zuadraht. Werner Kopacka

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Название zuadraht
Автор произведения Werner Kopacka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783701178186



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das ist blanker Unsinn. Da hätte sich die ganze Stadt Graz anstellen müssen, um ihm in die Eier zu treten.“

      Fauler grinste. „Wie bei ,Mord im Orient-Express‘. Nur dass es nicht sieben oder acht mit einem Messer sind, sondern 225.000 mit Stahlkappen an den Schuhen.“

      Stillhofer ließ nicht locker. „Schon möglich, Willi. Aber es findet sich manchmal eben doch einer, der es wirklich tut. Sonst säßen wir nicht hier.“

      Der Gedanke ist mir nicht ganz fremd, dachte ich. Und er entbehrt auch nicht einer gewissen Logik. Dass der Klausberger oder das, was einmal den Klausberger ausgemacht hat, mit einem Loch im Herzen auf der Prosektur liegt, ist schwer zu bestreiten. Aah, es widert mich an, es zugeben zu müssen, aber der Kerl hat Recht. Wir dürfen es nicht ganz außer Acht lassen. Kurve kratzen, Ferri, die Kurve kratzen. „Franz hat Recht. So unwahrscheinlich es auch ist, wir müssen es in Betracht ziehen. Ihr wisst, was das bedeutet?“

      „Ab in die Dreckkiste“, sagte Michelin. „Wühlen im Privatleben eines Hurenbocks. Eines stadtbekannten noch dazu. Das verspricht gehörige Staubwolken, in denen es sich nicht immer gut husten lässt.“

      „Vor allem im konservativen Lager“, hakte Kurz ein. Seine Schadenfreude war von genau jener Qualität, wie sie gewerkschaftlich engagierte Menschen bei passender Gelegenheit gerne zur Schau stellen. „Geht es um das Hochhalten familiärer Werte, ist der Klausberger in bester Gesellschaft. Ob Landesrat oder Landeshauptfrau, ein Pantscherl gehört dort zum guten Ton. Ich glaube sogar, das wird bei denen im Fach politische Bildung gelehrt.“

      „Das tut nichts zur Sache.“ Eine Kreissägenstimme in gebieterischem Tonfall schwängerte den Raum. Keiner von uns hatte bemerkt, wie der kleine Körper sich in den Türstock geschoben hatte und nun in gewichtiger Pose, die Hände unterhalb des offenen Sakkos in die Hüften gestützt, breit und bedeutend gab. Auch wussten wir nicht, wie lange Aegidius Weißengärber schon da stand. Auf jeden Fall zu lange. „Es wird keine Schmutzwäsche gewaschen. Das habe ich der Frau Landeshauptmann wie auch dem Herrn Bürgermeister zugesagt. Äußerste Diskretion ist geboten. Dass das ein für alle Mal klar ist. Und die Sache mit dem Tritt bleibt auch unter uns.“

      So lange also.

      *

      Vierzig Minuten später warf Weißengärber sich ein weiteres Mal breitbeinig aufgepflanzt in Pose. „Es ist ein Schock für uns alle, meine Dame und meine Herren Redakteure, die ganze Stadt, ja die gesamte politische Welt des Landes, möchte ich betonen, steht unter Schock, und … jawohl, der Herr Stadtrat war beim Joggen, als es passiert ist, und Sie können sicher sein, dass Oberstleutnant Leimböck, der Leiter der Mordgruppe, seine ganze Erfahrung unter meiner Ägide, Aegidius ist ja Vorname und Berufung zugleich ... – wie? – ja, natürlich bekommen Sie Fotos von der Tatwaffe, ein Messer mit fernöstlicher Gravur übrigens, und wir wären Ihnen dankbar, könnten Sie das Bild bla bla bla ...“

      Schwitz nur, mein lieber Kurzer, und jetzt, da dieser junge Spund vom privaten Fernsehen angeregt hat, ob es denn nicht auch ein Raubmord gewesen sein könnte und du hämisch in dich hineingegrinst und durch das Murren und verhaltene Journalistengelächter hindurch geantwortet hast, das ist wohl Ihr erster Mord, Herr Kollege, gell, Jogger tragen doch nur selten viel Bargeld bei sich – jetzt also wird dich der kleine, graumelierte Dicke, der von der Guten, der immer alles doppelt genau wissen will und auch das kleinste Detail in seine Geschichten hineinpresst, gleich nach seinem Privatleben fragen. Nach all den klausbergerschen Weibern, um die sich ja die wildesten Gerüchte ranken. Und mit denen man nun, wo der Klausberger tot sei, nicht mehr hinterm Berg halten dürfe, weil es ohnedies ein offenes Geheimnis gewesen sei in der Branche. Und weil er, Direktor Weißengärber, sich doch ganz bestimmt nicht dem Vorwurf ausgesetzt wissen wolle, nicht in alle Richtungen ermittelt zu haben, und erst recht nicht handle es sich bei dem Opfer um eine Person wenn schon nicht öffentlicher Wertschätzung, so doch öffentlichen Interesses.

      Bei Pressekonferenzen trägt der Kurze Anzüge aus besonders saugfähigem Stoff, damit er nicht davonrinnt in seiner ganzen Schwitzerei.

