Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Peter H. Wilson
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783806241372



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mit sich führten; die größeren Handelsschiffe waren jedoch auch selbst bewaffnet. Nachdem sie das Silber aus Potosí abgeholt hatten, dazu Cochenille (einen wertvollen karmesinroten Farbstoff, der aus einer in Lateinamerika vorkommenden Schildlausart gewonnen wurde) und andere Kolonialerzeugnisse, überwinterte die Flotte in Havanna, bevor sie sich im Frühjahr auf den Rückweg nach Sevilla machte. Die andere Flotte, flota genannt, verließ im April oder Mai mit zwei Kriegsschiffen den Hafen von Cadiz. Bis zu den Inseln unter dem Winde verlief ihre Route wie jene der galeones; dann jedoch nahm die flota Kurs nach Nordwesten, um in Hispaniola, Kuba und dann Veracruz in Mexiko anzulegen, wo sie das Quecksilber aus Almadén ablieferte und das Silber aus Zacatecas an Bord nahm. Beide Flotten mussten auf ihrer Heimreise über Kuba auch den Bahama-Kanal passieren, wegen drohender Hurrikane und tückischer Riffe die gefährlichste Partie der gesamten Rückfahrt. Die galeones fuhren während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts 29 Mal über den Atlantik und zurück, aber nur zweimal – 1628 und 1656 – fiel der Silberkonvoi feindlichen Angriffen zum Opfer. Um 1600 hatte der spanische Handel mit den beiden Amerikas ein Volumen von rund zehn Millionen Dukaten im Jahr erreicht; das war in etwa doppelt so viel, wie die Portugiesen im Handel mit ihren ostindischen Besitzungen erlösten.

      Auch die Portugiesen setzten ein Konvoisystem ein, cafila genannt, um ihren Anteil an dem überaus lukrativen Gewürzhandel zu sichern, dessen Routen über den Indischen Ozean und rund um Afrika verliefen. Außerdem bauten sie Stützpunkte bei Axim (Fort São Antonio) und Elmina (São Jorge da Mina) an der westafrikanischen Goldküste (im heutigen Ghana), um auch den Handel mit Gold und Sklaven unter ihre Kontrolle zu bringen. Weitere Forts errichteten sie an der Mündung des Kongo sowie 1617 bei dem südlich von Luanda an der Küste Angolas gelegenen Benguela. Die Kommunikationswege nach Portugal waren durch den Besitz der Kapverdischen Inseln und von São Tomé gesichert. Wie im Fall anderer Kolonialmächte auch hing das Wohl und Wehe der portugiesischen Expansion ganz von einem guten Verhältnis zu den einheimischen Machthabern ab. In Angola war das etwa der König von Ndongo östlich von Luanda. Den Zugriff auf das Landesinnere eröffneten ihnen die Imbangala, von den Portugiesen „Jaga“ genannt, die fern der Küste auf Sklavenjagd gingen, um ihre grausige Beute dann an den portugiesischen Handelsstationen einzutauschen. Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts importierten die Portugiesen mehr als 700 afrikanische Sklaven pro Jahr; 1535 begannen sie, diese auch nach Brasilien zu verschiffen. Ein Sklave kostete etwa 400 Pesos, was acht Monatslöhnen eines Indio-Arbeiters entsprach. Ab den 1570er-Jahren wurden Sklaven in großer Zahl nach Lateinamerika verschleppt, um dort Ersatz für die rapide schwindende einheimische Bevölkerung zu schaffen. Ihr Vordringen in das Innere des Kongos sowie nach Angola hinein ermöglichte es den Portugiesen, in den 1620er-Jahren 4000 Sklaven im Jahr zu verschiffen; zu diesem Zeitpunkt hatten afrikanische Arbeitskräfte auf den brasilianischen Zuckerplantagen bereits die letzten indigenen Zwangsarbeiter ersetzt. Bis zum Verbot des Sklavenhandels im Jahr 1850 sollten mindestens 3,65 Millionen Menschen auf diese Weise nach Brasilien verschleppt werden. Sklaven wurden unentbehrlich für die brasilianische Wirtschaft, die überhaupt erst mit dem Zuckerboom um 1600 zu florieren begann. Schon um 1628 wurden 300 Schiffe benötigt, um die jährliche Zuckerernte im Wert von 4 Millionen Cruzados nach Portugal zu transportieren. In der Folge verdreifachte sich die durchschnittliche Jahresproduktion bis 1650 auf 40 000 Tonnen, die neun Zehntel der brasilianischen Exporterlöse abwarfen. Bis zum Erstarken der karibischen Konkurrenz im Zuckerrohranbau zu Beginn des 18. Jahrhunderts blieb diese Situation im Wesentlichen unverändert. Die portugiesische Kolonie in Brasilien expandierte, ausgehend von ihrem Hauptstützpunkt Salvador da Bahia, entlang der Küste nach Norden, wo sich im Gebiet von Pernambuco etwa zwei Drittel des Zuckerrohranbaus konzentrierten.

