Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Peter H. Wilson
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783806241372



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man ihn dort als „durchlauchtigsten Fürsten von ganz Ungarn“. Mittlerweile stand die habsburgische Herrschaft in der Region kurz vor dem Zusammenbruch. Basta war im Juli 1604 nach Mittelungarn zurückbeordert worden, aber selbst mit 36 000 Mann gelang es ihm nicht, die Stadt Pest zu retten, die bald darauf ihren osmanischen Belagerern in die Hände fiel. Beim Rückzug in Richtung Norden löste das kaiserliche Heer sich auf, was den Türken die Rückeroberung von Gran und Visegrád ermöglichte. Bocskai seinerseits nahm Neuhäusel ein und traf am 11. November 1605 vor Pressburg mit dem neuen osmanischen Großwesir Lala Mehmed Pascha zusammen. Bei dieser Gelegenheit wurde Bocskai zum neuen König von Ungarn gekrönt; seine Krone war eigens in Konstantinopel angefertigt worden.

      Unter dem Druck seiner Verwandten ersetzte Rudolf, durchaus widerstrebend, Giorgio Basta durch den Erzherzog Matthias, der im Mai ermächtigt wurde, Verhandlungen mit Bocskai aufzunehmen. Im Sommer des Jahres boten die böhmischen Stände 17 000 Milizionäre auf, die – teils schon unter dem Kommando Wallensteins sowie des Grafen Thurn – den Vormarsch der Rebellen nach Mähren aufhalten sollten. Viele von Bocskais adligen Unterstützern erfasste nun die Sorge, der neue König werde womöglich nur das Regime der Habsburger gegen das der Türken eintauschen. Auch zweifelten sie an Bocskais Fähigkeit, seine Heiducken, denen er so viel versprochen hatte, unter Kontrolle zu halten, und sahen im Übrigen die Rebellion an ihr ursprüngliches Ziel gelangt: Siebenbürgen zu befreien und die Rekatholisierung Ungarns aufzuhalten. Nach einem im Januar 1606 vereinbarten Waffenstillstand schlossen der ungarische und der siebenbürgische Adel am 23. Juni mit Matthias den Frieden von Wien. Das Nachsehen hatten sowohl Rudolf als auch die breite Masse der Bevölkerung von Ungarn und Siebenbürgen. Zwar erreichten der lutherische und der reformierte Adel Ungarns nun die offizielle Duldung ihres Glaubens, die auch auf die Kronstädte und den Bereich der Militärgrenze ausgedehnt wurde – die Landbevölkerung jedoch ging leer aus, ihr wurde die Toleranz verweigert. Durch die Wiedereinführung des Palatinats, die Beseitigung der Finanzaufsicht durch die Wiener Hofkammer, die bevorzugte Besetzung von Verwaltungsposten mit Einheimischen sowie die Ablösung der deutsch-österreichischen Grenztruppen durch magyarische wurde die politische Autonomie Ungarns gestärkt. Die siebenbürgische Autonomie wurde ebenfalls ausgeweitet. Bocskai verzichtete auf seine ungarische Königskrone, behielt jedoch den Ehrentitel „König“ und wurde von den Habsburgern, die dem Fürstentum zudem fünf Komitate Oberungarns östlich von Kaschau abtraten, als Fürst von Siebenbürgen anerkannt.

      Während Bocskai wenig Lebenszeit vergönnt war, um sich an seinen Erfolgen zu freuen – er starb schon 1606 unter fragwürdigen Umständen –, schuf die von ihm angeführte Revolte einen folgenschweren Präzedenzfall. Schließlich war der militante Katholizismus nicht durch passiven Widerstand zurückgeworfen worden, wie er zuvor schon in Innerösterreich so kläglich gescheitert war, sondern durch Waffengewalt. Und während die österreichischen Protestanten der 1570er-Jahre ihren Einfluss in den diversen Landtagen jeweils getrennt voneinander geltend gemacht hatten, um lokal beschränkte Zugeständnisse auszuhandeln, hatten ihre Glaubensbrüder in Ungarn und Siebenbürgen ein stabiles Bündnis zwischen ihren beiden Ländern zustande gebracht. Dies war das Beispiel, dem die böhmischen Stände 1618 nacheifern sollten.

      Die habsburgisch-osmanischen Beziehungen nach 1606 Zunächst jedoch machte der Frieden von Wien den Weg für Erzherzog Matthias frei, um auch den aufreibenden Konflikt mit dem Sultan zu beenden, was dann am 11. November 1606 im Frieden von Zsitvatorok auch geschah. Ein dauerhafter Frieden – den beide Seiten ablehnten – wurde daraus jedoch nicht. Immerhin sahen sich Kaiser wie Sultan genötigt, den jeweils anderen als ebenbürtig anzuerkennen; zudem sollte der erniedrigende Tribut von 30 000 Gulden, den die Habsburger seit 1547 jedes Jahr an die Hohe Pforte entrichtet hatten, nach der einmaligen Zahlung einer „freiwilligen Gabe“ von 200 000 Gulden auslaufen. Der Sultan behielt Kanischa und Erlau, musste dem Kaiser allerdings die Errichtung neuer Festungen in direkter Nachbarschaft gestatten. Die Friedensregelung sollte 20 Jahre gelten, in welchem Zeitraum kleinere Raubzüge im Grenzgebiet zu tolerieren waren, solange keine regulären Truppen daran teilnahmen.

