zuadraht. Werner Kopacka

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Название zuadraht
Автор произведения Werner Kopacka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783701178186



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ist das Mysteriöse. Er hat sich nicht einmal die druckfrische Abendausgabe beim Portier geholt. Das tut er sonst immer. Jeden Tag. Seit Jahren. Keiner hat ihn seit gestern gesehen, Herr Oberstleutnant. Er ist spurlos verschwunden. Ich trau es mich gar nicht laut zu sagen, aber ich glaube, der hängt da irgendwie mit drin.“

      „Sie müssen mir einen Gefallen tun, Herr Hochauer. Ich werde mich dafür erkenntlich zeigen. Haben Sie Zu ... nein, lieber nicht am Telefon. Sagen wir in einer Stunde im Café Promenade?“

      Im Keller, Samstagmittag

      Zeit zum Feiern, Herr Redakteur! Ich sehe, dass du vernünftig bist und meine Anordnungen befolgst. Alles andere hat nur zur Folge, dass ich dich wieder am Tisch festbinden und um einen Finger erleichtern muss. Ausgeschissen? Man kann’s auch in einen Kübel tun, siehst du? Dein Leben hat sich auf das reduziert, was vorhanden ist. In deinem Fall ist es das, was ich dir gebe. Natürlich hast du darüber nachgedacht, wie du dich aus deiner Lage befreien könntest. Wie du mich und die Umstände, in denen du dich befindest, überlisten könntest. Das ist bei einem intelligenten Mann wie dir ganz natürlich. Aber du kannst gewiss sein: Alles, was du gedacht hast und noch denken wirst, habe ich schon längst gedacht. Vermeide also unnötige Kraftanstrengung und versuche, das, was dir vom Leben noch bleibt, so konfliktlos wie möglich ablaufen zu lassen.

      „Heißt das, dass du mich umbringen willst? Ein Finger ab, ein anderer und dann päng. Wirst du mich am Ende erschießen oder mir mit deinem Messer den Bauch aufschlitzen?“

      Mach dir darüber keine Gedanken. Dein Leben ist jetzt mein Problem. Nur ich kenne das Ende, aber bis dahin werden wir gemeinsam noch einen langen Weg gehen. Im Moment ist es ein angenehmer für dich. Ich habe dir Wodka mitgebracht – Marke Absolut, den trinkst du doch am liebsten, richtig? Und da ist auch eine Packung Schmerztabletten. Ich will ja, dass dein Kopf klar bleibt. Körperliches Leiden ist bei unserem gemeinsamen Spiel zwar unvermeidbar, ich will es aber in Grenzen halten. Es ist dein Geist, der mich interessiert. Sag mir, was du im Augenblick denkst.

      „Einen Scheiß werde ich dir sagen. Du bist ein Monster, ein Tier.“

      Falsch. So kommen wir nicht weiter. Hier, trink einen Schluck aus der Flasche. Du kannst damit auch zwei Tabletten hinunterspülen. Kein Schmerz mehr, wie wär’s? Und vielleicht verbinde ich dann auch die Wunde neu. Du siehst: Kein Monster, kein Tier.

      „Was feiern wir? Mich als Mörder, meine bevorstehende Ermordung?“

      Trink einmal, ja, so ist’s gut. Hier, nimm die Tabletten und schlucke sie. Keine Schmerzen mehr, du wirst sehen. Bald. Noch ein Schluck Wodka. Ja, in Ordnung. Dein Freund, der Alkohol. So ist es doch?“

      „Ich habe Hunger. Gibt es in diesem miesen Hotel auch was zu essen?“

      Alles zu seiner Zeit. Die Essenszeit kommt noch. Jetzt mache ich dir einen Vorschlag. Wir spielen ein Spiel. Jeder darf jedem drei Fragen stellen und jeder sollte versuchen, sie so ehrlich wie möglich zu beantworten. Einverstanden?

      „So ein Scheiß. Daran glaubst du doch selbst nicht. Seit ich hier in diesem Loch bin, habe ich immer wieder gefragt und keine Antworten bekommen. Aber gut, ich probiere es noch einmal: Wer bist du, und warum bin ich hier?“

      Nur eine Frage, habe ich gesagt. Du brichst jetzt schon die Regel, wenn du das noch einmal machst, könntest du mich wütend machen. Letzte Chance: Willst du das Spiel spielen? Wenn ja, dann stelle mir deine Frage, eine einzige Frage.

      „Wer bist du?“

      Du darfst mich Lutz nennen, das ist sogar mein richtiger Name. Dort draußen nennen mich einige den Schutz-Lutz. Sinnigerweise, ich bin Nachtwächter. Ein schrecklicher Beruf, etwas für Menschen, die irgendwann zuvor, in einem anderen Beruf, versagt haben und sich nur auf dieses Abstellgeleis gerettet haben, um überleben zu können.

      „Warum bin ich hier?“

      Weil du dafür verantwortlich bist, dass ich auf diesem Abstellgeleis gelandet bin.

