Название | Die Chroniken der drei Kriege |
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Автор произведения | S. A. Lee |
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Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783967525557 |
Jetzt stand er in einem heruntergekommenen Stollensystem, das von unkundiger Hand ins Erdreich gegraben worden war, und sah dem anderen Ordensvorsteher ins Gesicht. Stilicho war kaum mehr als ein wandelnder Leichnam, aber seine Jünger hielten respektvoll Abstand zu ihm, und auch Narvek spürte die Kraft, die noch immer in ihm pulsierte.
»Du bist also gekommen«, krächzte der Alte und deutete eine Verbeugung an. »Wir sind höchst erfreut über dieses Glück. Der Oberste hat vorausgesagt, dass mit deiner Hilfe die Ergreifung des Gefäßes möglich sein würde.«
»Und damit hatte er Recht«, erwiderte Narvek. »Wir können uns nicht erlauben, sie noch einmal zu verlieren. Ich hoffe, du hast alle Maßnahmen getroffen, um sie zu überwachen?«
Stilicho schielte von unten her zu Narvek hoch. »Seit dem … bedauerlichen Vorfall, der den jungen Großfürsten auf unsere Spur führte, habe ich meinen Späher Tag und Nacht in der Nähe des Palastes postiert. Er berichtet mir, dass das Mädchen sich noch immer dort aufhält. Sie erhält besondere Bewachung, wird nie aus den Augen gelassen. Daher war es uns bisher noch nicht möglich, direkt etwas zu unternehmen.«
»Das ist unerfreulich«, entgegnete Narvek barsch, »aber besser, als wenn es irgendein weiteres tölpelhaftes, überstürztes Eingreifen gegeben hätte, das die Wachsamkeit des Jungen noch mehr wecken könnte.«
Bei diesen Worten warfen ihm einige der umstehenden Ordensbrüder finstere Blicke zu, doch Narvek scherte sich nicht darum.
»Wart ihr wenigstens in der Lage, irgendeine Schwachstelle in der Befestigung des Palastes auszumachen?«
Stilicho räusperte sich, auch er zunehmend verärgert. »Es gibt ein Tunnelsystem unterhalb des Palastes, in dem sich auch die Kerker befinden, doch die Pläne dazu sind längst verschollen. Selbst wenn wir einen Weg hinein fänden, bräuchten wir eine Ewigkeit, um uns durch dieses Labyrinth zu kämpfen, und auch dann stünde uns noch immer eine ganze Armee von Palastwachen gegenüber.«
Narvek tippte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden. »Ich erinnere mich nicht, dich gebeten zu haben, mir zu sagen, was nicht funktioniert«, sagte er kalt. »Versuch nicht, dich herauszuwinden. Gibt es für uns einen Weg in den Palast hinein oder nicht?«
Stilicho richtete sich auf. »Die hinteren Palastgärten sind schwächer bewacht als der Rest des Komplexes«, sagte er, »aber solange die Aufmerksamkeit des Großfürsten sich voll darauf konzentriert, das Gefäß innerhalb dieser Mauern in Sicherheit zu behalten, wäre auch ein Versuch, dort einzusteigen, fruchtlos.«
Als Narvek sich entnervt abwenden wollte, fügte er hinzu: »Dennoch glauben wir, dass sich uns in Kürze die Möglichkeit für einen Angriff bieten könnte.«
Abwartend breitete Narvek die Arme aus und wandte sich dem Alten wieder zur Gänze zu. »Ich höre?«
»Auf Drängen der Stadtbevölkerung hat der Großfürst angeordnet, den Tempel des weißen Götzen wieder aufbauen zu lassen«, krächzte Stilicho, ein Glitzern in den trüben Augen. »Der Rohbau sollte in den nächsten Tagen fertiggestellt sein. Da es uns gelungen ist, die verbliebenen Ketzer zu töten, ist das Gefäß das einzige Mitglied dieses Konvents, das sich in der Stadt oder der näheren Umgebung aufhält. Du hast gehört, dass die wenigen, die dem Weißen geblieben sind, die Westlande verlassen …«
»Ja, habe ich«, unterbrach Narvek ungeduldig. »Erzähl weiter!«
»Nun, um den Tempel zumindest der Form nach einzuweihen, ist geplant, das Gefäß dorthin zu bringen, damit sie eine entsprechende Zeremonie abhalten kann«, erklärte der Alte mit einem wissenden Grinsen. »Zu diesem Zeitpunkt wird sie nur wenige Windreiter um sich haben – und es wird viel Volk auf der Straße unterwegs sein, um der Zeremonie beizuwohnen. Viele Gesichter, unter denen einige mehr oder weniger nicht auffallen.«
Narvek erlaubte sich ebenfalls ein Lächeln. »Ausgezeichnet. Dann wird dies der Tag sein, an dem wir uns dem Einen beweisen. Bis dahin wählt einige unter euch aus, die Augen und Ohren offenhalten für alles, was mit den Vorbereitungen für diese Zeremonie zu tun hat. Lass deinen Späher stets auf seinem Posten – nur zum Rapportieren kehrt er hierher zurück. Der Rest von euch geht in sich und ruht sich aus. Es wird ein schwerer Kampf, den wir zu bestehen haben.«
Der Alte lachte leise und rasselnd, und einige seiner Jünger stimmten mit ein.
