Название | Bismarck: Der Monolith - Reflexionen am Beginn des 21. Jahrhunderts |
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Автор произведения | Tilman Mayer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711446935 |
Auf der monarchischen Ebene suchte der bayerische Prinzregent Luitpold, als Angehöriger des wittelsbachischen Hauses 1870 noch ganz auf der Seite der Gegner des bayerischen Eintritts in das neue Reich, in denkbar brüsker Form die bayerischen Abgeordneten im katholischen Zentrum anlässlich einer Begegnung in der Berliner bayerischen Gesandtschaft am 9. Dezember 1886 zur Annahme der Septennatsvorlage buchstäblich zu vergattern.39 Bismarcks Mobilisierungsstrategie ging bei der Reichstagswahl vom 21. Februar 1887 voll auf: Die Wahlbeteiligung stieg auf 77 Prozent gegenüber 60 Prozent bei der Reichstagswahl von 1884. Insbesondere die Nationalliberalen, die sich wieder nach rechts gewandt und hinter die Septennatsvorlage gestellt hatten, profitierten von der Loyalität mit Kaiser, Kanzler und Reich im Zeichen nationaler Sammlung: Sie stiegen von 997 000 Wählern auf jetzt 1 678 000, von 51 auf 99 Mandate; die drei Kartellparteien, Deutschkonservative, Freikonservative und Nationalliberale erreichten 220 von 397 Mandaten. Für Bismarck hatte es sich also voll ausgezahlt, das Septennat vom Vorgänger-Reichstag mit 183 gegen 154 Stimmen ablehnen und dann neu wählen zu lassen. Der sogenannte Kartell-Reichstag billigte die Septennatsvorlage, darunter auch eine Reihe von Zentrumsabgeordneten, der größte Teil von ihnen enthielt sich. Kaum war aber die neue Friedenspräsenzstärke der Armee gebilligt, erfolgte der nächste rüstungspolitische Paukenschlag, die Ausdehnung der Dienstpflicht in der Landwehr vom 32. auf das 39. Lebensjahr. Für den Mobilisierungsfall brachte sie zusätzliche rund 700 000 Soldaten, oder wie Bismarck plastisch sagte »die Armee einer zweiten Großmacht«. Zur Begründung holte der Kanzler im Reichstag am 6. Februar 1888 über volle zwei Stunden weit aus. Sein Kernargument war:
Durch die Einbeziehung der älteren, ausgebildeten Jahrgänge für den Mobilisierungsfall sollte Deutschland eine so hohe Kriegsstärke erreichen, dass die potenziellen Gegner, Frankreich und Russland wurden hier ganz offen genannt, entweder vom Krieg abgeschreckt werden würden – ein Argument, das im Blick auf den Kalten Krieg ab 1946 / 47 sehr modern klingt – oder, falls es doch zum Waffengang komme, Deutschland zuversichtlich auf den Kriegsausgang blicken dürfe. Die Schlussfolgerung lautete: Für einen Präventivkrieg aus Sorge um künftige Unterlegenheit gebe es also keinen Anlass, und daher könne Deutschland unbesorgt, wie in den bald schon zwei Jahrzehnten seit der Reichsgründung, weiter Friedenspolitik betreiben: »Diese gewaltige Verstärkung wird, wie ich glaube, auch beruhigend auf unserer eigenen Landsleute wirken und wird die Nervosität unserer öffentlichen Meinung, unserer Börse und unserer Presse einigermaßen ermäßigen.«40 Und um einer etwaigen Kriegspolitik weiter den Boden zu entziehen, fügte der Reichskanzler hinzu, dass Krieg kein Instrument (mehr) einer opportunistisch kalkulierenden Kabinettspolitik sei. Friedenspolitik und nationale Parole kamen so zusammen: »Wenn wir in Deutschland einen Krieg mit der vollen Wirkung unserer Nationalkraft führen wollen, so muss es ein Krieg sein, mit dem alle, die ihn mitmachen, alle, die ihm Opfer bringen, kurz und gut, mit dem die ganze Nation einverstanden ist; es muss ein Volkskrieg sein.«41 Man kann es auch so sagen: Bismarck stellte hier die nationale und plebiszitäre Referenzebene gegen die repräsentative, die parlamentarische. Parlament, Parteien und Fraktionen wurden dabei sozusagen von oben und unten unter Druck gesetzt, von oben durch Monarchen und Regierungen, von unten durch das nationale Wohl, das er durch sich repräsentiert sah und das er agitatorisch geschickt gegen die im Parlament vertretenen politischen Fraktionierungen ins Feld zu führen verstand. Ausschalten, beseitigen wollte er Letztere damit freilich keineswegs. Bismarck hat oft und glaubhaft versichert, prinzipiell kein Anhänger eines absolutistischen Systems zu sein. Es ging ihm vielmehr um ein Kräfteparallelogramm, dessen Nutznießer er selbst sein wollte.
6. Weitere Bezugsfaktoren
Der frühe Bismarck war preußisch-royalistisch gesinnt, dazu kokettierte er mit dem gleichen Wahlrecht, um die, aus seiner Sicht, Preußen mediatisierende Struktur des Deutschen Bundes plebiszitär in die Luft sprengen zu können. Österreich kam in der ungünstigeren Alternative die Rolle des entfernten Partners in einem mitteleuropäischen Kondominium zu, in der besseren wurde es aus Deutschland verdrängt. Die deutschen Mittelstaaten schließlich, darunter