      „Was habe ich getan?“

      Du hast mich in deiner Kolumne aus dem Beruf, der mir alles bedeutet hat, der damals mein Leben war, herausgeschrieben. Man hat mich gefeuert und deshalb bin ich jetzt ein Nachtwächter, der Schutz-Lutz.

      „Was habe ich geschrieben?“

      Halt, das ist schon die vierte Frage. Wir haben uns auf drei geeinigt, und du hast sie gestellt. Nicht sehr weise. Du hättest besser überlegen sollen, dann hättest du auch bessere Antworten bekommen. Aber es ist eben leichter, hinter dem Schreibtisch und vor dem Computer klug zu sein als in Situationen, die man bisher nicht gekannt hat. Der Mensch bleibt ein Lernender, auch wenn er, wie du, die Weisheit scheinbar mit dem Löffel gefressen hat. Jetzt bin ich an der Reihe. Frage Nummer eins. Beginnen wir mit etwas ganz Einfachem. Was hältst du von unserer derzeitigen Landesregierung?

      „Landesregierung? Was soll das?“

      Keine Frage, eine Antwort. Wir haben eine Abmachung, und ich habe mich daran gehalten. Also: Was hältst du von der Truppe, die zur Zeit in der Burg hockt und die Steiermark regiert?

      „Die Antwort kennst du, ich habe ja oft genug darüber geschrieben. Du hast doch alles von mir gelesen, sogar meinen Stil studiert. Die Truppe ist mies, der Fisch stinkt vom Kopf bis zum Schwanz, und bei denen, die dem Volk den Schwanz auf Befehl des Kopfes ständig kräftig um die Ohren schlagen dürfen, handelt es sich um inkompetente Ignoranten, die kein Gefühl für die wahren Probleme des Landes und die echten Bedürfnisse der Bevölkerung haben. Im Grunde genommen ist es ein Haufen schleimiger Ja-Sager. So habe ich es geschrieben, und so kennst du es wohl auch.“

      Ja, das stimmt. Ha! Ein geflügelter Satz. Man muss die drei Worte durch die Nase pressen. Etwa so: Ja, das stimmt! War früher die Standardantwort von irgendeinem Fußballer. Herbert Prohaska? Liege ich da richtig?

      „Keine Ahnung, Fußball hat mich nie interessiert.“

      Oje, das war ja schon meine zweite Frage. Siehst du, es ist ein schwieriges Spiel, jetzt habe ich doch tatsächlich selbst eine Frage verschwendet. Aber es ist ja nur ein Spiel. Vielleicht spielen wir es morgen wieder. Gerade jetzt wäre ich beinahe erneut in die Falle getappt. Ich wollte dich fragen, ob du noch einen Schluck Wodka willst. Wäre meine dritte und letzte gewesen. Ich tu’s natürlich nicht. Wenn du trinken willst, dann tu’s doch. Die Flasche steht auf dem Tisch. Noch habe ich dich nicht gefesselt. Du darfst dich frei bewegen. Natürlich kommst du dabei auf keine dummen Gedanken. Du hast sicher ja längst gesehen, dass in meinem Gürtel eine Pistole steckt. Marke Glock, österreichisches Qualitätsprodukt. Nein, ich würde dich nicht töten, der Schuss ginge in die Kniescheibe. Oder in die Ferse. Oder in den Ellenbogen. Kein Daumen mehr, kein Kniegelenk, ein Jammer. Ich habe zwar keine Olympiamedaille gewonnen, aber ich versichere dir, dass ich ein Meisterschütze bin. Ich war es früher schon, aber jetzt bin ich noch viel besser. Ständiges Üben ist dafür natürlich Voraussetzung, am wichtigsten sind aber Körperbeherrschung und geistige Ruhe. Völliges Abschalten und das totale Konzentrieren auf den entscheidenden Augenblick. Halbherziges Darauflosballern ist Dummheit. Jeder einzelne Schuss muss ein Meisterwerk sein, das Ergebnis des perfekten Zusammenschlusses aller Sinne. Wenn ich dein Kniegelenk treffen will, dann treffe ich es auch.

      „Mein Gott, jetzt weiß ich, wer du bist – Superman! Stimmt’s? Du bist Superman! Ja! Die Monster-Version davon. Du kämpfst nicht für das Gute, sondern für das Böse. Mein Pech, dass ich dir in die Hände gefallen bin. Morgen kommst du mit deinem blauen Gewand, das rote ,S‘ auf der Brust. Ein blutrotes ,S‘. Lässt du die Wodka-Flasche hier, wenn du gehst?“

      Natürlich. Und vielleicht bringe ich dir morgen sogar eine neue. Zum Kotzen hast du ja deinen Toiletten-Kübel. Vielleicht leere ich ihn später aus, und vielleicht bringe ich dir auch frische Kleidung. Der Gestank bringt einen ja um. Aber noch bist du mir eine Antwort schuldig. Ich werde jetzt meine dritte Frage stellen. Wer ist für dich – abgesehen von der Landeshauptfrau – der größte Kotzbrocken in der derzeitigen Landesregierung?

      „Leichte Frage, da gibt es zwar ein paar Kandidaten, aber einen eindeutigen Favoriten. Einige sind von der Persönlichkeit