      „… bla bla bla und Sie wissen doch, mein lieber Herr Hochauer, wie lange kennen wir uns jetzt, dass ich Sie, Herr Redakteur, niemals anschmettern würde, weil Offenheit immer schon mitbegründender Teil unseres gegenseitigen Respekts war. Aber von so privaten Geschichten, wie Sie sie hier und jetzt ansprechen, glauben Sie mir, habe ich wirklich noch nichts gehört. Was nicht heißen soll, dass wir nicht jeden kleinen Hinweis verfolgen werden, der Oberstleutnant Leimböck und ich. Er hat ja auch schon ein paar viel versprechende Ermittlungsansätze, über die ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts verraten darf, Sie wissen ja, meine Herren Redakteure, und, pardon, meine Dame natürlich, taktische Gründe untersagen uns das, und ... – wie? –, selbstverständlich werde ich Sie, ich würde sagen, zumindest stündlich auf dem Laufenden halten. Dankeschön.“

      Und dann hast du mir bei kurzem Nicken beidäugig zugezwinkert, Aegidius Schweinehund, mir, der ich unter deiner Ägide angeblich die eine oder andere viel versprechende Spur verfolge, was heißen soll: Sie machen das schon, Leimböck, ich setze mein ganzes Vertrauen in Sie, aber wagen Sie es ja nicht, Auskünfte zu erteilen, denn in solch heikler Causa ist das einzig und allein Chefsache, und hast dich dann davongemacht, ehe noch irgendein Journalist mit irgendeiner Reporterfrage weiter und unangenehm tief in dich hat hineinbohren können.

      Es dauerte eine Stunde, bis ich mich gefangen hatte.

      Soko Klausberger, unter der Leitung von Sbeschl Eïdschnt Ferry Laïmbeck; oder auch: Operation Rattensumpf; oder auch: Leimböck, übernehmen Sie. Ich werde meine interne Ermittlungsmappe damit betiteln. Wenn wir schon nix wissen und nix drinsteht, soll es wenigstens nicht nach nix klingen, dachte ich ein klein wenig träumerisch, wieder in die aufgeräumte Vertrautheit meines Büros zurückgekehrt, die Beine verschränkt auf der Schreibunterlage geparkt, den Rücken in die beinahe verstellbare Massivholzlehne gepresst, auf dem dritten meiner drei mitgebrachten russischen Reiseparadeiser kauend, bei leisem Brummen im tibetanischen Gebetsmühlenrhythmus und mit heruntergeklapptem Augenvisier auf den Staatssesselhinterbeinen wippend. Damals, als du mit sechzehn das erste Mal bis drei ausgehen durftest und dich auch um Punkt drei, zugegeben mit leichtem Gösserbierdamenspitzerl im Marschgepäck, in die Türnische der Liftanlage gepresst hast, Ferri, augenblicklich weggenickt bist und eine Dreiviertelstunde später immer noch stehend geschlafen hast. Damals, als du nur nicht in die Kabine geköpfelt bist, weil der Aufzug defekt war, und erst recht das vierte Stockwerk zur väterlichen Eisenbahnerbetriebswohnung hast erklimmen müssen, bei Schwierigkeitsstufe fünf plus und auf allen Vieren. Damals also hast du gelernt, dass sich bei sitzender Tätigkeit im Vergleich geradezu spielend und ohne die Tücken einer Liftkabine die eine oder andere Remphase durchleben lässt. Mit der allergrößten Leichtigkeit im Büro und auch wippend.

      „Sie werden sich die Augen verderben, Herr Oberstleutnant, wenn Sie ohne Licht arbeiten.“ Ich hatte mich über das Nachmittagsblau und das Dämmerungsgrau hinaus und in die schwarze Luft hineingewippt, als Hubmann den Raum betrat. Sein Taktgefühl ersparte mir die Peinlichkeit und ihm eine schroffe Antwort.

      „Sie hätten Concierge werden sollen. Gibt es Neuigkeiten aus dem Labor?“

      „Durchaus. Auf dem Messer sind lupenreine Fingerabdrücke. Beste Qualität. Sie erlauben?“ Er knipste das Deckenlicht an.

      Ich verharrte einen Augenblick, das Gesicht dem Dunkel zugewandt, das durch das geschlossene Fenster (die Scheiben gehörten längst geputzt) hereinbrach, riss die Augenschlitze auf, schnellte mit gespielter, spielerisch wirkender Leichtigkeit aus dem Sessel empor und war mit dem hünenhaften Hubmann auf Scheitelhöhe. „Was sagt der Computer?“

      Hubmann schreckte zurück. „Bisher negativ. Er muss sich wohl sehr sicher fühlen.“

      „Oder sie.“

      „Wer? Ich?“

      „Nein, er oder sie. Man weiß nie, Sie verstehen?“

      Hubmann lächelte mit der Verlegenheit eines beim Onanieren Ertappten, und seine Zähne, von jahrzehntelangem Kettenrauchen wie die pfeifende Lunge auch geteert, blitzten messinggelb hervor. „Wollen Sie eine?“ Er griff in die Brusttasche seines um die Achseln halbkreisförmig