zuadraht. Werner Kopacka

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Название zuadraht
Автор произведения Werner Kopacka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783701178186



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blieb.

      „Hatte er Feinde?“

      „Feinde? Jeder Politiker hat Feinde. Fragen Sie die Menschen auf der Straße nach ihm. Obwohl …“ Ihr Blick wandte sich von mir ab und verharrte einen langen Augenblick in scheinbarer Leere.

      „Obwohl?“

      Ihr Brustkorb hob sich und sie schluckte tief, als wollte sie im nächsten Moment einen mächtigen Brocken heraufwürgen. „Sie werden keinen finden, der ehrlich ist. Der ausspricht, wie man mit Betrügern seines Schlags verfahren sollte.“

      Die Radikalität, mit der es nun aus ihr hervorbrach, ließ mich schaudern. Ihre Abscheu gegenüber Klausberger hatte die Schranke der Zurückhaltung, die Lebenspartnern von Politikern vorgesetzt ist, vollends durchbrochen. Sie muss ihn gehasst haben, womöglich schon von Anfang an, und außerdem hat sich ja doch einer gefunden, dachte ich. Andernfalls säße Klausberger beim Frühstück und wäre nicht in einer Blechkiste auf dem Weg in die Gerichtsmedizin. Mit leerem Magen, so wie ich.

      Überhaupt, was heißt einer? Muss es denn ein Mann sein? Die Wucht des Stiches hat mich zu der Annahme verleitet. Können es Frauen nicht ebenso gut, das kraftvolle Zustechen? Abgrundtiefer Hass treibt, und manchmal auch in den Abgrund. Warum soll der Mord politisch sein, werde ich sagen, aus politischen Motiven verübt, wie man so schön sagt, wenn’s endlich einmal einen von denen erwischt hat? Ein Mord als finaler Stimmzettel? Das ist doch absurd, meine Herren, werde ich sagen. Seit siebzehn Jahren bin ich im Polizeidienst, werde ich sagen, und in diesen siebzehn Jahren hat es das nicht gegeben. Meine Herren, ich bitt sie. Und seit ich vor drei Jahren zum Leiter des Morddezernates bestellt worden bin, als einer der jüngsten des Landes überhaupt, erst recht nicht. Kein politischer Mord. Die schönsten Morde haben wir gehabt in all der Zeit. Morde im Drogenmilieu, Morde an unliebsamen Komplizen, Morde aus Geldgier, Morde aus Hass, womöglich aus Eifersucht und sogar Morde aus bloßer Lust am Töten. All das hat es gegeben. Aber keinen politischen. Der österreichische Mörder ist kein politischer, der braucht das persönliche Umfeld des Opfers. Dort ist er zu suchen, und dort ist er zu finden. Da können die Vögel spekulieren, was sie wollen. Warum also, sage ich, meine Herren, werde ich sagen, soll es hier anders sein? Noch dazu, wo der Klausberger ein Privatleben geführt hat, na, ich sage Ihnen, meine Herren, eine Fleisch gewesene Angriffsfläche ist der Klausberger gewesen, für gehörnte Ehemänner und für verschmähte Liebhaberinnen.

      Barbara Klausberger fuhr fort, als hätte sie meine Gedanken erraten: „Fragen Sie seine Sekretärin nach den Weibern. Da müssen Sie suchen.“ Ein matt leuchtender Film benetzte ihre Augen und fing sich in den langen Wimpern der unteren Lider zu kleinen Tropfen. Sie machte ein paar Schritte zu einer elegant geschwungenen Kommode in der Vorhalle, kritzelte etwas auf ein Blatt Papier und gab es mir. „Da ist ihre Handynummer.“ Ihre Stimme vibrierte. „Und jetzt gehen Sie bitte.“ Dabei drückte sie die Türe mit sanfter Bestimmtheit zu, und ich machte nicht den Versuch, sie daran zu hindern.

      Sie hat alle Motive dieser Welt, überlegte ich auf dem Weg zurück zum Wagen. Und doch habe ich sie bisher keinen Moment im Verdacht gehabt. Ist es die Abneigung ihrem Mann gegenüber, diese so offen zur Schau gestellte Abneigung? Natürlich kann gerade das ihre Masche sein. Sich selbst ganz gezielt belasten, um derart von sich abzulenken. Das ist doppelte Perfidie. Bestimmt bist du dazu im Stande, Barbara Klausberger, dachte ich und ließ den Motor an. Schließlich hast du mir ungeschminkt vorgeführt, wie man sie sich zunutze machen kann, die Mechanismen und Systeme. Warum also nicht auch Mechanismus und System polizeilicher Arbeit?

