Die Chroniken der drei Kriege. S. A. Lee

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Название Die Chroniken der drei Kriege
Автор произведения S. A. Lee
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Год выпуска 0
isbn 9783967525557



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dennoch hörten es nur Kirin und Rhùk. »Ich hätte geschworen, sie greifen uns an!«

      »Allein der Schatten weiß, was in den verdrehten Gehirnen dieser manteltragenden Fanatiker vorgeht«, erwiderte Rhùk in derselben merkwürdigen Lautstärke. Kirin kaute auf seiner Unterlippe herum und schwieg.

      Mittlerweile hatten die Anführer der Prozession den Tempel erreicht und machten Platz, um die Wagen durchzulassen; in gemäßigtem Tempo scherten sie nach links und rechts aus, um den kleinen Steinbau in entgegengesetzten Kreisen zu umfahren, während die Novizin mit klarer Stimme einen Gesang anstimmte, in den nach und nach die Zuschauer einfielen.

      Er sah, wie Rhùks Lippen sich bewegten und beugte sich näher zu ihm, um seine Worte zu verstehen.

      »Ich sagte, sie sind religiös geworden, meine Landsleute!«, wiederholte der Windreiter lauter.

      Kirin zog eine Augenbraue hoch. »Sie wissen jetzt, dass Magie noch immer existiert und dass auch die Märchen über die Gräueltaten des schwarzen Ordens keine Märchen sind – kannst du es ihnen verübeln, wenn sie glauben, dass auch noch andere Dinge wahr sein könnten?«

      Er war zusammen mit seinen Begleitern stehengeblieben und sah nun zu, wie die Karren in gleichbleibendem Tempo um den Tempel gezogen wurden, während die Novizin sich langsam auf den Eingang des Baus zubewegte. Sie war die Erste, die ihn betreten würde, ansonsten hatte bis auf die Arbeiter noch niemand einen Fuß hineingesetzt. Während er ihr zusah, blendete auf einmal ein gleißendes Licht seine Augen; die Sonne ging weit hinter dem Tempel auf und stach ihm mit voller Kraft ins Gesicht. Er blinzelte und hob die Hand, um sich vor dem Licht zu schützen – und in diesem Augenblick sah er es: Ein Huschen im dunklen Eingang des Tempels.

      Eine Bewegung, nur einen Schritt von der weißgekleideten Gestalt entfernt, die sich ein letztes Mal vor dem Tempel und damit auch vor ihrem Gott verbeugte, ehe sie den Fuß über die Schwelle setzte.

      »ACHTUNG!«, brüllte Kirin, doch das war alles, was er tun konnte; im nächsten Augenblick fegte ein Brausen wie ein Sturmwind über sie alle hinweg, und dann brach das Chaos los: Kirin sah verschwommen, wie schwarzgekleidete Gestalten aus dem Tempel strömten, während gleichzeitig aus allen Richtungen Geschosse geflogen kamen und auf dem Platz und in der Mitte der Prozession einschlugen; sie schienen direkt aus der Menschenmenge um den Platz herum zu kommen. Wieder waren entsetzte Schreie zu hören, und von einem Herzschlag auf den nächsten verwandelten sich die Zuschauer in eine panische Masse aus hirnlosen Tieren, die haltlos in alle Richtungen davonstürmten.

      Hinter sich hörte er etwas zischen und warf sich instinktiv auf den Boden; das magische Geschoss sirrte über ihn hinweg und traf einen Zeremonienwagen, der von der Wucht regelrecht in Fetzen gerissen wurde. Die zwei Männer, die ihn gezogen hatten, wurden nach vorne geworfen und knallten hart auf den Stein. Rasch atmend drehte sich Kirin auf den Rücken und sah, wie die Windreiter, die die Menschenmassen zurückgehalten hatten, von Flüchtenden niedergetrampelt wurden, und noch immer gingen von überallher Geschosse auf sie nieder, die Löcher in den Boden rissen und jene, die sie trafen, durchbohrten.

      »Da vorne!«, schrie Rhùk, der sich neben Kirin auf den Boden geschmissen hatte, und deutete mit einem seiner Schwerter auf den Tempel. Kirin sah hin und erkannte, dass die Schwarzmagier vor dem Gebäude auf dem Platz Stellung bezogen. Die meisten gestikulierten wie wild mit den Händen. Die Luft um sie her begann zu flirren, dann jagten unzählige unsichtbare Magiepfeile davon und schlugen Krater in die Masse aus fliehenden Menschen.

      Hinter dieser Wand aus Ordensmitgliedern jedoch erkannte Kirin, wie eine einzelne weiße Gestalt von einem der Männer ins Innere des Tempels gezerrt wurde.

      »Nein!«, brüllte Rhùk und sprang hoch; im Zickzackkurs lief er auf die Magier zu, und Kirin folgte ihm. So gut er konnte, wich er Geschossen, fliehenden Menschen und am Boden liegenden Körpern aus und zog im Laufen seine Schwerter; er hielt sich in Rhùks Windschatten und sah mit einer Mischung aus Schock und Bewunderung, wie der Windreiter Magiegeschosse von sich ablenkte, indem er sie mit der flachen Seite seiner Klinge abwehrte.

