zuadraht. Werner Kopacka

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Название zuadraht
Автор произведения Werner Kopacka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783701178186



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beschäftigen und den noch viel größeren Zusammenhängen dieser großen Dinge. Geht es ums Detail, sind Sie ein brillanter Analytiker, Leimböck, hat der Schweinehund gesagt, dachte ich, ließ das Handy zurückgleiten in die Außentasche des Sakkos, wo der Abgang des dritten und letzten russischen Reiseparadeisers Raum geschaffen hatte, und sperrte im Innenhof des Paulustors meinen Wagen auf. Aber was Ihnen fehlt, Leimböck, hat er gesagt, dachte ich weiter, ist das vernetzte Denken. Sie müssen sich lösen von den kleinen, unbedeutenden Dingen und hin zum Übergeordneten.

      Vernetztes Denken sollte heißen: Die Dinge sind gänzlich anders und viel komplizierter, als Sie glauben und sich vorstellen können, Leimböck. Sich lösen von den kleinen, unbedeutenden Dingen sollte heißen: Bloß weil der Hanser mit Worten tötet, ist er noch lange kein Mörder, Leimböck. Und hin zum Übergeordneten sollte heißen: Lassen Sie die von der Guten in Ruhe, Leimböck, das ist ein Befehl von mir, dem Übergeordneten.

      Hochauers hochrote Visage blitzte mir bereits aus der Ferne entgegen, als ich das Promenade betrat. Er hatte das beste Plätzchen ergattert, ein verschwiegenes, fast schon lauschiges Tischchen im hintersten Eck des Cafés. A Zeidung khån ma khauffm, dån schreibd si, wås ma wü, Sgandale oda schene Storis, mit vü Heaz und mit Gfü, und họd ma ẹasd den Zuagång zua öffendlichn Meinung, föd nua mẹa Sgrubllosikeit und de richdige Endscheidung. Ganz genau, Wolferl. Ich werde ihm einen Tauschhandel vorschlagen, den er nicht ausschlagen kann, sagte ich mir, als ich mir den Weg durch die dicht besetzten Tischreihen bahnte. Ein Geschäft, bei dem zwei Namen im Pokalsockel eingraviert sind: Ferri Leimböck auf Platz eins, dicht gefolgt von Helmut Hochauer, zweiter Sieger.

      „Guter Tisch“, sagte ich und streckte ihm die Hand entgegen.

      „Ich habe die Redaktionssekretärin anrufen und um einen diskreten Platz bitten lassen. Zeitung zieht immer.“ Hochauer lachte breit wie ein Frosch, den lückenhaft bezahnten Mund einen Spaltbreit geöffnet, und von einem flachkehligen Gurren begleitet, das sich stakkatoartig über seine aufgesprungenen Lippen ergoss. „Sie wissen ja: Man weiß nie.“

      „Ich weiß. Nur weil Sie bei der Guten sind …“

      Hochauer gurrte und gurgelte noch lauter. Sein Lachen erstarb jedoch blitzartig, als ich den Oberkörper noch vorne schob und ihn mit vertraulicher Geste heranwinkte. Hochauer tat es mir gleich, beugte sich mir entgegen und die Bewegung seiner Schultern verriet, dass er unentwegt und in erregter Anspannung mit den Handflächen über die Schenkel seiner Flanellhose rieb.

      „Haben Sie eine Autoapotheke“, fragte ich ihn in der Hoffnung, einen verblüfften Blick zu erheischen, neigte den Kopf ein wenig, lüftete mein Sakko und kramte mit der Rechten in der linken Innentasche. Ohne die Augen zu heben fuhr ich fort. „Falls nicht, gebe ich Ihnen etwas mit.“ Doch eh ich mich versah, baumelte ein Paar Einweghandschuhe zwischen Hochauers wulstigen Fingerspitzen. Er hielt sie triumphierend hoch. „Sie können Ihre behalten. Sie wissen ja, nur weil ich bei der Guten bin …“ Hochauers Lachen schwoll zu einem vollkehligen Kläffen an.

      „Sind Sie noch lange kein Depp, ich weiß“, setzte ich fort. Und ein raffinierter Hund bist du obendrein. „Aber woher …“

      „Ich hatte eine geschlagene Stunde Zeit darüber nachzudenken, was Sie von mir wollen könnten“, fuhr er dazwischen. „Ihr Chef und mein Chef sind aus demselben Holz geschnitzt, dieselbe Art von Drohne. Wir beide lieben sie gleichermaßen, hab ich Recht?“

      Das freudige Funkeln in Hochauers Augen schuf Gewissheit: Meine grenzenlose Überraschung hatte die aufgesetzt versteinerte Kriminalbeamtenmiene von innen heraus durchschlagen, und ich spürte, wie mein Kopf wider Willen zu nicken begann.

