zuadraht. Werner Kopacka

Читать онлайн.
Название zuadraht
Автор произведения Werner Kopacka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783701178186



Скачать книгу

habe Ihnen die Abendausgaben der morgigen Zeitungen gebracht. Der Klausberger ist natürlich Thema Nummer eins. Und was Sie vielleicht noch mehr interessieren wird: Im Schwarzeneggerstadion steht es zur Halbzeit eins zu null. Für Salzburg. Sie haben es im Radio gesagt.“

      „Verdammter Mist. Schon so spät?“

      Ein Hauch von Bedauern schien seine Lippen zu umspielen, als Hubmann mir die Zeitungen in die Hand drückte, sich neuerlich ein Lächeln abrang und behäbig und gebückt im Gang einer Meerechse durch den spärlich beleuchteten Altbaukorridor des Paulustors davonmachte. Was ist bloß mir dir geschehen, fragte ich mich. Du warst einmal ein begabter Kriminalbeamter, und jetzt nimmst du für die Kollegen Anrufe entgegen und bringst die Zeitungen. Sonst nichts. Ich würde mich später damit befassen. Später.

      Vorerst wollte ich sehen, ob nicht die Damen und Herren der Presse mir die Arbeit abgenommen und den Mord am Klausberger womöglich schon geklärt hatten auf ihre ganz spezielle Art und mit ihren ganz speziellen Folgen. Das Schönste, dachte ich, sind bei Großereignissen, und dazu kann man den Mord an einem Politiker in diesem Land schon zählen, die Schlagzeilen. Wie aufgebauscht oder abgeflacht, verbrämt oder unverblümt sie ihren Spechtlern und Schauern beizubringen versuchen, woran sowieso keiner vorbei kann, nämlich dass ihn, den Klausberger, einer, oder eine, man weiß ja nie, von hinten wie ein Schwein abgestochen hat, würde der Sargo sagen.

      Der Stadtrat und der tödliche Dauerlauf – Frank Klausbergers Ende am Murufer, na na na, die Herren Seriös, immer ein bisserl abgehoben in ihren Titeln und überhaupt. Ah, die Gute. Stadtrat brutal erstochen, no na, mit einem Messer und unbrutal? Nettes Foto, das der Vogel da gemacht hat vom Klausberger. Wozu denn der Pfeil, ihr Idioten. Das Messer in seinem Rücken sieht man auch so. Andererseits, so schaut man wenigstens gleich hin und muss nicht lange suchen. Wie hat der Hochauer einmal gesagt? Der Servicegedanke, Herr Oberstleutnant, wird immer wichtiger im Zeitungsbusiness.

      Ah, bei der Witwe waren sie auch, die hat sich wohl noch umgezogen fürs Foto, ein bisserl weniger Bustier und dafür ein bisserl mehr Trauer. Steht dir gut, Barbara, der schwarze Flor und die nassen Augen. Vier Seiten, nicht schlecht, und dazu auch noch der tägliche Hanser. Abgeschminkt. Der wird doch nicht einen Nachruf geschrieben haben auf seinen Erzfreund Klausberger. Na ja, dem trau ich fast alles zu, im Freudenhaus Journalismus ist der ja die Oberhure. Wie? Was soll denn das heißen … dass unser geschätzter Finanzstadtrat nicht mehr ganz so ruhig schläft, ja spinnt denn der, ruhiger als der schläft, schläft keiner … dickes Bankkonto? … das hilft ihm doch jetzt nix mehr, gibt’s denn so was … – wie? – … dicke Haut, Nadelstiche der Kritik kratzen ihn nicht einmal an der Oberfläche? … mit einer Neunundzwanzig-Zentimeter-Klinge im Rücken? … der schreibt ja, als wäre der Klausberger noch … sag bloß, die haben die falsche Kolumne eingehängt … liest denn das keiner, bevor es in Druck geht, peinlicher geht’s wohl kaum … Mieze verspeist … oberster Droher und Zähnefletscher … wir sollten uns wehren … einzige Waffe? … Stimmzettel … verdammt, woher hat denn der gewusst … die Mäuse müssen zurückschlagen … und die­se Maus hat soeben damit begonnen.

      Was, verdammt noch mal ... ah, da ist ja ein Anhängsel mit Sternchen. Noch ein Kommentar, diesmal vom Chef. Ein Kommentar zum Kommentar. Vielleicht ... Liebe Leserinnen und bla bla bla ... Martin Hanser ist der Topjournalist dieses Landes. Sie wissen das und ich weiß das. Er hat mit investigativem Journalismus wie kein anderer über die Jahre hinweg die unglaublichsten Dinge aufgedeckt ... Was soll der Unsinn? ... Seine heutige Glosse ist zu einem Zeitpunkt entstanden, als wir vom Tod des Stadtrates Klausberger noch nichts wussten. Sehr wohl war Hanser aber bereits auf der Fährte dieser ungeheuerlichen Verschwörung, deren Opfer Frank Klausberger heißt ... Welche Fährte? Haben die mit dem Kurzen geredet? ... Eine Verschwörung, die das Land in seinen Grundfesten erschüttern wird. Martin Hanser ist abgetaucht, weil er über Informationen verfügt, über die kein anderer verfügt, und sie nur im Schutz verdeckter Recherche restlos aufzeigen kann. Er hat mir versichert, Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch weiterhin täglich mit seiner brandheißen Kolumne auf dem neuesten Stand zu halten. Und dabei Dinge ans Licht zu bringen, die schon längst an die Oberfläche dieses Sumpfes gehört hätten, der das Land überzieht. Dafür sind wir unserem Kollegen einmal mehr dankbar, meint Ihr Alois Stocker, Chefredakteur.