      So eindrucksvoll diese kolonialen Expansionsbewegungen auch waren, blieb doch Spanien mitsamt seinen europäischen Herrschaftsbereichen das wahre finanzielle Fundament des Weltreiches. Trotz einer stagnierenden Wirtschaft und ineffizienter Verwaltungsstrukturen konnte das spanische Mutterland zwischen 1566 und 1654 stolze 218 Millionen Dukaten für den Krieg in Flandern aufbringen, während die Einkünfte aus dem lateinamerikanischen Silberabbau sich in derselben Zeit auf gerade einmal 121 Millionen beliefen.84 Um 1600 warfen direkte und indirekte Steuern, welche die kastilischen cortes (Ständeversammlungen) bewilligt hatten, 6,2 Millionen Dukaten im Jahr ab. Die wichtigste dieser Steuern war die 1590 eingeführte Verbrauchssteuer millones, die zwischen 1621 und 1639 ein Gesamtvolumen von 90 Millionen Dukaten erzielte – dreimal so viel, wie in derselben Zeit die transatlantischen Silberimporte einbrachten. Im Gegensatz dazu trugen Katalonien, Valencia und Aragón so gut wie nichts zum Staatshaushalt bei, weil ihre regionalen Ständeversammlungen sich weigerten, regelmäßige Steuerzahlungen an die Krone zu bewilligen. Die Kirche zahlte drei verschiedene Steuern, die als die drei päpstlichen Gnaden (Tres Gracias) bekannt waren und sich jährlich auf etwa 1,6 Millionen Dukaten beliefen. Die spanischen Niederlande steuerten 3,6 Millionen bei, das Herzogtum Mailand rund 2 Millionen und das Königreich Neapel 4 Millionen; allerdings wurden diese Summen in den meisten Fällen durch die Kosten der Landesverteidigung am Ort gleich wieder aufgezehrt. Im Gegensatz zu den genannten Summen spülte der Silberhandel an der Schwelle zum 17. Jahrhundert gerade einmal 2 Millionen Dukaten pro Jahr in die spanische Staatskasse, da der König lediglich den Überschuss aus den Finanztöpfen der einzelnen Kolonien erhielt, zuzüglich eines gewissen Anteils an den (wesentlich größeren) privaten Warenlieferungen, die in Sevilla eintrafen. Der Realwert des aus der Neuen Welt importierten Silbers stellte die Kreditversorgung auf den spanischen Märkten sicher, denn die Geldverleiher glaubten fest, dass die Krone ihre rasch anwachsenden Schulden eines Tages mit zukünftigen Silberlieferungen würde bezahlen können. Die Kreditgeber erhielten sogenannte consignaciones, das waren Anrechte auf bestimmte künftige Einnahmen, oder juros, das waren festverzinsliche Staatsanleihen. Letztere entwickelten sich zu einer Art fundierter Schuld, weil sie durch genuesische Bankiers, die bis 1670 die meisten externen Kreditangelegenheiten der spanischen Könige managten, langfristig auf dem internationalen Finanzmarkt platziert wurden.

      Das Grundmuster war bereits Mitte des 16. Jahrhunderts fest etabliert: Nur ein Bruchteil der laufenden Ausgaben konnte durch die ordentlichen Einnahmen gedeckt werden, ein wesentlich größerer Anteil stammte aus der Aufnahme von Schulden, wobei die Erträge aus dem Silberimport als Sicherheit für die Kredite eingesetzt wurden. Das politische Kalkül verdrängte das ökonomische in dem Maße, in dem das Finanzwesen ganz vom öffentlichen Vertrauen auf die zukünftige Bonität der Krone abhängig wurde – und die Schulden der Krone waren enorm. Sobald dieses öffentliche Vertrauen erschüttert wurde (was durchaus vorkam), war Bankrott die Folge – so geschehen 1559, als die Staatsschulden sich auf 25 Millionen Dukaten beliefen, oder beim Tod Philipps II. im Jahr 1598, als sie auf 85 Millionen Dukaten (das Zehnfache der durchschnittlichen jährlichen Staatseinnahmen) angewachsen waren. Die dringende Notwendigkeit, ihre Bonität aufrechtzuerhalten, zwang die spanische Krone zu einer Reihe von Notlösungen, um finanzielle Engpässe zu überbrücken. Sowohl auf der Iberischen Halbinsel als auch in den Kolonien konnte man sich Ämter und Würden ganz einfach kaufen. Das betraf zwar vor allem die Aufnahme in den untitulierten Adel, aber zwischen 1625 und 1668 wurden auch 169 neue Adelstitel geschaffen, was die spanische Aristokratie binnen Kurzem auf das Doppelte ihrer vorherigen Größe anschwellen ließ. Königliche Anrechte in 3600 kastilischen Städten und Dörfern wurden verpfändet, während so gut wie überall im Herrschaftsbereich der spanischen Habsburger weite Teile des Zollwesens privatisiert wurden. Abgesehen von der so dringend benötigten Liquidität brachten diese Behelfsmaßnahmen die Herausbildung einer neuen Elite mit sich, die ein ganz persönliches Interesse mit dem transatlantischen Silberhandel verband – schließlich waren die meisten von denen, die nun Adelstitel und Privilegien erwarben, mit Silber reich geworden. Infolgedessen wurde es immer schwieriger, Veränderungen an dem bestehenden Handelssystem vorzunehmen, ohne dabei zugleich die wichtigsten Geldgeber der Krone zu verprellen. Außerdem schmälerten die Behelfslösungen das langfristige Einkommen, zum Beispiel dadurch, dass sie den Anteil des steuerbefreiten Adels an der kastilischen Bevölkerung auf zehn Prozent anwachsen ließen. Die spanischen Könige hatten ein Monster in die Welt gesetzt, das in Afrika wie in Lateinamerika Tausende unschuldiger Leben verschlang, ihre europäischen Untertanen über Gebühr belastete – und dem letztlich auch sie selbst nicht entkommen konnten.

      Wie verteidigt man ein Weltreich? All diese Wirtschaftsbemühungen dienten letzten Endes zur Aufrechterhaltung des spanischen Imperialismus. Die Militärausgaben