zuadraht. Werner Kopacka

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Название zuadraht
Автор произведения Werner Kopacka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783701178186



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Später, wenn sie vorbei ist, gibt es die nächste Dosis Schmerztabletten und eine neue Ladung deines Freundes Absolut. Zunächst bitte ich dich aber um etwas Geduld und Aufmerksamkeit. Ich werde dir nämlich jetzt deine nächste Kolumne vorlesen.

      „Meine Kolumne? Einen Scheiß werde ich tun. Warum quälst du mich weiter. Du hast doch schon erreicht, was du wolltest. Ich habe den Klausberger umgebracht, reicht dir das nicht?“

      Psssst. Keine künstliche Aufregung. Bleib ruhig und denk an den Wodka. Ich will dich nicht fesseln, aber wenn es nicht anders geht, dann muss ich es wohl tun. Finger, Zehen, Kniescheiben? Wollen wir nicht. Zu viel Aufwand, wenn es auch mit Vernunft geht. Bist du bereit für die Lesung?

      „Dann lies doch, verdammt nochmal. Lies, lies, lies ...“

      Es steht außer Zweifel, dass die Steiermark von der touristischen Erschließung des Thermenlandes profitiert hat. Zweifellos war es ein Segen, als vor einigen Jahrzehnten bei Probebohrungen im damals wirtschaftlich so schwachen Osten unseres Bundeslandes statt des erhofften Öls plötzlich heißes Wasser aus dem Boden schoss. Überraschend schnell verwandelten damals kluge Köpfe die anfängliche Enttäuschung in eine Zukunftshoffnung. Wenn wir schon keine Ölprinzen sein dürfen, dann wenigstens Bademeister! In Loipersdorf und Waltersdorf wuchsen mit kräftiger Unterstützung des Steuerzahlers rasch so genannte Thermalbäder mitsamt der nötigen Infrastruktur aus dem Boden, Erholungssuchende aus aller Welt nutzten das neue Angebot, und das ehemalige Notstandsgebiet im Osten wurde zu einer gewinnbringenden Bade-Oase. Nichts Neues, wird der geneigte Leser sagen. Was will er denn, der Hanser? Ihre Aufmerksamkeit, sage ich. Denn jetzt kommt es erst: In der scheinbar so blühenden Tourismusregion, auf die alle Steirer – wie uns findige Öffentlichkeitsarbeiter immer wieder einhämmern – so stolz sein sollten, stinkt es gewaltig! Denn jener Mann, der sich so gerne mit dem Beinamen „Thermen-Leo“ schmückt, hat uns ganz kräftig über den Tisch gezogen.

      Wir alle liefern nämlich brav, bieder und pünktlich unseren Steuer-Obolus, um etwas mitzufinanzieren, das in erster Linie dem Herrn Tourismuslandesrat Leopold Moser und dessen Familien-Clan zu Reichtum verhilft. Max Stenzl, allen Lesern diverser Gesellschaftskolumnen als jovialer, wohltätiger und trotz seines Erfolges bescheiden gebliebener Geschäftsführer der Fünf-Sterne-Therme in Bad Loipersdorf bekannt, ist nämlich der Schwager des guten Landesrates. Der Politiker selbst hält 40 Prozent der Anteile an dessen Firma „Vita-Therma“. Und diese „Vita-Therma“ wiede­rum – man lese und staune – ist an einem guten Dutzend Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben der Region mit Anteilen, die von fünf bis zu zehn Prozent reichen, beteiligt. In anderen Worten: Unser guter „Thermen-Leo“ nascht an fast allem kräftig mit, das im Thermenland an Gäste verhökert wird. Wie es dazu kam, ist zumindest aufklärungsbedürftig. Das Thermenland gibt es jedenfalls nur, weil es der Politiker Leopold Moser mit unserem Geld geschaffen hat. Ich weiß nicht, wie man solche Machenschaften bei uns nennt. Etwas weiter südlich, bei unserem EU-Bruder Italien, würde man „Mafia“ dazu sagen. Und „Thermen-Leo“ wäre dort so etwas wie ein „Pate“. Wie man Menschen, wie ihn, in Sizilien los wird, ist bekannt. Auch bei uns muss man einen Weg finden, um dieses üble Spiel abzustellen, fragt sich nur welchen.

      „Mein Gott, der Moser ist der Nächste, das blöde Frage- und Antwortspiel.“

      Stimmt, du hast ihn höchstpersönlich ausgewählt. Aber ich gratuliere dir, es war eine gute Wahl. Es hätte keinen Würdigeren treffen können. Keiner von denen dort oben ist das, was man sich von einem anständigen Politiker erwartet. Sie dienen dem Volk, das sie naiv und vertrauensvoll gewählt hat, längst nicht mehr, im Gegenteil. Ihr Bestreben ist es, uns, den wehrlosen Pöbel zu beherrschen. Einige tun es weniger, andere mehr. Und die ganz Üblen unter ihnen, wie der Thermen-Leo, werden zu ekeligen Egeln, die uns bis auf den letzten Blutstropfen aussaugen wollen. Du bist es, der sie jetzt endlich der gerechten Strafe zuführt. Sei stolz darauf!

