Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Peter H. Wilson
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783806241372



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des – als Ritterorden noch aus der Zeit der Kreuzzüge stammenden – Deutschen Ordens. Bei der umstrittenen Wahl von 1586/87 wurde Maximilian zwar als Kandidat der Minderheit zum polnisch-litauischen König erwählt, konnte sich aber nicht gegen den Favoriten, Sigismund III. Wasa aus Schweden, durchsetzen, der ihn in der Schlacht gefangen nahm. Obwohl Rudolf ihn 1589 freikaufte, gab Maximilian seinem Bruder, der ihn nicht genügend unterstützt habe, die Schuld am letztendlichen Scheitern seiner Kandidatur. Der Ausbruch des Langen Türkenkrieges eröffnete Maximilian ein neues Betätigungsfeld, und nach Aussage seiner Zeitgenossen erwies er sich tatsächlich als der fähigste Feldherr unter den Erzherzögen. Bei Mezőkeresztes kostete ihn jedoch die Disziplinlosigkeit seiner Truppen den Sieg, und auch ein kurzes Gastspiel im Sumpf der siebenbürgischen Politik trug zu seiner Desillusionierung bei. Erst der Zusammenbruch Rudolfs im Jahr 1600 veranlasste, wie es scheint, Maximilian zu neuem Handeln. Von allen Erzherzögen unterhielt er die umfassendsten Kontakte zu den deutschen Reichsfürsten, was er wohl vor allem seiner Stellung als Hochmeister des Deutschen Ordens verdankte. Auch nach der Reformation blieb nämlich der Orden gewissermaßen „ökumenisch“, indem er sich nicht der einen oder anderen Konfession anschloss. Das entsprach ganz Maximilians eigener, pragmatischer Haltung in Glaubensfragen sowie seinem ausgeprägten Friedenswillen nach innen. So wurde er, den seine früheren Enttäuschungen derart entmutigt hatten, dass er an die Nachfolge seines Vaters keinen Gedanken verschwendete, zum ehrlichen Makler zwischen Fürsten und Erzherzögen. Zudem konzentrierte er sich auf die Festigung der habsburgischen Macht in Tirol, dessen Statthalter er 1602 wurde.73

      Also blieb nur noch Matthias, nächstältester der Brüder nach Ernst und ab 1595 Hauptanwärter auf die Kaiserkrone.74 Auch er war der spanischen Erziehung entgangen, weshalb ihm die steife Förmlichkeit seiner Brüder fehlte. Auf den ersten Blick mag er dennoch als der unsympathischste unter den Erzherzögen erscheinen, der das Leben eines Playboy-Prinzen führte, mit allen Ausschweifungen und zunehmender Trägheit. Freilich besaß er einen gewissen Charme, und in einer Familie, die ansonsten für ihre mürrisch-düstere Veranlagung bekannt war, muss sein so ganz und gar untypischer Sinn für Spaß und Geselligkeit eine erfrischende Abwechslung bedeutet haben. So überraschend es scheinen mag: Zumindest ein wenig verkörperte er auch die gemäßigte Denkungsart seines Vaters, Kaiser Maximilians II., und fühlte sich deshalb zur Beilegung konfessioneller Streitigkeiten berufen. Eines Nachts im Jahr 1577 brach Matthias auf, ohne irgendjemandem auch nur ein Sterbenswörtchen von seinen Reiseplänen gesagt zu haben, und tauchte wenig später in den Niederlanden auf, als die dortige Krise gerade ihren schrecklichen Höhepunkt erreicht hatte. Gern nahm Matthias die Einladung der Aufständischen an, ihr Statthalter zu werden. Nur war dieser Posten, so viel wurde bald deutlich, gleich ein paar Nummern zu groß für ihn. Die Anführer des Aufstands bedienten sich seiner bloß, um das Gesicht zu wahren, und nur so lange, bis sie ihre Kräfte mobilisiert hatten; dann trieben sie ihn 1581 umstandslos außer Landes. Das war eine ernüchternde Erfahrung und noch dazu eine, die ihn zur Untätigkeit verdammte – denn seine Verwandten trauten ihm nun nicht mehr über den Weg. Dennoch war er der einzige verfügbare Erzherzog, der 1595 Ernst als Statthalter von Österreich ersetzen konnte, während der Türkenkrieg reichlich Gelegenheit bot, militärische Kommandoerfahrung zu sammeln. Bei Anbruch des neuen Jahrhunderts mehrten sich die Anzeichen dafür, dass der einstige Lebemann merklich gereift war; zum Teil war das wohl auf den Einfluss des Bischofs Khlesl zurückzuführen, mit dem er in Österreich eng zusammenarbeitete: zur Förderung des Katholizismus und zur Befriedung des Bauernaufstands.

      Erzherzog Ferdinand und sein Bruder Leopold aus der jüngeren Tiroler Linie erhoben ihre eigenen Ansprüche auf das österreichische Erbe. Als junge Männer der „Generation Gegenreformation“ verkörperten sie eine attraktivere Alternative zu Spanien oder Bayern als die älteren Erzherzöge, die sich an die Hoffnung ihrer Väter auf einen konfessionellen Ausgleich klammerten. Ferdinand war mit Bayern durch Heirat verbunden und hatte in Spanien sowie beim Papst mit seiner tiefen Frömmigkeit und seiner Hingabe für die Sache der Gegenreformation einigen Eindruck hinterlassen. Leopold war, als ein jüngerer Bruder, für die geistliche Laufbahn bestimmt gewesen – ein Schicksal, für das er zutiefst ungeeignet erschien. Obwohl er Bischof von Passau (1605) und Straßburg (1607) wurde, empfing er doch nie die höheren Weihen und blieb somit ein „Joker“ unter den Erzherzögen, der ohnehin viel mehr Interesse am Krieg und an der großen Politik zeigte als an seinen Bistümern.

