Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Peter H. Wilson
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783806241372



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Anstrengungen konzentrierten sich darauf, diesen Verlust rückgängig zu machen oder ihn zumindest anderswo zu kompensieren. Tatsächlich gelang es dem Erzherzog Matthias im darauffolgenden Jahr, den osmanischen Brückenkopf durch die Einnahme von Gran und Visegrád (Plintenburg) zu schwächen. Der Sultan schlug zurück, indem er den Krieg in Richtung Nordosten vorantrug; bei der Einnahme von Erlau 1596 stand er selbst an der Spitze seiner Truppen. Im Oktober desselben Jahres siegten die Türken bei Mezőkeresztes in der einzigen großen Feldschlacht des Krieges über ein habsburgisch-siebenbürgisches Entsatzheer. Nun richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit des Sultans auf die drei Fürstentümer Siebenbürgen, Walachei und Moldau, die sich gegen ihn erhoben hatten, indem sie auf der Seite Habsburgs in den Krieg eingetreten waren.

      Intervention in Siebenbürgen Die Strategen des Kaisers sahen in der siebenbürgischen Allianz ein probates Mittel zur Ausweitung des habsburgischen Machtbereichs; letztlich strebten sie sogar die Rückführung Siebenbürgens unter ungarische Herrschaft an. Der Augenblick schien günstig, da der regierende Fürst, Sigismund Báthory, eine habsburgische Machtübernahme allem Anschein nach begrüßte. Unter Sigismunds Vorgänger war der polnische Einfluss auf Siebenbürgen stark gewesen, doch das änderte sich nun durch die Bündelung der polnischen Aufmerksamkeit in dem neuen Konflikt mit Schweden (siehe Kapitel 6). Kaiserliche Truppen eroberten 1598 Raab zurück, was die entscheidende mittelungarische Front stabilisierte, während wachsende Probleme im Inneren des Osmanischen Reiches 1599 schwere Unruhen auslösten. Der deutliche Erfolg der katholischen Reformbemühungen in Österreich trug zum wachsenden Selbstvertrauen der kaiserlichen Berater und damit zu dem verhängnisvollen Entschluss bei, gemeinsam mit dem Woiwoden (Fürsten) Michael der Walachei – der sich davon außerdem die Herrschaft über Moldau versprach – in Siebenbürgen einzumarschieren. Es folgte eine Periode wirrer Kämpfe, die dank einer verdeckten polnischen Intervention in der völligen Niederlage der Invasoren endete. Sigismund wurde als Fürst von Siebenbürgen wiedereingesetzt, und in den beiden anderen Fürstentümern wurden Marionettenherrscher von polnischen Gnaden installiert.

      Anstatt ihre Verluste als solche zu verbuchen und damit zu begrenzen, intensivierten die Habsburger ihre Bemühungen in der Region. Ein neues, noch stärkeres Heer wurde aufgestellt, dessen Befehlshaber Giorgio Basta sich durch sein weiteres Verhalten in der ungarischen und rumänischen Geschichtsschreibung den Ruf eines grausamen Tyrannen verdient hat. Basta, einer von zahlreichen Italienern in habsburgischen Diensten, war zunächst vom halbwüchsigen Trommler zum Kommandeur einer Einheit berittener Arkebusiere aufgestiegen, die in spanischen Diensten in Flandern kämpfte. Nach Ungarn war er 1597 mit einem spanischen Truppenkontingent gekommen und stand schon bald im Rang eines Generals. Schlick, Marradas, Collalto und Ernesto Montecuccoli haben allesamt unter ihm gedient, aber sein Einfluss als Verfasser zahlreicher militärtheoretischer Abhandlungen und Memoranden (in denen er nicht selten seine Herren scharf dafür kritisierte, dass sie ihren Soldaten den Sold schuldig blieben) reichte noch wesentlich weiter. Die nun folgende Kampagne in Siebenbürgen ließ bereits vieles von dem ahnen, was von 1618 an auch dem Heiligen Römischen Reich drohte. Als Mann vor Ort musste Basta schnell und unter sich rapide verändernden Umständen handeln. Oft war es schlicht nicht möglich, mit der kaiserlichen Regierung in Prag Rücksprache zu halten, und ohnehin waren die Absichten und Vorstellungen Rudolfs alles andere als eindeutig. Nachdem er mit Unterstützung des Fürsten Michael im August 1600 Siebenbürgen zurückerobert hatte, ließ Basta seinen Verbündeten im Sommer des Folgejahres ermorden, weil er in ihm eine Belastung sah. Als die Polen sich weigerten, Sigismund Báthory ein zweites Mal zu Hilfe zu kommen, dankte dieser – gegen Zahlung einer habsburgischen Pension – im Juni 1602 ab, was dem siebenbürgischen Landtag keine andere Wahl ließ, als Rudolf zu huldigen, der im Gegenzug die siebenbürgischen Privilegien bestätigte.