      „Woher weißt du ... ich meine, wie kommst du zu den Informationen über den Moser. Mein Informant. Ich habe ihn erst gestern im Café Promenade getroffen. Ich wollte das alles überprüfen und es dann erst schreiben ...“

      Ich war der Schnurrbärtige am Nebentisch. Der mit der New York Yankee-Baseballmütze und der Jeans-Jacke. Ich habe das Gespräch sogar auf Band. Vielleicht spiele ich es dir einmal vor.

      „Tu es nicht, ich flehe dich an, bring nicht noch einen Menschen um. Ich mach alles, was du willst. Was kann ich tun, um es zu verhindern? Willst du meinen zweiten Daumen? Du kannst ihn haben ...“

      Küche, Samstagabend

      Beinahe rührend. Wenn man den Weg eingeschlagen hat, den ich von nun an zu gehen habe, dann muss man – Regel Nummer eins – die totale Kontrolle über seine Gefühlswelt haben. Wider Erwarten lässt mich mein Gefangener aber doch nicht so kalt, wie ich es geplant hatte. Es ist noch nicht Sympathie, die ich für ihn zu empfinden beginne, und schon gar nicht Mitleid, aber da ist irgendetwas, das uns zu verknüpfen beginnt. Es war mir immer klar, dass ich bei der Erfüllung meiner Aufgabe in seine Persönlichkeit schlüpfen muss. Ich schreibe seine Kolumnen und ich begehe seine Morde. Bei der Planung schien das alles ganz einfach zu sein. Beobachte das Objekt, studiere sein Leben, seine Gewohnheiten, konzentriere dich dabei auf jedes scheinbar noch so unwichtige Detail und baue daraus ein unsichtbares Ebenbild, eine Marionette, deren Fäden du nach Belieben ziehen kannst. Die Realität ist nicht ganz so, weil der Gefangene aus der Nähe doch anders ist als jene abstrakte Figur, die in meinen Plänen vorkommt. Um das Aufkommen jeglicher Emotionen, die in Richtung Sympathie oder Mitgefühl gehen könnten, zu verhindern, hatte ich – zur Sympathie-Abwehr – den Trick mit dem Wodka geplant. Ein lallender Idiot schafft nur Ekel und Verachtung.

      Jetzt kostet es mich aber Mühe, jene Gefühle aufrecht erhalten zu können, die ich für mein Vorhaben brauchte. Eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Hass, jedenfalls kein Mitleid mit meinem Gefangenen. Ich bin jetzt er, ich darf jedoch nicht so sein, wie er tatsächlich ist. Ein irrer Satz. Aber ich glaube, dass er stimmt. Ich werde ihn mir merken und später noch einmal darüber nachdenken. Fest steht, dass ich dem Gefangenen gegenüber mehr Distanz wahren muss.

      Mein Job und die vertrottelte Uniform. „Security Guards“ nennt man Nachtwächter wie mich heute hochtrabend. Und weil man schon einen Ami-Titel benutzt, steckt man uns auch in die dementsprechende Kleidung. Ich trage so etwas wie einen schwarzen Kampfanzug samt Abzeichen und Barett. Keine Waffe. Offiziell. Meine Glock ist trotzdem immer dabei. Inoffiziell. Man weiß ja nie, wann und wozu man sie brauchen kann. Die Welt ist voller Irrer.

      Falls ich sie wirklich einmal verwenden sollte, wird es zwar ein Opfer geben, aber mit Sicherheit keinen Täter. Man wird die Waffe finden, aber man wird sie niemals mit mir in Verbindung bringen können. Ich habe sie vor Jahren bei einer Hausdurchsuchung verschwinden lassen. Keiner, außer ihr Vorbesitzer, wusste von ihrer Existenz. Und der war damals heilfroh, dass man sie anscheinend nicht entdeckt hat. Er hatte sie illegal besessen und die eingestanzte Nummer herausgefeilt. Der Mann, dem sie gehört hatte, hat sich übrigens bald nach seiner Verurteilung in der Zelle erhängt. Aus der Praxis und vielen Fallstudien weiß ich, dass es sehr oft die Waffe ist, die die Ermittler auf die Spur des Täters führt. Jede Waffe hat eine Geschichte und jeder Besitzer kommt in ihr vor. Ich bin zwar der derzeitige Besitzer meiner Glock, aber es gibt nur eine einzige Person, die das weiß – ich selbst. Sicherer kann ein Geheimnis nicht bewahrt werden. Ich habe kurz überlegt, ob ich sie beim Thermen-Leo einsetzen sollte, den Gedanken aber bald wieder verworfen. Gerade weil die Glock keine Geschichte hat, die für den Schleimböck erkennbar ist, ist sie im Zusammenhang mit Hanser als Tatwaffe ungeeignet. Eine Waffe wie diese kann man, wenn überhaupt, nur über Kontakte in der Unterwelt bekommen. Solche hat der feine Herr Redakteur nicht. Das weiß ich, weil ich ihn intensiv beschattet und beobachtet habe und das wird auch der Schleimböck sehr bald wissen. Für den Thermen-Leo habe ich mir etwas viel Besseres einfallen lassen.

      *

      „Chefredakteur Stocker hat mir versichert, uns über die Ermittlungsstände bezüglich des Herrn Hanser auf dem Laufenden zu halten, Leimböck. Er hat gesagt, er könne ihn zwar nicht erreichen, stehe mit ihm aber gewissermaßen in Kontakt. Sehen Sie lieber zu, dass Sie den Mörder vom Klausberger kriegen und tun Sie nichts, was mir Leid tun könnte,