»Die Windreiter sind nicht zu unterschätzen, das stimmt. Mit dem Metall, das sie tragen, können sie unsere Angriffe abwehren – aber wenn wir alle zusammen auf einen Schlag angreifen … Unser Vorhaben kann nur gelingen.«
Narvek fixierte sein Gegenüber. »Das ist nicht alles. Ich habe in Erfahrung gebracht, dass sich unter den Gefährten des Gefäßes ein Halbblut befindet.«
Für einen Moment herrschte schockierte Stille, dann brachen alle Umstehenden in hektisches Gemurmel aus; Narvek sah, wie Köpfe geschüttelt wurden.
»Ein Halbblut?«, raspelte Stilicho, »bist du sicher?«
»Mir wurden Berichte zugetragen, dass eine solche Kreatur den ersten Angriff unserer Mitbrüder zurückgeschlagen hat, als sie das Gefäß zu ergreifen suchten. Das Halbblut und ein menschlicher Krieger sollen sie auf ihrem Weg hierher begleitet haben.«
Stilicho dachte einen Augenblick nach, dann hob er die Hand, um die aufgeregten Brüder verstummen zu lassen.
»Es ist wahr, mein Späher berichtete von einem Windreiter und einer anderen Frau, die mit dem Gefäß im Palast eingetroffen sind. Wenn sie ein Halbblut ist … Über die Kräfte dieser Ungeheuer ist kaum etwas bekannt, und die wenigen Berichte, die es gibt, weichen stark voneinander ab.« Der Alte hielt inne und sah Narvek offen an. »Wir müssen den Obersten davon in Kenntnis setzen.«
»Unter gar keinen Umständen!«, hielt Narvek scharf dagegen. »Skaidridt ist mit den Vorbereitungen für das allerheiligste Ritual beschäftigt. Es ist nicht nötig, ihn mit solchen Dingen zu behelligen. Vergiss nicht, Bruder, es ist nur eine dieser Kreaturen – wir sind viele. Gemeinsam werden wir sie erdrücken, sollte sie es wagen, ihr Gesicht in der Stadt zu zeigen. Und ob das wahrscheinlich ist, wage ich zu bezweifeln – vergiss nicht, wie verhasst diese Kreaturen sind, in Aracanon noch mehr als sonst überall.«
Stilicho nickte nachdenklich. »Als die Stadt in die Hände des jungen Großfürsten fiel, hörte ich Gerüchte … Gerüchte über eine solche Bestie, die sich in den Reihen der Ostländer befinden sollte … möglicherweise ist es dasselbe Halbblut. Wenn dem so ist, dann wird sie sich hüten, sich erneut dem Hass der Stadtbevölkerung auszusetzen.«
»Bleibt auf alle Fälle aufmerksam. Wir können uns keine Fehler mehr leisten. Lasst uns jetzt gemeinsam beten«, fügte Narvek hinzu und ließ sich langsam auf die Knie nieder. »Betet für den Erfolg unserer Mission – und das Kommen des Einen.«
Der Hinterhalt
Aracanon, Hauptstadt Nardéz, Winter im Jahr 1098 des zweiten Zyklus
Fast drei Monde nahmen die Bauarbeiten in Anspruch, dann endlich wurde der letzte Stein ins Mauerwerk des weißen Tempels gesetzt. Noch fehlten Verzierungen, Schutzsprüche und Statuen, aber allein der Anblick des weißen Gebäudes, das von weither sichtbar zwischen den anderen Häusern hervorstach, schien den vom Schicksal gebeutelten Menschen wieder ein wenig Mut zu machen. Zwanzig