      Es war ein Pyrrhussieg. Dass fähige Kräfte nach Siebenbürgen abgezweigt wurden, schwächte die Verteidigung in den anderen Grenzgebieten, und im Sommer 1600 rückten die Türken entlang der Save vor, nahmen Kanischa ein und eröffneten sich so den Weg in Richtung Steiermark. Zwar gelang Erzherzog Matthias 1601 die Eroberung von Stuhlweißenburg, doch fiel dieses schon im Jahr darauf wieder an ein türkisches Belagerungsheer, während eine zweite türkische Streitmacht tatsächlich in die Steiermark einfiel. Wachsende finanzielle Probleme verhinderten eine strategisch koordinierte Verteidigung, indes Teile der Reichsarmee von Meutereien gelähmt wurden; manche französischen und wallonischen Truppenteile liefen gar zur osmanischen Seite über.67 Matthias rettete die Situation durch die Einnahme von Pest im Oktober 1602, was die osmanische Staatskrise nur verschärfte: In fünf Provinzen des Osmanischen Reiches tobten nun Aufstände. Als Sultan Mehmed III. 1603 infolge eines Herzinfarkts starb, folgte ihm sein 13-jähriger Sohn Ahmed I. auf dem Thron nach. Schah Abbas I. witterte seine Chance und griff die Osmanen von Persien her an; 1604 gelang ihm die Rückeroberung von Aserbaidschan und Georgien. Angesichts des nun eröffneten Zweifrontenkrieges nahm der junge Sultan Ahmed im Februar 1604 Friedensverhandlungen mit Kaiser Rudolf II. auf.

      Durch seine völlig überzogenen Forderungen vergeudete Rudolf auch diese letzte Chance, den Krieg zu beenden, bevor seine eigene Herrschaft in sich zusammenbrach. Der ständige Krieg hatte Siebenbürgen derart verwüstet, dass es die habsburgischen Garnisonen nicht mehr ernähren konnte. Ohne Aussicht auf die geringste Hilfe aus Prag verlegte Giorgio Basta sich auf die Beschlagnahme fremder Güter: Jeder siebenbürgische Adlige, der sich Bastas Herrschaft widersetzte, musste fortan um Haus und Hof bangen. Nachdem der General jedoch geheime Befehle seines Kaisers erhalten hatte, auch in Siebenbürgen die habsburgische Rekatholisierungspolitik zu betreiben, geriet die Lage völlig außer Kontrolle. Wie schon in Österreich, so kamen auch hier zuerst die Städte an die Reihe; die ländlichen Gegenden wollte man nach Kriegsende mit katholischen Kolonisten und entlassenen Soldaten besiedeln. Andere Maßnahmen wurden in Oberungarn ergriffen, wo der General Jacopo Belgiojoso im Januar 1604 begann, lutherische Pastoren aus der oberungarischen „Hauptstadt“ Kaschau zuvertreiben, während zugleich die magyarischen Garnisonen von 90 Grenzposten ausgewechselt wurden; 12 000 deutsch-österreichische Soldaten nahmen ihre Stelle ein. Die von Basta in Siebenbürgen begonnene Konfiszierungspolitik wurde nun auch auf Ungarn ausgeweitet, wo Matthias sogar die Landgüter des Grafen István Illésházy beschlagnahmen ließ, eines protestantischen Magnaten, den man seines Amtes als Palatin von Ungarn enthoben hatte. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Die empörten Magyaren machten von nun an gemeinsame Sache mit ihren siebenbürgischen Leidensgenossen.

      Der Bocskai-Aufstand (1604–06) Die ungarische Opposition sammelte sich um Stephan (István) Bocskai, einen calvinistischen Gutsbesitzer aus Großwardein in Oberungarn (dem heutigen Oradea in Rumänien). Bocskais Entwicklung vom treuen Diener seiner Herren zum Anführer einer Rebellion gegen sie steht beispielhaft dafür, wie die Habsburger mit ihrem Vorgehen zahlreiche ihrer einflussreichsten Untertanen vor den Kopf stießen. Bocskai hatte während der ersten Kampagnen in Siebenbürgen einheimische Hilfstruppen befehligt, mit seiner Konfession jedoch das Misstrauen des Kaisers erregt, der ihm 1598 sein Kommando entzog und ihn nach Prag bringen ließ. Bocskai entging der Hinrichtung und zog sich auf seine Güter zurück, die nun zum Treffpunkt der politisch Unzufriedenen wurden.68 Obgleich ihn die calvinistische Geistlichkeit am Ort als „magyarischen Moses“ feierte, vermied es Bocskai, die religiöse Zwietracht weiter anzufachen, denn er wollte potenzielle Unterstützer nicht abschrecken. Stattdessen bediente er sich der allgemeinen Verärgerung unter den Einheimischen über den schier nicht enden wollenden Türkenkrieg. Nachdem Belgiojoso Briefe der Verschwörer abgefangen hatte, rückte er mit seinen 3500 Mann von Kaschau aus, um Bocskai festzunehmen, aber dieser entkam und scharte 5000 Heiducken um sich, indem er ihnen Adelstitel verlieh und herrenloses Land unter ihnen verteilte. Belgiojoso zog sich nach Kaschau zurück, doch die verärgerten Einwohner der Stadt öffneten Bocskai ihre Tore: Am 12. Dezember 1604 zog er im Triumph nach Kaschau ein. Die Einnahme der Stadt unterbrach die Kommunikationslinien zwischen Belgiojoso in Oberungarn und den 5000 habsburgischen Soldaten, die Siebenbürgen besetzt hielten. Der Umstand, dass sich ihm noch immer weitere Heiducken anschlossen, erlaubte es Bocskai, einen Sperrverband gegen seine Verfolger zurückzulassen und im Januar 1605 mit 4000 Mann leichter Kavallerie in Siebenbürgen einzufallen. Zwar konnten die Habsburger auf die Unterstützung der Szekler bauen, doch waren die habsburgischen Truppen in vereinzelten Garnisonen im ganzen Land verstreut. Bis September hatte Bocskai sie, eine nach der anderen, überwältigt. Bereits