Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Peter H. Wilson
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783806241372



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boten als die bei der Reiterei sonst übliche Pistole. Sie trugen in der Regel eine leichtere Rüstung als die schwere Kavallerie, meist nicht mehr als einen Helm, Brustpanzer, Lederkoller, Stiefel und Handschuhe. Das bedeutete, dass sie kleinere Pferde reiten konnten und insgesamt kostengünstiger auszuheben waren. Da sie zusätzlich auch noch zwei Pistolen und ein Schwert führten, konnten sie ebenso gut für die traditionelle Schocktaktik eingesetzt werden und verdrängten deshalb um 1630 herum die teureren Kürassiere und Lanzierer. Bis in die 1620er-Jahre hinein setzten sich viele Regimenter aus Kürassieren und Arkebusieren zusammen, wobei Erstere in der Schlachtformation vorn, Letztere hinten aufgestellt wurden.

      Die vierte Art von Kavallerie, die Dragoner, waren eigentlich eine Art berittene Infanterie. Sie ritten Pferde von geringerem Stockmaß oder sogar Ponys und trugen in der Regel überhaupt keinen Harnisch – noch nicht einmal die schweren Reitstiefel, denn in diesen konnte man nicht gut laufen. Die Dragoner waren zum Teil als Pikeniere, zum Teil als Schützen bewaffnet und setzten ihre Reittiere ein, um schnell die Position wechseln oder Aufklärungstrupps verstärken zu können, um „Plänkler“ der Infanterie auf ihren vorgeschobenen Posten zu unterstützen oder dem Feind in die Flanke zu fallen. Zwar wurden für all diese Aufgaben grundsätzlich auch Arkebusiere oder Karabiniere eingesetzt; jedoch blieben diese beim Kampf im Sattel, während die Dragoner zu Fuß kämpften. Als leichte Kavallerie waren sie am zahlreichsten in den Heeren Ungarns, Polens und Siebenbürgens vertreten und wurden zu einem charakteristischen Bestandteil der Kriegführung „im Osten“, der in das kaiserliche Militär übernommen wurde.

      Etwa ein Fünftel bis ein Viertel der kaiserlichen leichten Kavallerie war mit Lanzen bewaffnet und wurde „Kosaken“ oder „Polen“ genannt, ganz gleich, wo die Reiter eigentlich herkamen. Den großen Rest bildeten die Kroaten, unverkennbar in ihren roten Umhängen und Fellmützen, die jeweils mit einem Karabiner und einem Paar Pistolen bewaffnet waren. Sie alle waren in Regimenter von zumeist nicht mehr als 500 Mann eingeteilt und griffen in einem rasanten Zickzackritt an, bei dem sie erst ihre rechte, dann ihre linke Pistole abfeuerten, dann – wieder rechts – den Karabiner, bevor sie zum Nachladen davongaloppierten.

      Die militärische Organisation Wichtigste Organisationseinheit der Infanterie wie der Kavallerie war das Regiment, das sich in Kompanien untergliederte, die im Heiligen Römischen Reich anfangs noch „Fähnlein“ genannt wurden. Diese Gliederung ging letztlich auf die Rekrutierungsmethoden der Zeit zurück. Ein Fürst beauftragte einen Obristen mit der Aushebung benötigter Truppen, dieser wiederum betraute eine Anzahl ihm untergebener Hauptleute mit der Rekrutierung einzelner Kompanien. Nach dem klassisch-antiken Vorbild der römischen Legion (die ja aus zehn Kohorten bestanden hatte) bemühten sich die meisten Obristen, Regimenter mit jeweils zehn Kompanien aufzustellen, doch konnte deren tatsächliche Anzahl stark variieren: Von vier oder fünf Fähnlein in schwächeren Regimentern bis hin zu 20 in manchen Großverbänden kam eigentlich alles vor. Hauptleute, die ihr Patent direkt von ihrem Kriegsherrn erhalten hatten, stellten von größeren Truppenverbänden unabhängige Freifähnlein auf. Solche Kontingente wurden etwa als Festungsgarnisonen eingesetzt oder entsprangen den ehrgeizigen Bemühungen von Männern, die sich als fähige „Rekrutenmacher“ einen Namen machen wollten, um so den Grundstein für eine große Militärkarriere zu legen.