      Außerdem holen die Frauen auf, in allen Belangen holen sie auf. In der Wahl ihrer Mittel sind sie schon lange nicht mehr zimperlich. Sie dringen in die letzten männlichen Domänen, fahren betrunken Auto und rauchen sogar Zigarren. Nur in die Dusche pinkeln sie noch nicht. Was ist da schon ein Messermord an der Murpromenade? Ich werde mit Gabi Schulenburg darüber diskutieren, dachte ich erheitert. Ich werde ihr alles erzählen, und sie wird fauchen, dass eine Frau doch nicht den Stier schlachtet, der die Milch gibt. Gewissermaßen. Und beim Joggen schon gar nicht. Weil die wenige Zeit, die frau zum Joggen bleibt, frau auch zum Joggen nützt. Da gibt es bessere Möglichkeiten. Gift, für dich, Ferri, wenn es recht lange dauern soll, würde sie sagen. Und eine Kugel, wenn es ganz schnell gehen soll, weil halt keine Zeit bleibt. Und dazwischen das volle Programm. Und ich werde ihr nicht Recht geben, auch wenn sie Recht hat, weil gerade darin die weibliche Hinterfotzigkeit liegt, werde ich sagen. Und sie wird aufspringen, wie sie nicht nur einmal aufgesprungen ist, und ihren stämmigen Körper bedrohlich über meinem Schreibtisch aufpflanzen, bereit, ihre Krallen im nächsten Moment in mein Gesicht zu schlagen. Ihre Kampfeslust ist ungebrochen geblieben, dachte ich, geht es um Frauen an sich und in der Gesellschaft im Speziellen, ungebrochen über all die Jahre, die sie im Morddezernat als Sekretärin arbeitet. Die heftigsten Gefechte haben wir uns geliefert, die Schulenburg und ich und die Kollegen auch. Spendiere ich ihr ein Lächeln, eine Entschuldigung und einen Kaffee in der Kantine und in ebendieser Reihenfolge, ist die Sache erledigt. Jedes Gefecht hat so geendet. Und für jedes dieser Gefechte bin ich ihr dankbar, für jedes Einzelne. Das baut dich auf und die Spannungen ab, die der Job naturgemäß mit sich bringt. Man darf doch nicht alles, sagen die Kollegen, die ebenso gerne streiten mit der Schulenburg, mit nach Hause nehmen, und dann lassen sie den Ärger zurück und begnügen sich stattdessen mit dem Büromaterial.

      Auf dem Weg zum Paulustor befiel mich ein Anfall undefinierbarer Übelkeit. Das Gefühl im Mund überquellender Maroni war längst gewichen, vielleicht war es nackter, ordinärer Hunger? Geh deinem Magen auf den Grund, riet ich mir und steuerte den Fleischhauer meines Vertrauens an. Käsekrainer führt er keine, dafür warmen Käsleberkäse und extrafeurige Bohnenpfefferoni obendrein. Die von Hengstenberg. Fast wie im Stadion, dachte ich. Nur eben ohne Fußball. Und ohne Käsekrainer. Und ohne Rosas vorwurfsvoll scharfen Blick, wenn sie es nur wüsste. Das Spiel heute Abend. Ich zuckte zusammen. Das Meisterschaftsspiel gegen Salzbug hatte und konnte ich vergessen. Die Karten für Ferri und mich würden verfallen. Ferri war mit Lisa, Franz und seiner Mutter bei den Großeltern auf dem Weingut, und ich würde wohl ...

      Dreißig Deka Leberkäse und sieben Bohnenpfefferoni lassen selbst die undefinierbarste Übelkeit einer definierbaren weichen. Eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit betrat ich mein Büro. Das Empfangskomitee bestand aus dem schrillen Läuten des Telefons und einer aufgeregten, ebenso schrillen Stimme. „Wir brauchen Ergebnisse, Leimböck!“ Ich sah Aegidius Weißengärber im Geiste vor mir auf- und abspringen, wie immer in feines Tuch samt Gilet gehüllt, ein Polizeidirektor wie ein Klischee, aber so sind sie eben, die Polizeidirektoren. Man munkelt, er habe seinen Spazierstock mit Silberknauf auch neben dem Bett stehen, um jederzeit und überall den Takt angeben zu können. Man weiß nie.

      „Ich weiß, Herr Direktor. Wir tun unser Möglichstes.“

      „Das habe ich befürchtet, Leimböck, denn das ist zu wenig. Was glauben Sie, wie viele Chefredakteure mich schon zu Hause angerufen haben, seit die erste Meldung im Radio lief. Da reden sie von politischem Mord und dergleichen mehr. Um dreizehn Uhr ist Pressekonferenz. Sehen Sie zu, dass Sie etwas vorweisen können.“

      Tuuuuuut. Weißengärber grüßt seine Untergebenen niemals. Und am Telefon schon gar nicht. Nicht am Anfang eines Gesprächs und erst recht nicht am Ende. Er kreischt sofort schnaufend hinein (manchmal schnauft er auch kreischend) und legt ebenso blitzartig wieder auf. Man sollte den Umgang mit seinen Grußformeln zum Teil der Polizeiausbildung machen. Junge Kollegen muss man auf alle Härten vorbereiten.

      Punkt halb zwölf drückte ich die Türschnalle zum Besprechungsraum nieder. Die letzten Sekunden vor einem Termin, das sind die wichtigsten überhaupt. Da warte ich ungesehen auf der anderen Seite der Mauer und erscheine genau dann, wenn der große Zeiger in den Zenit meiner Armbanduhr springt. Wie die Ansage auf dem Perron bei Abfahrt des Zuges. Das musst du verstehen, Rosa, auch die Zeit braucht ihr System und ihre Ordnung. Sind denn Züge pedantisch, nur weil sie gerne pünktlich sind?

      Fauler und Kurz waren schon da. „Stillhofer kommt sofort“, versuchte Kurz zu beschwichtigen. Er hatte meinen umherschweifenden Blick bemerkt. „Wir alle wissen, was dir dein Vater eingetrichtert hat: ,Wenn es Züge schaffen, nach Hunderten von Kilometern auf die Minute anzukommen, muss ein Mensch es ebenso schaffen. Pünktlichkeit ist ein menschliches Bedürfnis,