      Ja, spinnt die Welt denn komplett? Steckt am Ende doch die Klausberger dahinter? Hat irgendwer dem Hanser einen Tipp gegeben? Und den Mord bei der Zeitung angekündigt? Der Mörder? Aber wozu dann diese verwirrende Kolumne, wo der Klausberger noch am Leben scheint? Eine Verschwörung? Wer hat sich da verschworen? Und warum? Steckt der Hanser selber mit drin? Oder mit der Klausberger unter einer Decke? In ihrem geschmäcklerischen Hilmteichprunkbau?

      Mein Kopf geriet ins Schwanken und Pendeln, als folgte ich dem Verlauf einer Schnecke, vom ruhenden Pol, dem innersten Punkt eines konzentrischen Kreises beginnend, in rasender Kurvenfahrt nach außen, immer schneller und in immer weiteren Bahnen und mit immer mächtigeren Fliehkräften. So weitläufig schienen die Kreise zu werden, dass es einmal ganz nah und eine halbe Umdrehung weiter weit entfernt und kaum zu vernehmen war, das Klingeln meines Telefons.

      „Hast du den Hanser gelesen und dazu diesen Schwachsinn vom Chefredakteur? Das gibt es doch alles gar nicht!“ Kurz war ebenso ratlos wie ich. „Du kennst doch den kleinen Dicken von der Guten besser, wie heißt er noch mal?“

      „Hochauer.“

      „Genau. Willst du ihn nicht anrufen, Ferri? Vielleicht hat er eine Erklärung.“

      „Den in da Tseidung schdęd, wọs íagndana wü, wọs íagndana glaubd, und wọs íagnda Dregschwein behaubt.“

      „Was?“ Die Leitung vibrierte vor Ungläubigkeit.

      „Nur so ein Lied, vergiss es. Servus, Kurt.“

      Eigentlich hat sich der Hochauer mir gegenüber immer anständig benommen, dachte ich. Er hat seinen Job gemacht und dabei nicht vergessen, dass auch wir nur unseren Job machen. Gewiss, anfangs hab ich ihn hinausgeworfen. Was hätte ich denn tun sollen, wenn so ein … Schmierfink habe ich damals gesagt …, wenn so ein Schmierfink also ein ums andere Mal antanzt bei den Kollegen mit einer Kiste Wein, wo doch keiner mehr die Beine hat ausstrecken können unter dem Vernehmungstisch im Journaldienstzimmer, ja nicht einmal die Verdächtigen beim Verhör, ohne dass es ein regelrechtes Klirrkonzert gegeben hat vor lauter leeren Dopplerflaschen. Und ein Heckenklescher war es noch dazu. Aus dem Weinviertel obendrein. Aber der Hochauer hat vieles nicht geschrieben, was er gewusst hat. Vor allem interne Geschichten aus unserem Haus, wer wem warum welches Hackl ins Kreuz geworfen hat. Ich bin bei der Guten, Herr Oberstleutnant, hat er bei jeder Gelegenheit betont, aber deswegen noch lange kein Depp. Schreib ich alles, was ich weiß, weiß ich bald nicht mehr, was ich schreiben soll, oder? Da heißt es dann: Dem Hochauer kannst nicht trauen, und darauf kann ich verzichten. Lieber eine gute Story nicht schreiben und dafür zehn andere exklusiv gesteckt bekommen. Ein Depp ist der Hochauer wirklich nicht, sagte ich mir und tippte die Nummer seines Handys. Er war beim ersten Läuten dran.

      „Hochauer? Ach, Sie sind es, Herr Oberstleutnant. Diese versch … leiernde Rufnummernunterdrückung, da weiß man ja nie, wer dran ist.“

      „Ich rufe in einer delikaten Angelegenheit an. Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen? Sie wissen ja, Ihr Chef und mein Chef, die telefonieren ganz gerne, Sie verstehen?“

      „Natürlich. Die Hanser-Kolumne, oder?“

      Ich schwieg für einen kurzen Augenblick. „Woher …?“

      „War nicht schwer. Uns geht es auch nicht anders.“ Und er fuhr sogleich fort, als verspürte er meine Neugier, die mich jeden Moment platzen lassen würde. „Am Vormittag haben wir uns noch nix gedacht, weil er nicht dahergekommen ist. Das passiert immer wieder, wenn er am Vortag einen über den … na, Sie wissen schon, also wenn er einen zuviel gekippt hat. Aber als er auch zu Mittag nicht aufgekreuzt ist und trotzdem eine Kolumne von ihm eingeplant war, da sind ein paar von uns stutzig geworden. Weil der Hanser schreibt seine Kolumnen immer in der Redaktion und nie von auswärts. Seit ewig schon. Die Sekretärin vom Chef hat ihn die ganze Zeit zu erreichen versucht, zu Hause, am Handy, in seinen Stammlokalen. Fehlanzeige. Und auf einmal war die Kolumne da, obwohl