      Die noch im 21. Jahrhundert gebräuchliche, nach Rängen gestufte Militärhierarchie war in ihren wesentlichen Zügen schon um 1600 vorhanden.65 Einem kommandierenden Obristen stand ein Obristleutnant zur Seite, der in seiner Abwesenheit das Kommando übernahm. Ein Major überwachte Ausbildung und Verwaltung und kommandierte mitunter Teile des Regiments, wenn dieses aufgeteilt wurde. Zu diesen drei Stabsoffizieren kamen noch Schreiber, Feldgeistliche, Feldscher und Wundärzte sowie der „Profoss“ oder „Gewaltiger“ zur Vollstreckung von Disziplinarstrafen. Eine vergleichbare Struktur begegnet auf der Ebene der Kompanien: Jeder Hauptmann hatte ein oder zwei Leutnants an seiner Seite, dazu noch einen Fähnrich (bei der Kavallerie: Kornett), dem die Fahne der Kompanie anvertraut war. In der Regel gab es auch einen Kompanieschreiber, einen Feldscher sowie eine Reihe von Unteroffizieren. Zusammen bezeichnete man diese Führungsriege auch als die prima plana, das „erste Blatt“ der Kompanie, weil ihre Namen zuoberst, vor allen anderen, in der Musterungsrolle der Einheit aufgelistet waren. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts fiel die durchschnittliche Größe einer Fußkompanie von zunächst 300 bis 400 Soldaten auf 200 bis 300 Soldaten; bei der Reiterei waren die Kompanien jeweils etwa halb so groß. Die Anzahl der Offiziere blieb jedoch gleich, was einerseits die wachsende Bedeutung hierarchischer Strukturen im Allgemeinen widerspiegelt, konkret und auf dem Schlachtfeld jedoch Voraussetzung für manch komplexeres Manöver war, das nur im Rahmen klarer Befehlsstrukturen ausgeführt werden konnte. Offiziere und Unteroffiziere trugen neben ihren Degen oder Schwertern auch noch eine Stangenwaffe, was zumindest eine mögliche Erklärung für den Begriff „Stabsoffizier“ darstellt. Bei den Offizieren war dies der Sponton, eine Halbpike, die einem Speer mit breiter Klinge ähnelte. Unteroffiziere trugen eine Hellebarde, die eine Speerspitze mit einem Axtkopf kombinierte. Beide Waffentypen waren ein Rang- und Statusabzeichen, hatten jedoch auch einen praktischen Nutzen im Sinne der Truppenführung: Wenn man den Stiel in beide Hände nahm, konnte man damit mehrere Soldaten auf einmal hin- und herschieben und sie so „in Reih und Glied“ bringen. Auch konnte man damit die Piken oder Musketen der eigenen Leute nach oben oder nach unten drücken – insbesondere, um allzu ungeduldige Musketiere vom verfrühten Feuern abzuhalten.

      Nach 1590 blieb das Verhältnis von Offizieren zu Mannschaften relativ stabil; das lag an den technischen Beschränkungen der verfügbaren Waffen, die allesamt en masse eingesetzt werden mussten. Ein Offizier oder Unteroffizier mochte einen Trupp von etwa 15 Soldaten kommandieren, aber den Hauptleuten fiel es schwer, in Pulverdampf und Schlachtengetümmel mehr als 300 zu befehligen: Die eingeschränkte Sicht und der Lärm machten es so gut wie unmöglich, die Lage einzuschätzen oder gar spontan Befehle zu erteilen. Das war ein weiterer Grund dafür, die Infanterie in dicht gestellten Reihen aufmarschieren zu lassen: So konnte der kommandierende Obrist – vom Pferderücken aus – seine Leute im Blick behalten. Fahnen und Trommeln wurden in der Mitte der Formation platziert, von wo aus sie Signale an alle Teile der Einheit geben konnten. Die Tücken der Heerführung sorgten dafür, dass erfahrene Soldaten hoch im Kurs standen: Man kalkulierte, dass mindestens ein Drittel der eingesetzten Truppen routinierte Veteranen sein mussten, damit der nötige Zusammenhalt in der Schlacht gewährleistet war. Außerdem sollten die „alten Hasen“ den neuen Rekruten die Grundlagen des militärischen Drills vermitteln und ihnen beibringen, wie man den harten Alltag während der Kampagne überstand. Allerdings blieb die Rekrutierung Sache der einzelnen Regimenter, deren Obristen ihre erfahrenen Soldaten ungern ziehen ließen, damit sie beim Aufbau neuer Kontingente helfen konnten. Auch bestimmte die Größe eines Regiments das Prestige dessen, der es kommandierte: Die Befehlshaber großer Einheiten waren angesehener und in der Regel auch besser versorgt als die kleinerer Regimenter, die eher aufgelöst oder mit anderen verschmolzen wurden.

      Die zuletzt genannten Faktoren brachten spanische und kaiserliche Obristen dazu, Infanterieregimenter von 2000 oder 3000 Mann aufzustellen und Kavallerieregimenter von bis zu 1000 Mann. Letztere untergliederten sich in zwei bis fünf Schwadronen zu jeweils zwei Kompanien. Die Kompanien waren die eigentlichen taktischen Einheiten der Reiterei; im Feld standen sie etwa sechs bis zehn Glieder tief. In der niederländischen Ordonnanz wurden die Reiterschwadronen zwischen den Bataillonen der Infanterie verteilt; bei den Terzios der spanischen Ordonnanz standen sie in dichter Formation an den Flanken der Gevierte. In den Feldheeren West- und Mitteleuropas machte die Kavallerie zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Gesamtstreitmacht aus. Insgesamt war jedoch der Anteil der Infanterie weitaus höher, da zahlreiche Fußsoldaten zur Bemannung von Festungen gebraucht wurden. Große Infanterieregimenter konnten als eigener Terzio in den Kampf ziehen; kleinere mussten mit anderen zusammengefasst werden, um auf die nötige Stärke zu kommen. Die Bataillone der niederländischen Ordonnanz umfassten jeweils zwischen 200 und 700 Mann, sodass ein großes Regiment durchaus auch zwei von ihnen stellen konnte.

      Bei der Artillerie waren solche formellen Strukturen unbekannt, denn die Kanoniere betrachteten sich noch immer als eine eigene Gilde, die unter dem Schutz der heiligen Barbara, der Patronin der Bergleute, stand. Die Bedienung der Kanonen galt als eine besondere Kunst, sie hatte ihre eigenen Traditionen und Rituale. Katholische Geschützmannschaften