      „Solange der Kurze dem Stocker die Stange hält und somit auch dem Hanser, kriegen Sie vom Staatsanwalt keinen Hausdurchsuchungsbefehl, nicht wahr?“ Der Kurze, hat er gesagt, dachte ich. Du kennst den Hausbrauch wirklich gut. „Daher schlage ich Ihnen ein Tauschgeschäft vor.“

      Er mir? War das noch zu fassen? „Ich höre.“

      „Sie wissen ja, es gibt viele kleine Vögelchen im Paulustor, die laut zwitschern. Und das eine oder andre setzt sich gerne an mein Ohr. Sie haben Spuren auf der Tatwaffe gefunden, die Sie nicht zuordnen können. Nein, unterbrechen Sie mich nicht. Nicht jetzt. Ich habe mir diese Sätze genau zurechtgelegt.“ Ich hatte die Hand rasch zu einem Einwurf erhoben und Hochauer hatte ihn ebenso rasch abgeschmettert. Sein Organ vibrierte wie das Tremolo eines Baritons, er war in voller Fahrt. „Jeden Morgen kommt eine Putzkolonie, um die Büros zu säubern. Die haben einen Generalschlüssel für alle Räume. Ich arbeite oft schon um diese Zeit. Der Hanser ist ein eitler Geck. Es wird ein Leichtes sein, unbemerkt die Haarbürste, mit der er sich halbstündlich durch seine verbliebenen Strähnen fährt, aus der Schreibtischlade zu holen. Da haben Sie zwei Fliegen auf einen Streich. DNS-Material und Fingerabdrücke. Ich packe die Bürste in ein Kuvert und schicke sie Ihnen am frühen Vormittag mit dem Taxi.“

      Ihr Schweinehunde, wer hat dem Hochauer die Sache mit den Fingerabdrücken gesteckt? Ich weiß es ja selber noch keine zwei Stunden. Ich werd euch alle, alle, die ihr davon gewusst habt, ins Gebet nehmen. Alle. Ruhig bleiben, Ferri, ruhig bleiben. Nicht überkochen. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht vor ihm. Gib dir nicht nochmals die Blöße. „Aber morgen ist Sonntag.“ In meinem Einwand schwang ein übermäßiges Zittern der Stimmbänder nach.

      „Wir produzieren jeden Tag jede Menge Mist. Sieben Tage die Woche. Von in der Früh weg.“ Hochauer zog beide Wangen hoch zu einer doppeldeutigen Grimasse.

      „Und im Gegenzug wollen Sie ein paar Exklusivinformationen, richtig?“

      „Sie sagen mir, ob er es war oder irgendein anderer und gehen damit erst raus, wenn wir mit der Abendausgabe schon auf der Straße sind. In den Abendnachrichten werden sie uns zitieren müssen, ob sie wollen oder nicht, die werten Kollegen von Funk und Fernsehen. Ich werde die Story so schreiben, dass kein Verdacht auf Sie fällt. Bei uns ist Informantenschutz oberstes Gebot. Äh ... natürlich nicht nur bei uns.“

      „Natürlich nicht. Haben Sie gar keine Angst aufzufliegen?“

      „Sie werden mich kaum verraten. Oder wollen Sie ein Disziplinarverfahren am Hals haben und suspendiert werden? Und ein kleines Pokerspiel ist mir die Sache mit dem lieben Martin Hanser allemal wert.“ Dabei zog er die Silben des lieben Martin Hanser um ein Mehrfaches in die Länge.

      „Ist der Stocker morgen in der Redaktion?“

      „Ab zehn, spätestens.“

      Ich zögerte nur einen kurzen Moment und schlug dann in die fleischige Hand ein, die sich mir entgegenstreckte. „Sie bezahlen“, sagte ich barsch. „Sie haben ein Spesenkonto.“

      „Aber … wir haben noch gar nichts bestellt“, entgegnete Hochauer verwundert.

      „Eben, deshalb.“ Ich sprang von meinem Sessel auf, machte kehrt und eilte hastig aus dem Promenade ins Zwielicht der Straßenlaternen. Du hast mir den Auftakt zu meinem Überraschungsangriff mit einer Blitzparade gestohlen, dachte ich, aber die Schlussfinte lass ich mir nicht nehmen.

      Kurz vor zehn Uhr war ich zuhause. Sturm Graz hatte tatsächlich verloren. Gegen diese Salzburger Mozartstadtnudeltruppe. Wo sind die Zeiten, sagte ich mir, da wir im Europacup kräftig mitgemischt haben? Da war zumindest noch ein Hauch von Echtheit zu spüren, damals, am Anfang des Höhenfluges. Bis der letzte Rest Ehrlichkeit unter Bergen von Geld zu Grabe getragen wurde und Faulheit und Trägheit um die besten Plätze am offenen Mannschaftssarg balgten. Wie bei uns im Paulustor, dachte ich, da spielt das wohlgemerkt wenige Geld anfangs auch keine und die Arbeit jede Rolle. Bis sich die Vorzeichen, bei immer noch recht wenig Geld, eines Tages verkehren.

      Im Keller, Samstagabend, 20 Uhr

      Das Abendmahl, Herr Redakteur.

      „Abendmahl? Das Letzte?“

      Du Jesus, ich Apostel? Nein, es ist nicht das Letzte. Wir haben ja noch einiges vor, nicht wahr? Iss nur und trink. Genieße den Abend, während ich draußen deine Arbeit verrichte.

      „Keine Unsterblichkeit mehr, ich flehe dich an. Diese Menschen haben