Название | Die Chroniken der drei Kriege |
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Автор произведения | S. A. Lee |
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Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783967525557 |
Verwirrt musterte er sie.
»Seid Ihr nicht die junge Novizin, die der Großfürst unter seinen Schutz gestellt hat?«, fragte er. »Was, bei den Dreien und all ihren Geschöpfen, macht Ihr hier?«
Elouané musterte sein Gesicht; sie glaubte, den Mann schon einmal im Palast gesehen zu haben, wie er flüchtig mit Megan sprach. Er war ein Heiler, seiner Robe nach zu schließen. Kirin hatte ihn aus seinem Kreis ausgeschlossen, weil … Elouanés Herz zog sich zusammen; weil er dem schwarzen Orden zur Rückkehr verholfen hatte.
Sie riss ihren Arm von ihm los und wich zurück.
Der Heiler betastete seine verletzte Wange und verzog das Gesicht. Dann sah er sich um, sichtbar irritiert. »Ihr solltet nicht hier herumwandern, ganz allein! Wo sind Eure Wachen? Seine Exzellenz hat ausdrücklich befohlen, dass Ihr stets unter Aufsicht bleiben müsst.« Einen Moment lang dachte der Mann nach, dann fuhr er mit gerunzelter Stirn fort: »Überhaupt dachte ich, Ihr wäret heute mit Seiner Exzellenz fortgegangen, um Euren Tempel einzuweihen? Die ganze Stadt spricht davon. Seine Exzellenz hat zwar in letzter Zeit davon abgesehen, mich persönlich über seine Vorhaben zu informieren, aber …« Erst jetzt bemerkte er ihren Gesichtsausdruck. »Kind, was ist mit Euch? Ist Euch nicht gut? Ihr seht aus, als hättet Ihr ein Gespenst gesehen!«
Elouané antwortete nicht; ihr Blick hing starr an der Waffe in den erdverklebten Fingern des Heilers; es war ein gebogener, brutal aussehender Dolch, in dessen Griff Runen und Verzierungen eingraviert waren.
Schattenrunen.
Derselbe Dolch, den der Dunkle Gott auf vielen Darstellungen bei sich trug.
Sie wich zurück, sämtliche Muskeln angespannt.
Der Heiler folgte ihr.
»Was habt Ihr denn? Wo ist Asusza? Wo sind Eure Leibwächter?«
Elouané antwortete noch immer nicht, und endlich schien der Mann zu begreifen; er folgte ihrem Blick und ließ hastig den Dolch sinken. »Habt keine Angst«, versuchte er es und verstaute die Waffe an seinem Gürtel. »Ihr habt nichts zu befürchten. Aber es ist dennoch besser, wenn ich Euch …«
Einen Herzschlag wandte er den Blick ab, und Elouané nutzte ihre Chance; ohne auf seinen überraschten Ruf zu achten, rannte sie los, in die Richtung, aus der sie gekommen war. Sie stürmte auf den kleinen Kreuzweg hinaus, an dem sie zuvor rechts abgebogen war, hetzte ohne nachzudenken weiter – und prallte zum zweiten Mal binnen weniger Minuten mit jemandem zusammen, diesmal so heftig, dass es sie rücklings hinschlug. Die Luft wich aus ihren Lungen, und einen Augenblick sah sie nichts außer verschwommenen Schlieren, während sie verzweifelt versuchte, wieder zu Atem zu kommen. In dem Augenblick, als sie sich auf den Bauch drehte, senkte sich ein schwarzer Stiefel vor ihr ins Gras.
»Nun seht, wie unser Gebieter stets über uns wacht«, sagte eine schnarrende Stimme. »Von Seinem Willen geführt, läuft das ersehnte Gefäß uns direkt in die Arme.«
Elouané sah hoch und schauderte, als der schwarzgekleidete Mann sich über sie beugte; sein hageres Gesicht war verzerrt und wirkte in dem seltsamen Zwielicht des Gartens kaum lebendig.
»Kaum zu glauben, welche Mühe es einigen meiner Brüder bereitet hat, dich zu finden«, meinte er weich, »wo du dich doch so bereitwillig in unsere Obhut begibst.«
Wieder raschelte es hinter ihr, und einen Augenblick später erschien der Heiler zwischen den Hecken. Sein Blick wanderte von Elouané zu dem Schwarzgekleideten, und während er noch hinsah, tauchten aus den angrenzenden Wegen weitere Schatten auf.
»Sieh da«, höhnte der mit dem verwischten Gesicht und erhob sich. »Ein Zuschauer.«
»Das ist der Mann, der unserem Oberen Stilicho die falschen Versprechungen gemacht hat«, wisperte einer seiner Gefährten, die jetzt einen engeren Kreis zogen, sodass weder Elouané noch der Heiler einen Fluchtweg hatten. »Der Heiler.«
Hämisches Kichern breitete sich unter den Männern aus, dass sich Elouané die Nackenhaare sträubten.
