelegenheit gekommen, dem Kaiser in Abstimmung mit Fouché den Gnadenstoß zu versetzen. Noch bevor Napoleon weitere Vorschläge machen konnte, konfrontierte der Marquis Lucien Bonaparte am folgenden Tag damit, dass die Kammern die Absetzung seines Bruders verlangten, sollte dieser nicht binnen 24 Stunden freiwillig abdanken.
Derartig schachmatt gesetzt, entsagte Napoleon endlich dem Thron und dankte zugunsten seines vierjährigen Sohnes, des Königs von Rom, ab, der unter dem Namen »Napoleon II.« zum Kaiser proklamiert wurde. Aber dieser Passus war schon Geschichte, kaum dass die Tinte unter der Abdankungsurkunde getrocknet war. Denn jetzt trat Fouché endlich aus dem Szenenhintergrund ins Rampenlicht der politischen Bühne, und der Machtwechsel vollzog sich mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks. Als ersten Schritt versagten die Kammern dem Thronfolger schlichtweg die Anerkennung, dann entfernte Fouché seinen gefährlichsten Rivalen, La Fayette, aus Paris, indem er ihn als Unterhändler zu Wellington schickte. Jetzt war der Weg zur Macht frei. Auf Antrag Fouchés beschloss das Parlament die Bildung einer provisorischen Regierung, deren Vorsitz, wie sollte es anders sein, wiederum Monsieur Joseph Fouché übernahm.
Damit war der ehemalige Polizeiminister in der Schlüsselposition, die er sich von Anfang an gewünscht hatte. Nun gab es auf Regierungsebene kein Hindernis mehr, einen Waffenstillstand mit den Alliierten zu verhandeln. Der neue starke Mann Frankreichs konnte jetzt hoffen, den Parlamentariern in kurzer Frist die Rückkehr Ludwigs XVIII. schmackhaft zu machen. Und war dies gelungen, so rechnete sich Fouché aus, dann würde er endlich den Preis seines Verrats bekommen: einen Ministerposten seiner Wahl.
Aber noch war Fouché nicht am Ziel. Noch immer gab es eine Macht im Staate, welche das feingesponnene Intrigennetz Fouchés mit einem einzigen Gewaltakt mühelos zerfetzen konnte: die Armee. Diese stand unter dem Oberbefehl des Kriegsministers Davout und war durchweg bonapartistisch gesinnt. Vor allem die bei Waterloo geschlagenen Truppen der Nordarmee stellten eine Gefahr dar. Kamen diese nach Paris zurück, so konnte eine bedrohliche Situation entstehen, wenn sie von der Abdankung Napoleons erfuhren. Dann musste damit gerechnet werden, dass sich die Truppen empörten und Napoleon wieder zur Macht verhalfen.
Zusätzlich zur Armee gab es auch noch eine andere Gefahr: die Bevölkerung der Pariser Vorstädte. Die einstigen Sansculotten der Revolution, die Arbeiter, Tagelöhner, kleinen Handwerker und Kleinbürger zeigten sich Napoleon noch immer treu ergeben. Tagtäglich wuchs die Menge derer, die vor dem Élysée-Palast zusammenliefen und nach Napoleon riefen. Die Situation wurde immer angespannter, die Stimmung aufgeheizter. Schon skandierten sie Rufe wie »Es lebe der Kaiser!« und »Gebt uns Waffen!«
All diese Vorgänge machten Fouché klar, dass der Ex-Kaiser Paris verlassen musste – und zwar schnell. Ein erster Versuch, Napoleon durch den Abgeordneten Almeida zur Abreise aus der Hauptstadt zu bewegen, scheiterte kläglich. Die Regierung musste schwerere Geschütze auffahren, um Napoleon zu vertreiben.
Wer war geeignet, diese Aufgabe zu übernehmen? Für Fouché gab es nur einen, der dafür in Frage kam: Davout.
Der Kriegsminister war in den vergangenen 48 Stunden zunehmend mit Napoleon in Konflikt geraten, je stärker dieser den Willen zeigte, Frankreich seinem politischen Ehrgeiz zu opfern. Als der Kaiser sich erneuten Fantastereien hingegeben hatte, mithilfe neuer Konskriptionen 300 000 Rekruten ins Feld zu stellen, war ihm Davout über den Mund gefahren. Barsch hatte er Napoleon klargemacht, dass er ihm diese 300 000 Konskribierten nicht gäbe.
Genau so hart war der Fürst von Eckmühl mit seinem Souverän ins Gericht gegangen, als dieser kurz vor seiner Abdankung plötzlich ins Auge fasste, die Kammern doch noch mit militärischer Gewalt aufzulösen. Jetzt, wo Napoleon scheinbar Davouts Vorschlag aufgriff, wandte sich sein Kriegsminister gegen ihn und redete ihm ins Gewissen.
Davouts Meinung nach hatte Napoleon die historische Chance verpasst, sofort nach seiner Ankunft in Paris unter Berufung auf den nationalen Notstand eine Diktatur zu errichten. Jetzt, da die Volksvertretung sich für permanent und ihre Auflösung zum Hochverrat erklärt hatte, sah Davout vom juristischen Standpunkt das Recht auf Seiten der Kammern.
Darüber hinaus gab es noch andere Gründe für Davout, einen Staatsstreich abzulehnen. In der Vendée, in der Bretagne, im Languedoc und in der Provence, wo die Mehrheit der Bevölkerung antinapoleonisch gesinnt war, erschütterten Aufstände das Land. Schon zog das Schreckgespenst des Bürgerkriegs auf, wurden erklärte Bonapartisten in Marseille zu Hunderten abgeschlachtet.
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