      Die Auftaktrunde Das zunehmend erratischere Verhalten Rudolfs II. brachte die Erzherzöge zu der Überzeugung, dass es Zeit war zu handeln. Der spanische Botschafter hatte bereits 1603 die Möglichkeit zur Sprache gebracht, den Kaiser ganz einfach abzusetzen, aber der Papst hatte gezögert, einem solchen Vorgehen seinen Segen zu geben – immerhin war es alles andere als ausgemacht, dass Rudolf tatsächlich unzurechnungsfähig war. Der Ausbruch des Bocskai-Aufstandes zerstreute derartige Bedenken im Handumdrehen. Im April 1605 traten die Erzherzöge in Linz zusammen und vereinbarten, dass sie Rudolf, gleichsam als ersten Schritt, zur Abtretung Ungarns zwingen würden. Bischof Khlesl war bemüht, Matthias zu lenken, damit dieser nicht irgendetwas Unüberlegtes anstellte – aus den Händen der ungarischen Aufständischen die Stephanskrone entgegennehmen, beispielsweise –, und gab außerdem sein Bestes, um die Spanier günstig zu stimmen, die Matthias noch immer für die Eskalation des Niederländischen Aufstandes verantwortlich machten. Als ein Experte in Public Relations wusste der Bischof ganz genau, wie er Matthias zu präsentieren hatte: als einen Mann, der die Sorgen und Nöte seiner Untertanen verstand – im Gegensatz zu Rudolf, der ein traditionelles, distanzierteres Herrschaftsverständnis verkörperte.75 Am 25. April 1606 rief Khlesl die Erzherzöge noch einmal zusammen, diesmal in Wien, und gewann ihnen die Zusage ab, Matthias als alleinigen Nachfolger Rudolfs zu unterstützen. Dieser wurde für regierungsunfähig erklärt, was Matthias den Zugriff auf die habsburgischen Erblande eröffnete: Dergestalt ausgestattet konnte er aus einer Position der Stärke heraus mit den Kurfürsten verhandeln, die ihn ja schließlich zum „König der Römer“ (rex Romanorum) wählen sollten, was Matthias zugleich den Kaisertitel sichern würde.

      Spanien unterstützte den Plan und ließ Albrecht im November seine Zustimmung dazu geben. Nun spielte aber Ferdinand ein doppeltes Spiel, indem er vorgab, Matthias zu unterstützen, insgeheim jedoch hoffte, Rudolf würde ihn selbst als seinen Nachfolger benennen. Als Matthias dies zu Ohren kam, machte er den Wortlaut der Vereinbarung vom April 1606 öffentlich, wodurch er Rudolfs Vertrauen in Ferdinand erschütterte und seinen Rivalen auf diese Weise kurzzeitig aus dem Rennen warf. Rudolfs beherzter Widerstand gegen den Plan verunsicherte die Kurfürsten, die sich ungern auf einen Nachfolger einigen wollten, solange der amtierende Kaiser noch am Leben war. Ohnehin zogen, was die Nachfolge als Kaiser betraf, der pfälzische Kurfürst und die protestantischen Reichsstände den Erzherzog Maximilian seinem Bruder Matthias vor. Als im Oktober 1607 die Heiducken einen Aufstand anzettelten – sie fühlten sich nach dem Ende der Bocskai-Revolte im Stich gelassen –, steuerte die Sache auf ihre Entscheidung zu. Die ungarischen Magnaten hatten Rudolf im Verdacht, den Heiducken-Aufstand angestiftet zu haben, um den Wiener Frieden vom Juni 1606 zu sabotieren. Jedenfalls zerschlug die Krise die Hoffnungen Khlesls auf eine unkomplizierte Erbfolgeregelung ohne weitere Zugeständnisse an die Stände, weshalb der Bischof sich nun auf die hochriskante Strategie verlegte, Rudolf mit ungarischer Unterstützung zum Einlenken zwingen zu wollen.

      Matthias wiederum wandte sich, nachdem es ihm im Juni 1607 endlich gelungen war, sich den Posten des Statthalters von Ungarn zu sichern, offen gegen Rudolf und berief im Januar des darauffolgenden Jahres die ungarischen Stände nach Pressburg. Auch die Stände Ober- und Niederösterreichs schickten Abgesandte und schlossen sich der im Februar zwischen Matthias und den Ungarn geschlossenen Allianz an. Vordergründig ging es darum, die nach dem Ende des Bocskai-Aufstandes gefundene Regelung zu stützen und sicherzustellen, dass Rudolf den Waffenstillstand mit den Türken einhielt. In der Praxis jedoch wurde Matthias die Krone Ungarns übertragen, wofür dieser im Gegenzug den ungarischen Protestanten weitere Garantien zusagte und dem Adel Zugeständnisse auf Kosten der Bauern machte.

      Rudolf genoss zwar noch immer den Rückhalt der katholischen Minderheit Ungarns, die sich weigerte, der Allianz gegen den Kaiser beizutreten; aber mit seinen wenig feinfühligen politischen Manövern schien er hart am Werk, auch noch seine letzten Unterstützer zu verprellen. Eine ungeschickte Intervention Rudolfs in die inneren Angelegenheiten Mährens