Der Heiler trat vor, während er argwöhnisch von einem zum anderen blickte. »Was habt ihr hier zu suchen? Wie seid ihr an den Wachen vorbeigekommen?«
Wieder lachten die Männer.
»Nun, das mit deinen Wachen hat sich erledigt«, erwiderte der Mann mit den deformierten Zügen. »Der kleine Junge, dem du dienst, dachte wohl, wir wären dumm genug, auf seine Täuschung hereinzufallen – es war ein Fehler von ihm, so viele seiner Soldaten abzuziehen. Es braucht viele gewöhnliche Menschen, um mit wenigen von uns fertigzuwerden.«
Der bärtige Heiler machte einen weiteren vorsichtigen Schritt nach vorn, sodass er an Elouanés Seite stand. »Falls ihr es auf Seine Exzellenz abgesehen habt, ist euer Vorgehen dennoch töricht: Die Palastsoldaten werden mit ihm kommen, wenn er zurückkehrt.«
»Falls er zurückkehrt«, berichtigte der Schwarzgewandete, und seine Gefährten lachten wieder. Dann jedoch wurden die verwischten Züge ernst. »Aber genug mit dem Geschwätz; dein Großfürst ist nicht von Belang für mich – mein Gott wird ihn früh genug verschlingen, weil er es wagte, sich gegen Ihn zu erheben. Alles, was mich interessiert, ist das Gefäß. Wir werden sie in die Heimat unseres Gottes bringen, und du wirst uns dabei nicht im Weg sein, oder auch du wirst Seinen Zorn auf dich ziehen.«
Der Heiler sagte nichts und sah sich langsam nach Elouané um; sie hatte sich auf die Füße gekämpft, doch sie wusste, dass sie nirgendwohin fliehen konnte. Der Heiler erwiderte ihren Blick einen Augenblick lang mit undeutbarer Miene, dann machte er einen einzigen, demonstrativen Schritt zwischen sie und die Männer in Schwarz.
Erneut brandete hie und da Gelächter auf, Elouanés Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Das ist eine sehr dumme Entscheidung«, sagte der Mann mit dem entstellten Gesicht kalt und hob die Hand.
Es war, als sähe Elouané dabei zu, wie sich zwischen ihr und dem Mann in Schwarz ein Wasserfall auftat; die Luft um seine Hände wurde flüssig, dann ertönte ein fürchterliches Brausen, und im nächsten Augenblick traf ein magischer Schlag den Heiler, mit solcher Wucht, dass er nach hinten in die Hecke geschleudert wurde und sie umriss; Äste und Strauchwerk regneten auf ihn nieder und begruben ihn augenblicklich unter sich.
Er bewegte sich nicht mehr.
»NEIN! NEIN! MÖRDER! UNGEHEUER!«
Elouané schrie und weinte wild durcheinander, aber ehe sie irgendetwas tun konnte, schob sich wie eine Wand aus Finsternis der Mann mit dem furchtbaren Gesicht in ihr Blickfeld. Mit eiskalten Händen packte er ihr Gesicht und verschloss ihr den Mund, sodass sie kaum noch Luft bekam. Sie schüttelte den Kopf, wollte sich freimachen von ihm und seinen grässlichen Fingern – und dann sickerte etwas in ihren Verstand wie kühler, flüssiger Honig, ihre Augen rollten nach innen und alles wurde schwarz.
»Sie ist fort.«
Kirin hatte damit gerechnet, von dem Moment an, als er die Schneeeule gesehen hatte, aber es laut zu hören, war trotzdem unsagbar grausam. Das Gesicht in den Händen vergraben, saß er am Kopfende eines von scheußlichen medizinischen Düften umgebenen Bettes, während draußen eine blutrote Sonne unterging.
Der Kampf in der Stadt hatte lange gedauert, und noch länger die Suche nach Elouané, bei der sie den gesamten Palast auseinandergenommen hatten. Schließlich hatte man weit in den westlichsten Ausläufern der Gärten Aderuz gefunden, von einer völlig zerstörten Hecke begraben, an ihm die deutlichen Spuren schwarzer Magie. Als die Windreiter festgestellt hatten, dass der Mann entgegen aller Hoffnung noch lebte, hatten sie ihn so schnell wie möglich in den Palast gebracht, wo Megan und einige Heilergehilfen sich seiner angenommen hatten. Der Unterschenkel, der von einem magischen Angriff komplett zerfetzt worden war, hatte bis zum Knie amputiert werden müssen, außerdem waren laut Megan mehrere Wirbel gebrochen und