      Es war ein Glücksfall für die Habsburger, dass die Osmanen den Krieg nicht über 1606 hinaus fortsetzen konnten. Bis 1608 schaffte es der Sultan nämlich, die inneren Unruhen in seinem Reich niederzuschlagen, bevor er 1618 einen Friedensschluss mit Persien akzeptieren musste, was den endgültigen Verlust Aserbaidschans und Georgiens zu bedeuten schien. Die Perser nutzten die weiterhin schwelende Unruhe im Osmanischen Reich, um 1623 den Krieg wiederaufflammen zu lassen; sie nahmen Bagdad ein und töteten alle Sunniten, die nicht rechtzeitig fliehen konnten. Der Verlust Mesopotamiens sandte Schockwellen durch das ganze Osmanische Reich, die sich unter anderem in großen Aufständen in Syrien und dem Jemen äußerten; betroffen war neben der Steuererhebung auch das Pilgerwesen an den heiligen Stätten des Islam. In der Zwischenzeit entwanden sich die Krimtataren der Kontrolle des Sultans und begannen einen unerklärten Krieg gegen Polen, der – mit Unterbrechungen – bis 1621 andauerte. Angesichts all dieser Probleme war der Sultan nur zu bereit, den Frieden von Zsitvatorok schon 1615 zu bestätigen, wovon ihn auch kleinere Veränderungen in der Grenzziehung – von denen die Habsburger sich eine bessere Verteidigung der exponierten Gegend um Gran versprachen – nicht abhalten konnten. Der Böhmische Aufstand fiel mit dem persischen Triumph zusammen, und der Sultan tat wirklich alles, um dem nunmehrigen Kaiser Matthias gefällig zu sein. Im Sommer 1618 offerierte er ihm sogar ein paar Tausend bulgarische oder albanische Söldner. Obwohl man diese dankend ablehnte, ließ es sich im Jahr darauf Osman II. nicht nehmen, einen Sonderbotschafter zu entsenden, der dem neuen Kaiser Ferdinand II. zu seiner Wahl gratulieren sollte. Dieses Wohlwollen vonseiten der Osmanen war umso willkommener, als der Reichstag 1615 eine Verlängerung der nunmehr auslaufenden Reichshilfe zum Unterhalt der Militärgrenze abgelehnt hatte. Die böhmische Krise zwang die Österreicher, ihre Truppen von der südlichen Grenze abzuziehen; schon 1619 wurden in Kroatien und Ungarn 6000 Reiter aufgestellt. Danach dienten bis 1624 rund 4000 Grenzsoldaten im kaiserlichen Heer, die von dem Grafen Johann Ludwig von Isolani (Giovanni Lodovico Isolano) kommandiert wurden, einem Zyprioten mit Grundbesitz in Kroatien, der sich im Langen Türkenkrieg einen Namen gemacht hatte. Zur Bezahlung der verbleibenden Grenzgarnisonen blieb hingegen kaum Geld übrig, was im Juli 1623 zu Meutereien in den slawonischen und kroatischen Sektoren der Militärgrenze führte. Obwohl die Siebenbürger sich auf die Seite der Böhmen schlugen, verzichtete der Sultan darauf, die Lage auszunutzen, und ohne seine Unterstützung brach ihr Aufstand bald in sich zusammen.69

      Da die Aufmerksamkeit der jeweiligen Regierungen durch anderweitige Kriege gebunden war, übertrug man die Verantwortung für die Grenzkontakte zwischen Habsburg und dem Osmanenreich an den ungarischen Palatin beziehungsweise den osmanischen Pascha in Buda. Ersteres Amt hatte 1625–45 Graf Nikolaus (Miklós) Esterházy inne. Dieser hegte eine humanistische Vision von Ungarn als dem Bollwerk der Christenheit und ermunterte den magyarischen Adel, die Habsburger zu unterstützen: als Beschützer und Verteidiger in der Gegenwart – und als die besten Bürgen für eine Rückeroberung der türkisch besetzten Gebiete Ungarns in der Zukunft.70 Esterházys 1627 in Szőny nahe Komorn geführte Verhandlungen mit dem Pascha von Buda resultierten in einer Verlängerung des Friedens von Zsitvatorok um 15 Jahre, was dem Kaiser Zeit verschaffte, mit seinen christlichen Feinden fertigzuwerden. Die Osmanen nutzten 1631 den Mantuanischen Erbfolgekrieg, um 14 Dörfer im oberen Murtal zu plündern, wiesen jedoch das Ansinnen der Venezianer ab, ihren Raubzug noch weiter auszudehnen. Um 1632 herum gelang es zwar Sultan Murad IV., die innere Ordnung des Osmanischen Reiches wiederherzustellen, indem er die Aufstände in den Provinzen brutal niederschlug; aber dann zog er es vor, die Perser anzugreifen, die er zu besiegen hoffte, während die Aufmerksamkeit und die Ressourcen der Habsburger noch in Deutschland gebunden waren. Osmanische Heere eroberten Aserbaidschan, Georgien und Mesopotamien zurück, nahmen 1638 Bagdad ein und zwangen im Jahr darauf die Safawidendynastie, diese Verluste anzuerkennen.

      Die relative Ruhe an der Grenze zum Osmanischen Reich erlaubte es dem Kaiser, weitere Truppen von dort abzuziehen, als der Krieg in Deutschland sich 1625 verschärfte. Noch im selben Jahr wurde ein erstes Kroatenregiment aufgestellt, dem 1630 zwei weitere folgten. Die ebenfalls 1630 erfolgte schwedische Intervention sorgte für einen dramatischen Anstieg der Rekrutierungszahlen: Bis 1633 waren 14 Regimenter Kroaten aufgestellt, dazu 1500 Mann Kapelletten (leichte Kavallerie, die in Dalmatien und im Friaul angeworben wurde). Ihren mit 25 höchsten Stand erreichte