      Als Kirin eines der flirrenden Dinger auf sich zukommen sah, zögerte er nicht und schlug danach als wäre es ein Ball, den er treffen wollte. Das schimmernde Etwas prallte mit der Wucht eines zweihändigen Schwerthiebes von der Klinge ab und sauste lebensgefährlich trudelnd davon, wobei es einen weiteren Karren in Stücke riss.

      Mittlerweile hatten Kirin und Rhùk die Hälfte des Weges zum Tempel hinter sich gebracht; die Schattenjünger standen noch immer geschlossen davor und feuerten auf Windreiter ebenso wie auf Unbeteiligte.

      Einer der Ordensjünger schien es besonders auf Kirin abgesehen zu haben; immer wieder sammelte er Kraft und schleuderte ein magisches Geschoss nach dem anderen gegen ihn, wobei Kirin oft nur im letzten Moment ausweichen konnte. Schließlich jedoch, als er auf etwa zehn Schritte an den Mann herangekommen war, reichte seine Schnelligkeit nicht mehr aus; statt die Magiekugel ganz abzulenken, streifte er sie nur mit seinem Schwert, woraufhin sie ihn zwar nicht mehr mit voller Wucht im Gesicht traf, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, dafür aber gegen seine Schulterpanzerung donnerte.

      Kirin schrie auf und strauchelte; gerade noch rechtzeitig schaffte er eine Rolle über die andere Schulter und verhinderte so, dass er mit dem Kopf gegen den Steinboden knallte. Seine Schulter pulsierte in furchtbarem Schmerz, als stünde sie in Flammen, aber zu seiner Verwunderung lebte er noch. Als er wieder klar sehen konnte, sprang er hoch, um sich erneut auf seinen Feind zu stürzen. Der jedoch lag am Boden, eine fürchterliche Wunde am Kopf. In einem Herzschlag, in dem die Welt stillzustehen schien, berührte Kirin die silbernen Ornamentplatten an seiner Rüstung, die sich vom Zusammenprall mit der Magie glühend heiß anfühlten.

      ›Geschliffenes Metall‹, dachte er; die Panzerung hatte den magischen Strahl nicht nur abgemildert, sondern ihn auch abgelenkt und zu seinem Urheber zurückgeschossen. Ein grimmiges Lächeln auf dem Gesicht, schwang er die Schwerter.

      Stilichos Herz jubelte vor Freude, als er seine knöchrigen Finger um den Arm des Mädchens schlang und sie ins Innere des Tempels zerrte. Sie wehrte sich nicht, sondern schrie nur spitz und fiel durch die Wucht der Attacke nach vorne; ehe Stilicho es verhindern konnte, schlug sie der Länge nach hin und blieb schwer atmend im Mittelgang des Tempels liegen. Stilicho warf einen raschen Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass seine Mitbrüder einen Wall vor dem Eingang zogen, damit der Großfürst und seine Getreuen dem Gefäß nicht zu Hilfe eilen konnten. Lächelnd beobachtete er, wie einer der Männer einen Magiestoß in die Menge aus kreischenden und schreienden Menschen schickte, woraufhin die Menschen wie ein Fischschwarm auseinanderstoben und dabei einige Wachen des Großfürsten mitrissen.

      Langsam wandte er sich wieder dem Mädchen zu, das sich jetzt schwer auf die Ellbogen stützte und sich aufzurichten versuchte. Aus dem Gestühl des Tempels kamen drei weitere seiner Brüder, die sich ihr mit beinahe andächtigen Gesichtern näherten, als wollten sie vor ihr niederknien. Stilicho trat näher und beugte sich über das Gefäß, von demselben Gefühl der Macht durchströmt wie damals, als er den Ordensführer des Lichten getötet hatte. Die Rechtschaffenheit ihres Tuns kam ihm wieder in den Sinn, und im Bewusstsein des absoluten Triumphes griff er durch das Tuch über ihrem Kopf ins Haar des Mädchens und zog sie hoch.

      Mit einem leisen Klappern fiel ihre Maske zu Boden und offenbarte ihr bleiches, schmales Gesicht.

      »Hallo«, sagte die junge Frau mit einem boshaften Grinsen.

      Ehe Stilicho auch nur Zeit hatte zu begreifen, dass irgendetwas schiefgelaufen war, glühten die Augen der Frau grellgrün auf, und im nächsten Augenblick existierte nichts mehr außer Grauen und Schmerz.

      Kirin spürte das vielsagende Kribbeln auf seiner Haut, und er brauchte nicht erst Rhùk, der ihm eine Warnung zurief, um zu wissen, dass Megan ihre Kräfte einsetzte. In einer fließenden Bewegung wich er einem weiteren Magiegeschoss aus und rollte über den Boden, in dem Moment, als die Macht der Westlichen die Magier vor der Tempeltür erfasste. Von Grauen gepackt, rissen einige von ihnen die Arme über den Kopf, Kirin hingegen zögerte keinen Herzschlag: Er griff in seine Ohrmuscheln und drückte die dort versteckten Wachskügelchen fest, sodass die Geräusche der Welt nicht mehr nur dumpf, sondern praktisch überhaupt